Neues Graduiertenkolleg zur Ästhetik der Demokratie

DFG fördert neue geisteswissenschaftliche Doktorand*innenschule und verlängert Förderung für Kolleg zu Bildgebung in Lebenswissenschaften

Demokratie ist nicht nur eine Staatsform, sondern auch eine Form des Zusammenlebens: Auf dieser Grundannahme basiert das Graduiertenkolleg „Ästhetik der Demokratie“ an der Goethe-Universität Frankfurt, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligt hat. Ebenfalls bewilligt wurde die Verlängerung des Graduiertenkollegs „Verknüpfung von Bildanalyse und Molekularen Lebenswissenschaften“, das nun weitere 4,5 Jahre arbeiten kann.

Protestbewegungen bedienen sich häufig an literarischen und populärkulturellen Werken. Die roten Roben und weißen Hauben aus Margaret Atwoods‘ Roman „The Handmaid’s Tale“ etwa lieferten im vergangenen Jahrzehnt das Symbol für die weltweiten Demonstrationen für körperliche Selbstbestimmungsrechte von Frauen. Hier eine Demonstration 2017 in Texas.

„Die Demokratieforschung führt in den geisteswissenschaftlichen Fächern bislang ein eher randständiges Dasein. Das wollen wir ändern“, sagt Prof. Johannes Völz, Amerikanist an der Goethe-Universität und Sprecher des neuen Graduiertenkollegs „Ästhetik der Demokratie“. Praktiken, Rituale und Normen der gelebten Demokratie seien durch die sozialwissenschaftlichen Disziplinen ausgiebig erforscht, nicht jedoch die sinnliche Dimension. Gerade in Zeiten, da die demokratisch verfassten Gesellschaften weltweit in die Defensive gerieten, sei aber das Wissen um die ästhetisch-emotionalen Bedingungen demokratischen Zusammenlebens wichtig. Die kritische Auseinandersetzung, das ständige Ringen um die richtige Form des Zusammenlebens gehöre zum Wesenskern des demokratischen Prinzips: „Die Aushandlung ihrer Form ist ihre Form“, heißt es im Antrag. Während die Ästhetik des Faschismus gut erforscht sei, gebe es zur Ästhetik der Demokratie kaum Literatur, betont Johannes Völz.

Dies soll sich mit Hilfe des neuen Graduiertenkollegs nun ändern. Was macht die Demokratie jenseits von Institutionen und Prozessen aus? Wie manifestiert sie sich in sinnlichen Erfahrungen? „Solange uns nicht bewusst ist, was das demokratische Zusammenleben ausmacht, wird es uns schwerfallen, die Demokratie zu verteidigen“, so Völz. Der geisteswissenschaftliche Blick auf die Demokratie verspricht dabei auch ungewohnte Perspektiven. So gehen die Antragsteller davon aus, dass sich auch in autoritären Staaten vereinzelt demokratische Formen des Zusammenlebens ausmachen lassen, etwa in der Populärkultur Chinas, in der Casting Shows im Staatsfernsehen Anfang der 2000er Jahre als demokratische Praxis verstanden und gefeiert wurden.

Internationaler Schwerpunkt für ästhetische und kulturelle Demokratieforschung

Knapp sechs Millionen Euro hat die DFG für die erste Förderphase zugesagt. Zwei Kohorten von je zwölf Doktorand*innen werden in den nächsten fünf Jahren an einschlägigen Themen arbeiten. Zum Sprecher*innenteam gehört neben dem Amerikanisten Völz, der an der Goethe-Universität die Professur für Amerikanistik mit Schwerpunkt „Demokratie und Ästhetik“ innehat, die Philosophin Sophie Loidolt von der Technischen Universität Darmstadt. Hinzu kommen zehn weitere Wissenschaftler*innen aus einem breiten Fächerspektrum der Geisteswissenschaften. Vertreten sind Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Amerikanistik, Film- und Medienwissenschaften, Germanistik, Kunstgeschichte, Neuere Geschichte, Philosophie, Skandinavistik und Sinologie. Hervorgegangen ist das Graduiertenkolleg aus dem Verbund „Democratic Vistas: Reflections on the Atlantic World“ am Forschungskolleg Humanwissenschaften, dem sämtliche beteiligten Wissenschaftler*innen angehören. 18 internationale Partnerinstitute auf fünf Kontinenten werden mit dem Kolleg kooperieren. Zudem werden die Doktorand*innen ihre Forschung mit regionalen Einrichtungen aus Kultur und Politik in der Zivilgesellschaft verankern. Die Ausschreibung wird im Spätsommer beginnen, der Start ist für April 2026 geplant.

