Nobelpreis für die Gravitationswellen / Interview mit Luciano Rezzolla

Luciano Rezzolla. Foto: Dettmar

Der mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnete Nachweis der Gravitationswellen ist ein experimenteller Erfolg, an dem auch Theoretiker wie Luciano Rezzolla, Theoretischer Astrophysiker an der Goethe-Universität, durch ihre Voraussagen einen Anteil hatten. Im Interview erklärt Rezzolla die Bedeutung der Entdeckung, spricht über experimentelle und theoretische Herausforderungen der letzten Dekaden und verrät etwas über Kip Thornes Hobbies.

Herr Rezzolla, warum ist die Entdeckung der Gravitationswellen wichtig?

Der Nachweis der Gravitationswellen ist zweifelsohne eine bedeutende Leistung. Aber, im Gegensatz zu dem, was die meisten Menschen glauben, ist der wichtigste Aspekt daran nicht der direkte Nachweis der Gravitationswellen. Einen indirekten Nachweis dafür gab es ja schon 1974, als die Radioastronomen Russel Hulse und Joseph Taylor entdeckten, dass sich die Umlaufbahn in einem Doppelsternsystem verkürzt. Das bedeutet: das System verliert Energie. Diese wird nach der Einsteinschen Äquivalenz von Masse und Energie in Form von Gravitationswellen abgestrahlt. Für diese Entdeckung erhielten Hulse und Taylor 1993 den Nobelpreis. Insofern hatte die Mehrheit der Physiker die Existenz von Gravitationswellen bereits akzeptiert.

Aus meiner Sicht ist der wichtigste Aspekt der Entdeckung des the LIGO Experiments der überwältigende und überzeugende Beweis für die Existenz schwarzer Löcher und dafür, dass sie tatsächlich entstehen, wenn zwei Neutronensterne unter der Aussendung von Gravitationswellen miteinander verschmelzen. Zuvor gab es dafür nur indirekte Beweise aus astronomischen Beobachtungen, die aber normalerweise nicht exakt genug sind, um unangefochten zu sein.

Das ist jetzt anders: Die Form der gemessenen Gravitationswellen entsprecht sehr gut den Vorhersagen, die vor etwa 10 Jahren von Theoretikern gemacht wurden. Außerdem entspricht das finale Signal, das bei der Verschmelzung der beiden Neutronensterne ausgesandt wird, das sogenannte „ring-down“, ziemlich genau dem, was wir von einem schwarzen Loch außerhalb des energetischen Gleichgewichts erwarten. Inzwischen können wir auch ausschließen, dass dieses Signal von einem Gravastern, einem exotischeren, ebenfalls sehr kompakten Objekt, stammt. Dazu haben wir kürzlich eine Studie gemeinsam mit der Universität in Sao Paolo publiziert.

Worin bestand die experimentelle Herausforderung für Rainer Weiss und Ronald Drever, als sie in den 1970er Jahren ihre Arbeit begannen?

In den 1970er Jahren häuften sich die Hinweise, dass Neutronensterne und schwarze Löcher sehr energiereiche Strahlung aussenden, die nicht anders erklärt werden konnte als durch Gravitationswellen. Zur gleichen Zeit zeigte sich aber auch, dass die Entwicklung der bisherigen Detektoren für Gravitationswellen an eine technische Grenze stieß. Es handelte sich im Wesentlichen um große Aluminium-Zylinder, die anfangen sollten zu schwingen, sobald sie von einer Gravitationswelle durchquert werden. Der Nachteil dieser Technik bestand darin, dass sie nur für ein sehr schmales Frequenzband empfindlich war. Das reduzierte die Chancen erheblich, ein originäres Signal zu messen.

