Ungarn: Sorgen um Zukunft der Privatuniversität CEU

Zur Diskussion um das ungarische Hochschulgesetz und die Zukunft der Central European University (CEU) hat sich das Präsidium der Goethe-Universität geäußert:

„Wir sind in großer Sorge um die wissenschaftliche Freiheit unserer Kolleginnen und Kollegen an befreundeten Universitäten. Die CEU ist eine international renommierte Universität, ihr Ende wäre ein Verlust für die Forschungs- und Bildungslandschaft in Ungarn. Es wäre zudem ein weiteres entmutigendes Signal an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie ihre Studierenden in anderen Ländern, in denen die Freiheit von Forschung und Lehre bedroht ist. Die Goethe-Universität tritt für eine offene und pluralistische Gesellschaft ein. Wissenschaft und Bildung sind die Grundlage für die Zukunftsfähigkeit dieser Gesellschaft.“

Zum Hintergrund

Mit 123:38 Stimmen wurde die Gesetzesänderung vom ungarischen Parlament im Eilverfahren beschlossen: Nun ist die Central European University (CEU) in Gefahr. Das neue Gesetz sieht unter anderem vor, dass ausländische Hochschulen in Ungarn auch eine Niederlassung in ihrem Heimatland vorweisen müssen, sofern der Träger der Einrichtung außerhalb der EU seinen Sitz hat, und dass die CEU keine amerikanischen Zeugnisse mehr vergeben darf. Internationaler Protest hat sich geregt, eine Petition wurde von namhaften Wissenschaftlern und Politikern unterzeichnet, um gegen den staatlichen Eingriff in die Hochschullandschaft Ungarns Beschwerde einzulegen. 1991 nach dem Ende des Ostblocks gegründet, wollten die Gründer der CEU um den aus Ungarn stammenden Unternehmer Soros die demokratischen und liberalen Kräfte im postkommunistischen Ungarn stärken. Die CEU gilt heute als renommierte Universität, die ihren Schwerpunkt in den Sozial- und Humanwissenschaften hat. Sie ist zwar eine Eliteuniversität, fördert aber mit speziellen Stipendienprogrammen den Zugang junger Menschen aus Minderheiten; eines davon richtet sich speziell an Studieninteressierte aus Roma-Familien, ein anderes an syrische Flüchtlinge.

Stimmen aus der Universität

Auch die Studierenden in Budapest sorgen sich um den Fortbestand ihrer CEU, eine davon ist Hager Ali. Die junge Frau ist Absolventin der Goethe-Universität. 2015 schloss sie ihren Bachelor in Politikwissenschaft ab, danach bewarb sie sich für den zweijährigen Masterstudiengang Political Science an der CEU. Die Studentin arbeitete bis zu ihrem Umzug nach Budapest nebenbei als freie Journalistin. Sehr groß war die Freude, als sie die Zusage für die CEU bekam, verbunden mit einem Stipendium. „Die Änderung im Hochschulgesetz soll 2018 in Kraft treten und Studierenden immerhin bis 2021 den Abschluss des Studiums ermöglichen“, erklärt Ali. Sie befürchtet dennoch, dass die Willkürlichkeit der Politik Orbans dafür sorgen könnte, dass der Lehrbetrieb an der CEU früher zum Erliegen kommen könnte.

Hager Ali ist Absolventin der Goethe-Universität und studiert jetzt Political Science an der CEU.

Die CEU steht im Fadenkreuz von Rechtspopulisten, gerade wegen ihrer liberalen Orientierung und der vielen internationalen Mitarbeiter und Studierenden. Regierungsnahe Medien liefern oft verzerrte Bilder von der Universität: So wird gerne über äußerlich auffällige Uniangehörige berichtet, zum Beispiel mit bunten Haaren oder Personen mit vermeintlichem Migrationshintergrund, um das Klischee einer Institution, die mit Ungarn nichts zu tun hat, zu unterstreichen. Ali ist mit dem Seminarbetrieb an der mit 1500 Studierenden eher kleinen CEU überaus zufrieden und würde daher gerne noch ihr PhD-Studium dort beginnen. Die Rückkehr nach Frankfurt mag zwar eine Option in sehr ferner Zukunft sein, allerdings macht sie die Situation trotzig: „Wir reichen weiterhin unsere Prüfungen ein und arbeiten an der Masterarbeit, als wäre nichts geschehen. Ich sehe die CEU neben der Goethe Uni als mein zweites Zuhause – und das wird jetzt angegriffen. Da werde ich jetzt nicht einfach meine Sachen packen und gehen.”

Das bilaterale Abkommen, welches zwischen Ungarn und USA laut der Gesetzesänderung geschlossen werden müsse, hätte zur Folge, dass sich beide Regierungen in Lehrpläne und Inhalte des Unterrichts einmischen können. „Schon alleine deswegen ist diese Gesetzesänderung völlig inakzeptabel. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem es um mehr geht als den Betrieb der CEU. Es geht um die Freiheit der Wissenschaft und um die Aufrechterhaltung demokratischer Werte“, erklärt sie. Ungarn befinde sich schon länger in einem Prozess der Illiberalisierung, bei dem unter anderem auch die Wahlbeteiligung konstant sinkt und Checks und Balances nach und nach abgebaut werden. Derzeit sind zudem überall in Budapest blaue Plakate angebracht, auf denen ‚Stoppt Brüssel‘ zu lesen ist. „Mich macht die Geschwindigkeit dieses Prozesses fassungslos. Von der Email des Rektors, über die beiden großen Proteste bis zum Beschluss des Gesetzes sind gerade einmal siebeneinhalb Tage vergangen“, erinnert sie. „Der Angriff auf die CEU markiert den Anfang eines steilen Abgangs. Deswegen werden wir das nicht akzeptieren und bleiben am Ball. Es ist noch nicht vorbei.”

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Dr. Endre Dányi, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität, hat an der CEU studiert.

Dr. Endre Dányi ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie an der Goethe-Universität. Er hat unter anderem Political Science an der CEU studiert und meldet sich auch mit einem Statement zu Wort:

“A Velvet Unrevolution: On Tuesday, April 4, the Hungarian Parliament approved the amendment of a law that regulates the operation of foreign universities in the country. As many academics, politicians, diplomats, and concerned citizens have argued, the amended law – if enacted – would make it very difficult for the Central European University (CEU) to continue to operate in Hungary.

I am affected by the recent attack against CEU in more than one way. As a Hungarian citizen I recognise the Fidesz government’s move as part of a larger ideological struggle, which prime minister Viktor Orbán likes to refer to as the establishment of ‘illiberal democracy’. As a CEU alumnus (MA in political science, 2002/2003), I know that the American-Hungarian university in the heart of Budapest – an international and interdisciplinary hub of independent thinking – is everything Orbán and his government fears and detests. And as an academic employed at the Goethe University I am fully aware that this attack is not a provincial issue happening somewhere on the margins of Europe. This is about what Europe is and ought to be about.

The closure or relocation of CEU would be a sure sign of the undoing of
1989 – nothing short of ‘a velvet unrevolution’. Here is how you can help: https://www.ceu.edu/category/istandwithceu.“

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