Wie Schwarze Löcher mächtige relativistische Jets erzeugen

Theoretische Physiker der Goethe-Universität beschreiben mit komplexen Simulationen die Entstehung mächtiger Jets

Schon 100 Jahre bevor die Event Horizon Telescope Collaboration 2019 das erste Bild eines Schwarzen Lochs – im Herzen der Galaxie M87 – veröffentlichte, hatte der Astronom Heber Curtis einen seltsamen Strahl entdeckt, der aus dem Zentrum der Galaxie herauszeigt. Heute ist bekannt, dass es sich um den Jet des Schwarzen Lochs M87* handelt. Solche Jets werden auch von anderen Schwarzen Löchern ausgeschickt. Theoretische Astrophysiker der Goethe-Universität haben jetzt einen numerischen Code entwickelt, mit dem sie mathematisch hoch präzise beschreiben können, wie Schwarze Löcher die Energie aus ihrer Rotation in einen solchen ultraschnellen Jet umsetzen.

Auf der Äquatorialebene entlang der Stromschicht, wo die Teilchendichte (linker Teil) höher ist, entsteht eine Kette von Plasmoiden. Hier findet eine magnetische Rekonnexion statt, die Teilchen auf sehr hohe Energien beschleunigt (rechts). Die Teilchen erreichen auch relativistische Geschwindigkeiten entlang der Drehachse und bilden schließlich den Jet, der durch den Blandford-Znajek-Mechanismus angetrieben wird. Grau: Magnetfeldlinien. Bild: Meringolo, Camilloni, Rezzolla (2025)

Knapp zwei Jahrhunderte lang war nicht klar, dass es sich bei dem hellen Fleck im Sternbild der Jungfrau, den Charles Messier 1781 als „87: Nebel ohne Sterne“ beschrieb, um eine sehr große Galaxie handelt. Daher fand sich zunächst auch keine Erklärung für den 1918 entdeckten seltsamen Strahl, der aus dem Zentrum des „Nebels“ entspringt.

Dort, im Herzen der Riesengalaxie M87, befindet sich das Schwarze Loch M87*, das stolze sechseinhalb Milliarden Sonnenmassen vereint und sich mit großer Geschwindigkeit um sich selbst dreht. Mit der Energie aus dieser Rotation treibt M87* einen Teilchenstrahl an, einen Jet, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ausgestoßen wird und sich über gewaltige 5000 Lichtjahre erstreckt. Solche Jets entstehen auch durch andere rotierende Schwarze Löcher. Sie tragen dazu bei, Energie und Materie im Universum zu verteilen, und sie können die Entwicklung ganzer Galaxien beeinflussen.

Das Team von Astrophysikern an der Goethe-Universität Frankfurt unter der Leitung von Prof. Luciano Rezzolla hat einen numerischen Code entwickelt, den „Frankfurt particle-in-cell code for black hole spacetimes (FPIC)“, der mit hoher Genauigkeit die Prozesse beschreibt, die zur Umwandlung von Rotationsenergie in einen Teilchenstrahl führen. Das Ergebnis: Die Wissenschaftler fanden heraus, dass neben dem sogenannten Blandford-Znaiek-Mechanismus, demzufolge starke Magnetfelder für die Umwandlung der Rotationsenergie verantwortlich sind, ist ein weiterer Prozess an der Energieentnahme beteiligt ist: die magnetische Rekonnexion. Hierbei brechen Magnetfeldlinien auf und sich verbinden sich neu, wodurch magnetische Energie in Wärme, Strahlung und Plasmaeruptionen umgewandelt wird.

Der FPIC-Code simulierte die Entwicklung einer riesigen Anzahl geladener Teilchen und extremer elektromagnetischer Felder unter dem Einfluss der starken Gravitation des Schwarzen Lochs. Dr. Claudio Meringolo, Hauptentwickler des Codes, erklärt: Die Simulation solcher Prozesse ist entscheidend für das Verständnis der komplexen Dynamik relativistischer Plasmen in gekrümmten Raumzeiten in der Nähe kompakter Objekte, die durch das Zusammenspiel extremer Gravitations- und Magnetfelder bestimmt werden.

Für die Untersuchungen waren höchst aufwendige Supercomputer-Simulationen erforderlich, die Millionen von CPU-Stunden auf dem Frankfurter Supercomputer „Goethe“ sowie auf dem Stuttgarter Supercomputer „Hawk“ beanspruchten. Die enorme Rechenleistung war notwendig, um Maxwells Gleichungen und die Gleichungen für die Bewegung von Elektronen und Positronen gemäß Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zu lösen.

In der Äquatorebene des Schwarzen Lochs zeigten die Berechnungen der Wissenschaftler intensive Rekonnexionsaktivität, die zur Bildung einer Kette von Plasmoiden führt – kondensiertem Plasma in Energie-„Blasen“ – die sich mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegen. Den Wissenschaftlern zufolge geht dieser Prozess geht mit der Erzeugung von Teilchen mit negativer Energie einher, die extreme astrophysikalische Erscheinungen wie Jets und Plasmaeruptionen antreibt.

„Unsere Ergebnisse eröffnen die faszinierende Möglichkeit, dass der Blandford-Znajek-Mechanismus nicht der einzige astrophysikalische Prozess ist, der Rotationsenergie aus einem Schwarzen Loch extrahieren kann“, sagt Dr. Filippo Camilloni, ebenfalls am FPIC arbeitete, „sondern dass auch die magnetische Rekonnexion dazu beiträgt.“

„Wir können mit unserer Arbeit zeigen, wie Energie effizient aus rotierenden Schwarzen Löchern extrahiert und in Jets kanalisiert wird“, sagt Rezzolla. „So können wir dazu beitragen, die extremen Leuchtkräfte aktiver Galaxienkerne sowie die Beschleunigung von Teilchen bis fast auf Lichtgeschwindigkeit erklären“. Es sei unglaublich spannend und faszinierend, über ausgefeilte numerische Codes besser verstehen zu können, was in der Nähe eines Schwarzen Lochs geschehe. „Gleichzeitig ist es noch lohnender, die Ergebnisse dieser komplexen Simulationen mit einer strengen mathematischen Behandlung erklären zu können – so wie wir es in unserer Arbeit getan haben.“

Publikation: Claudio Meringolo, Filippo Camilloni, Luciano Rezzolla: Electromagnetic Energy Extraction from Kerr Black Holes: Ab-Initio Calculations. The Astrophysical Journal Letters (2025)

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