Forscher wie Ray Weiss vom MIT, Ron Drever vom Caltech and Vladimir Braginsky in Moscow haben dann die grundlegende Theorien zum Betrieb der modernen Gravitationswellen-Interferometer entwickelt. Das Kernstück dieser Detektoren sind Michelson-Morley Interferometer, in denen zwei Laserstrahlen unterschiedlich lange Strecken durchlaufen und dann miteinander interferieren. Am Interferenzmuster lassen sich auch kleinste Differenzen der durchlaufenen Wegstrecke ablesen. Dieses Prinzip war zwar schon vor 100 Jahren bekannt, aber die Probleme, die entstehen, wenn man Interferometer mit Kilometer langen Armen braucht, waren vollkommen neu. Um die Hochleistungslaser zu stabilisieren, musste man alle Quellen von Rauschen beseitigen, die das sehr schwache Signal überdeckt hätten.

Die modernen Detektoren im amerikanischen LIGO-Experiment und im europäischen Virgo-Experiment sind fantastische Maschinen. Sie ermöglichen Messungen, die vor einigen Jahrzehnten noch nicht für möglich gehalten wurden und die an der Grenze dessen sind, was überhaupt messbar ist. Obwohl eine Menge Planung und Deign für die Detektoren der Interferometer in die 1970er Jahre zurückreicht, war Barry Barish in de 1990er Jahren eine der treibenden Kräfte für den Bau dieser Instrumente. Er brachte Experimentalphysiker und Datenanalystens für die LIGO Kollaboration zusammen, zu der heute weltweit mehr als 1000 Mitglieder zählen.

Welchen Beitrag leistete der Theoretiker Kip Thorne?

Kip Thorne ist eine wichtige Referenz für die Theorie Schwarzer Löcher und ihrer Dynamik. Zweifelsohne stammt das meiste Wissen, das wir heute über klassische Schwarze Löcher haben (also solche, die von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie beschrieben werden), von Thorne oder einer seiner zahlreichen exzellenten Schüler. Kip hat seit seiner Berufung ans Caltech in den 1970er Jahren eine Denkschule geschaffen, die systematisch einige der wichtigsten Probleme in der Physik Schwarzer Löcher und der Relativistischen Astrophysik bearbeitet hat.
Kip war auch ein beständiger Förderer bei der experimentellen Entwicklung der Interferometer-Detektoren, mit denen die Gravitationswellen nachgewiesen wurden. Er hatte eine aktive Rolle sowohl auf der Seite der Theorie, indem er die letzten Stadien bei der Aussendung von Gravitationswellen berechnete, als auch auf der experimentellen Seite, indem er Wege aufzeigte, das Rauschen der Detektoren zu reduzieren und die Genauigkeit der Messungen zu erhöhen.

Können Sie uns etwas über die Persönlichkeit der Nobelpreisträger erzählen?

Da ich selbst Theoretiker bin, habe ich Kip gut kennen gelernt und Ray und Barry ein paar Mal getroffen. In den 1990er Jahren war ich als Postdoktorand in der Gruppe von Kip. Er besitzt eine extrem reiche Persönlichkeit und vielfältige Interessen, von der Wissenschaftspopularisierung bis zum Science Fiction. Er ist oft Berater bei Science Fiction Filmen und war direkt beteiligt am Drehbuch für Interstellar. Es würde mir schwer fallen, seine Eigenschaften zusammenzufassen ohne sie herabzumindern. Alles, was ich sagen kann, ist, dass er ein sehr charismatischer Wissenschaftler ist und dass seine Zustimmung hoch geschätzt wird. Ich bin persönlich sehr stolz auf seine enthusiastische Rezension meines Buchs „Relativistic Hydrodynamics“.

Wegen seines Charismas lief es in seiner Arbeitsgruppe immer reibungslos und ruhig. Besonders legendär sind die Partys, die regelmäßig bei ihm Zuhause stattfinden. Dazu kommt die gesamte Arbeitsgruppe und einige wenige, die auch das Glück haben, eingeladen zu sein.

Das Interview führte Dr. Anne Hardy.

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