20 Jahre Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS): Das Schnellboot der Forschung

Klein, aber fein – interdisziplinär und international: das aktuelle FIAS-Team.

Die Gründung von FIAS war eine kuriose Geschichte“, erzählt Wolf Singer, Mit-Initiator des Frankfurt Institute for Advanced Studies vor 20 Jahren. Dem Neurobiologen war zu Beginn des Jahrtausends deutlich geworden, dass Theorien und Simulationen für sein Fachgebiet und alle Naturwissenschaften immer wichtiger werden. Die Theoretiker seien zwischen den Experimentatoren aber isoliert gewesen. „Daher habe ich ganz frech einen Antrag bei der VW-Stiftung für eine theoretische Stiftungsprofessur Neurowissenschaften an der Uni Frankfurt gestellt“, erzählt Singer. Der Antrag wurde international begutachtet, als tragfähig befunden und Fördergeld für fünf Jahre genehmigt. Doch weder in der biologischen noch der physikalischen Fakultät fand die Professur eine Heimat.

Theoretische Forschung – flexibel und interdisziplinär

Wolf Singer, Mitbegründer des FIAS.

Unabhängig davon wandte sich zur gleichen Zeit der Physiker Walter Greiner mit dem Wunsch nach mehr theoretischer Physik an die Goethe-Universität. Deren damaliger Präsident, Rudolf Steinberg, hatte die Gründung von neuen, flexiblen und unabhängigen „Forschungs-Schnellbooten“ rund um die Goethe-Uni gefordert. So liefen 2003 die Ideen von Singer, Steinberg und Greiner für ein fächerübergreifendes Institut für Theorie zusammen.

„Komplexe Systeme, egal in welcher Wissenschaftsdisziplin, lassen sich durch die gleichen theoretischen Ansätze beschreiben“, fasst Singer die damals und bis heute gültige Zielsetzung zusammen. Die mathematischen Formalismen seien fachunabhängig dieselben. Die Vereinigung von Theoretikern aus diversen Fächern unter dem gleichen Dach setze daher Synergien frei und erleichtere interdisziplinäres Forschen. Einzigartig war die Gründung als gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts. Dies ermöglichte Flexibilität in der Forschung – und diente anderen wissenschaftlichen Einrichtungen als Vorbild.

Schnell war der Name gefunden: Frankfurt Institute for Advanced Studies, in Anlehnung an das renommierte US-amerikanische Theorie-Institut in Princeton. Nun ging es um Finanzierung und Lokalisierung – „und ans Klinkenputzen“, schmunzelt Singer. Zusammen mit Steinberg und Horst Stöcker, dem Vizepräsidenten für Forschung und späteren ersten FIAS-Vorsitzenden, machten sich Wolf Singer und Walter Greiner auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten und Finanzierungspartnern. Neben der VW-Stiftung schlossen sich bald weitere namhafte Förderer an, darunter die Hertie-Stiftung, Merck, Boehringer Ingelheim, Siemens, Samson und andere. „Wir rannten offene Türen ein“, so Singer, denn das internationale Gutachten der VW-Stiftung war wissenschaftlich geprüft und überzeugte. Bald war genug Geld beisammen, um davon fünf Nachwuchsgruppen fünf Jahre lang finanzieren zu können.

In der Physik fanden sich Räumlichkeiten, die das FIAS vorläufig bezog. „Wir schrieben weltweit Forscherstellen aus“, so Singer. Aus 250 Bewerbungen wählten sie fünf künftige Fellows aus, deren Gehalt sowie Postdoc- und Doktorandenstellen damit finanzierbar waren. „Alle fünf übernahmen später Lehrstühle“, bestätigt Singer die erfolgreiche Wahl. Stiftungsrat und Kuratorium wurden gegründet. Gründungsdirektoren im neuen Vorstand waren Greiner und Singer. „Das war ein solches Vergnügen mit Greiner!“, schwärmt Singer über die Kooperation mit dem 2016 gestorbenen Physiker. „Er war visionär.“ Inhaltlich seien sie sich durchweg einig gewesen.

Geschickte Verhandlungen und hilfreiche Unterstützer

Das markante rote FIAS-Gebäude (links) am Riedberg wurde 2007 bezogen.

Doch bald stellte sich die Frage: Wie könnte sich das Institut dauerhaft finanzieren? Dabei half die Hessische Landesregierung, die Steinberg neben den Mietkosten zusagte, alle Drittmittel-Einwerbungen des FIAS mit einem Bonus zu unterstützen. Damit ließen sich Betriebsmittel und Verwaltung finanzieren, während Vorstand und Fellows erfolgreich bei diversen Frankfurter Stiftungen, Humboldt-Stiftung, DFG, Helmholtz-Gemeinschaft und BMBF Forschungsmittel von bis heute rund 100 Millionen Euro einwarben. Doch es stellte sich die Frage nach einer dauerhaften Bleibe des Instituts.