Graduiertenkolleg zur Bildgebung in den Lebenswissenschaften verlängert

Auch das interdisziplinäre Graduiertenkolleg „Verknüpfung von Bildanalyse und Molekularen Lebenswissenschaften“ (Interfacing Image Analysis and Molecular Life Science, iMOL) an der Goethe-Universität hat einen positiven Bescheid erhalten: Das Kolleg, das seit 2020 junge Wissenschaftler*innen an der Schnittstelle von Lebenswissenschaften und Informatik ausbildet, kann seine Arbeit für weitere 4,5 Jahre fortsetzen.

Hintergrund des Graduiertenkollegs, an dem auch das Max-Planck-Institut für Biophysik beteiligt ist, ist die rasante Entwicklung von Methoden der Bildverarbeitung und Bildanalyse, etwa durch neuronale Netzwerke, sowie die Weiterentwicklung neuer Mikroskopietechniken. Die Kombination dieser Fortschritte ermöglicht Bilder mit beeindruckender Informationsdichte und einer stetig wachsenden Zahl von Anwendungsmöglichkeiten.

„Im Zentrum unseres Kollegs steht die Bildanalyse mittels neuronaler Netzwerke zur Extraktion von Informationen aus hochkomplexen biologischen Datensätzen der Licht- und Elektronenmikroskopie“, erklärt Professor Achilleas Frangakis, Sprecher des Graduiertenkollegs und Mitglied im jüngst bewilligten Exzellenzcluster SCALE an der Goethe-Universität. In den Lebenswissenschaften würden kaum Informatiker*innen ausgebildet, während Biolog*innen oft das notwendige Wissen zur Datenverarbeitung fehle. Diese Lücke schließt das iMOL-Graduiertenkolleg durch ein wissenschaftliches Programm, das innovative Technologieentwicklung mit hypothesengeleiteten Anwendungen in den Lebenswissenschaften kombiniert.

Drei zyklisch verbundene Forschungsbereiche

Das Forschungsprogramm gliedert sich in drei zentrale Bereiche: Der erste Bereich konzentriert sich auf die technologische Verbesserung der Mikroskopietechniken, etwa durch die Entwicklung spezieller neuronaler Netzwerke, um die Datenaufnahme schneller und mit einem besseren Signal-zu-Rausch-Verhältnis zu gestalten. Der zweite Bereich fokussiert sich auf Anwendungen in den Lebenswissenschaften – beispielsweise bei Gewebeproben – zur Gewinnung hochwertiger Bilddaten. Der dritte Bereich entwickelt neue Algorithmen zur Bildverarbeitung und -interpretation, die bislang unzugängliche Informationen erschließen.

Von besonderer Bedeutung ist der interdisziplinäre Ansatz: Die Datenanalyse fließt zurück in das Mikroskopdesign und in die Entwicklung neuer Hypothesen – ein geschlossener Kreislauf entsteht. Das Graduiertenkolleg bietet Absolvent*innen beider Fachrichtungen klare Einstiegsmöglichkeiten in Mikroskopdesign und Datenerfassung. „Die Lebenswissenschaften liefern die komplexesten und herausforderndsten Proben, und wir entwickeln herausragende Algorithmen, insbesondere auf der Basis neuronaler Netzwerke, um diese Daten zu analysieren und zu interpretieren“, betont Frangakis. Die interdisziplinären Kompetenzen, die die Kollegiat*innen dabei erwerben, sind sowohl in der akademischen Forschung als auch in der Industrie äußerst gefragt.

Redaktion: Dr. Anke Sauter, Dr. Phyllis Mania

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