Greiner und Stöcker holten die Mäzene Karin und Carlo Giersch als Stifter an Bord. Das Ehepaar hatte seine Gewinne aus dem Handel mit Elektrobauteilen in eine gemeinnützige Stiftung überführt, die bereits in Darmstadt ein Forschungsgebäude finanziert hatte. Dieses wurde ähnlich und daher vergleichsweise schnell und günstig für das FIAS kopiert. Nach nur neun Monaten Bauzeit zog das FIAS 2007 in das neue Gebäude am Riedberg, dessen warmer roter Farbton in Kontrast zur sachlichen Funktion steht, wie es in der Einweihungsbroschüre heißt: „Es spiegelt das strukturierte Denken im Innern nach außen.“ Das verglaste Dachgeschoss mit Rundumblick von Taunus bis Skyline und Odenwald trage dazu bei, „dass Erkenntnisgewinn auch aus Muße resultiert und meist dann besonders fruchtbar ist, wenn man den Blick über den (eigenen) Horizont hinaus schweifen lässt.“ Bauherr Giersch ergänzte: „Wenn sich Geist und Geld begegnen, kann Großes entstehen.“

FIAS als Treiber wissenschaftlicher Innovation

„Das Verbindende in der Vielfalt zu erschließen“, war und ist ein Motto des FIAS. Die Anbindung an die experimentelle Forschung an den Universitäten, Max-Planck-Instituten und Forschungsverbünde ist dabei wichtig. Manche Kooperationen waren nicht dauerhaft, etwa die Einbindung komplexer Finanzsysteme. „Das FIAS kann wissenschaftliches Neuland erschließen; es ist nicht an den Fächerkanon gebunden wie die Universitäten“, beschreibt Singer die Vorteile des Instituts. Stöcker bezeichnete das FIAS als „Durchlauferhitzer“ für die jungen Fellows: Nach fünf Jahren freier Forschung mit eingeschränkter Lehrverpflichtung schafften die meisten Fellows den Sprung auf einen Lehrstuhl oder in die Industrie.

Die von FIAS getragene Graduiertenschule FIGSS (Frankfurt International Graduate School for Science) sorgt seit der Gründung für eine interdisziplinäre Doktorandenausbildung in enger Zusammenarbeit mit der Goethe-Universität.

Die Erfolge des FIAS lassen sich sehen: Die computergestützten Neurowissenschaften haben die Forschenden entscheidend vorangebracht. Theorien und Simulationen von molekularen und zellübergreifenden Netzwerken erlauben Aussagen über Zellbewegungen, Signalprozesse und Interaktionen von Zellen bis zu Computermodellen von Infektionskrankheiten und deren Übertragung. Physiker*innen beschreiben kleinste und extrem dichte Materieformen, Gravitationswellen und Neutronensterne und liefern wichtige Daten zu Klima, Erdbeben und Stromübertragung. Am FIAS entwickelte Hochleistungs-computer gehören zu den energieeffizientesten Systemen weltweit.

„Ein kleines Institut kann wie ein Schnellboot navigieren und jederzeit die Richtung ändern“, bestätigt Singer den von Steinberg vorhergesagten Charme des FIAS. Neue Ideen und visionäres Denken ließen sich schwerer in Fakultäten eingliedern als in einem solch flexiblen Institut. „Originelle, zukunftsträchtige Ideen sind zarte Pflanzen, die man gießen und pflegen muss, damit sie sich hoffentlich entwickeln.“

Eckhard Elsen, Wissenschaftlicher Direktor seit 2022, ist überzeugt: „Die Gründungsidee trägt weiterhin: Fächerübergreifend bringen wir die besten Ansätze zur Lösung naturwissenschaftlicher Herausforderungen zusammen.“ Neben Neurowissenschaft und Physik nutzt heute auch die Biologie am FIAS Simulation und Modellierung. „Das FIAS kann mit den modernen Methoden des Computing die Forschung gezielt und effizient voranbringen“, betont Elsen – und dankt den visionären Gründern.

Anja Störiko

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20 Jahre FIAS – das sind
• 72 Fellows
• über 100 Promotionen
• 3 Stiftungsprofessuren
• 15 eng kooperierende Adjunct und International Fellows
• über 20 fördernde Stiftungen und Sponsoren
• jährlich rund 150 forschende Gäste aus über 25 Ländern

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Das Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) feiert dieses Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Im markanten roten Institut am Riedberg forschen 150 Fellows und Mitarbeitende interdisziplinär an komplexen naturwissenschaftlichen Zukunftsthemen. Schwerpunkt sind Simulationen und Theorien aus allen naturwissenschaftlichen Bereichen, die Grundlagen zur Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit schaffen. Als gemeinnützige Stiftung arbeitet das FIAS eng mit der Goethe-Universität, benachbarten Forschungsinstituten sowie privaten Stiftern und Sponsoren zusammen.

Die FIAS-Forschungsgebiete greifen dabei häufig ineinander: So verwenden Informatiker ihre Kenntnisse, um Ansatzpunkte für Impfstoffe zu finden, oder Physikerinnen untersuchen, wie man mit Teilchenstrahlen Tumore zerstören kann. Das FIAS feiert dieses Jahr mit Veranstaltungen wie Tag der offenen Tür, Sommerfest und Beteiligung an der Nigth of Science sowie dem Museumsuferfest. Höhepunkt ist der Festakt im Casino der Goethe-Universität am 5. Dezember unter Schirmherrschaft von Prof. Enrico Schleiff.

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