Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis ist eine der angesehensten Auszeichnungen, die in Deutschland an junge Forscherinnen und Forscher vergeben wird. In diesem Jahr feierte er sein 20. Jubiläum.

Wenn Ana Martin-Villalba an den 14. März 2006 zurückdenkt, ist ihr anzumerken, wie lebendig ihr die Ereignisse dieses Tages noch immer vor Augen stehen: die historische Kulisse der vollbesetzten Frankfurter Paulskirche. Das Kameragewitter der Journalistinnen und Journalisten. Die Laudatio, in der ihre wissenschaftlichen Leistungen gewürdigt wurden. „Das alles war sehr, sehr beeindruckend“, sagt sie. „Und nicht nur der Tag selbst, sondern auch der Medienrummel danach – die ZEIT brachte sogar einen einseitigen Artikel über mich und meine Arbeit.“
Kein Wunder: Die heutige Professorin am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg schrieb damals in einem gewissen Sinne Geschichte. Sie ist die Erste, die den mit 60 000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis erhielt. Dass diese Premiere auf so große Beachtung stieß, hat einen guten Grund: Schon seit 1952 vergibt die Paul Ehrlich-Stiftung jährlich eine Auszeichnung gleichen Namens an die weltweit führenden Köpfe aus Biochemie und Medizin – also den Gebieten, auf denen auch Paul Ehrlich aktiv war. In der Wissenschaft genießt sie höchstes Renommee: Von den inzwischen fast 140 Laureatinnen und Laureaten erhielten später 26 auch den Nobelpreis.
„Als wir den Nachwuchspreis ins Leben riefen, hofften wir natürlich, ein Stück weit von dieser Strahlkraft zu profitieren“, erklärt Prof. Dr. Jürgen Bereiter-Hahn, damals Vizepräsident der Goethe-Universität und einer der Geburtshelfer der Auszeichnung. „Wir wollten mit ihm zudem ein neues Kapitel aufschlagen und ganz gezielt schon in der Frühphase der Karriere gute Ideen und Forschungsansätze fördern. Dabei hatten wir explizit herausragende wissenschaftliche Talente im Blick, die an einer deutschen Forschungseinrichtung arbeiten – anders als der Hauptpreis, der ja auch an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Ausland verliehen wird.“
Auf dem Weg zum Kindergarten von der Ehrung erfahren
Martin-Villalba war damals 34 und leitete schon eine Arbeitsgruppe beim DKFZ. Dank ihrer Untersuchungen zu einem wichtigen Signalweg, dessen Blockade zu einer besseren Regeneration des Rückenmarks nach einer Querschnittslähmung führt, hatte sie sich bereits in der Fachwelt einen Namen gemacht. Von ihrem Erfolg erfuhr die gebürtige Spanierin und damals schon dreifache Mutter auf dem Weg zum Kindergarten. „So eine Auszeichnung macht natürlich enorm stolz“, erinnert sie sich.
„Der Preis ist eine tolle Bestätigung“, betont auch der Bonner Hirnforscher Tobias Ackels. „Und das streng genommen nicht nur für mich: Die Arbeiten, die damit gewürdigt wurden, wären ohne die Kollaboration mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gar nicht möglich gewesen.“ Der Professor für Neurowissenschaften durfte die Ehrung in diesem Jahr entgegennehmen, für seine Erkenntnisse zu der Frage, wie das Gehirn Geruchsreize verarbeitet. Allein der Auswahlprozess sei schon enorm beeindruckend gewesen. „Ich bin im letzten Sommer zusammen mit sechs weiteren Kandidatinnen und Kandidaten zum Auswahlsymposium ins Georg-Speyer-Haus eingeladen worden“, sagt er. „Die Vorträge waren durch die Bank brillant – es war wirklich toll, dort so viele herausragende Kolleginnen und Kollegen kennenlernen zu dürfen.“
Schlusspunkt sei für alle ein Einzelgespräch mit dem Auswahlgremium gewesen, im holzvertäfelten Büro Paul Ehrlichs. Auf dem Heimweg habe er sich eher geringe Chancen ausgerechnet, zumal er als Grundlagenforscher und Nicht-Mediziner eine Sonderstellung eingenommen habe. Umso größer war seine Freude, als drei Monate später der Anruf mit der guten Nachricht kam.
Ein Preis, der Sichtbarkeit verleiht
Mit 60 000 Euro ist der Preis dotiert; eine Summe, die ausschließlich für wissenschaftliche Projekte genutzt werden darf. Ackels hat diese Summe schon verplant – unter anderem für ein ausgeklügeltes Kamerasystem, mit dem er das Verhalten seiner Versuchstiere aufzeichnen und ihre Bewegungen dokumentieren möchte. Doch das Geld sei es nicht, das die Auszeichnung so attraktiv mache, betont Prof. Dr. Ana Martin-Villalba: „Viel wichtiger ist die Sichtbarkeit, die der Preis der eigenen Forschung verleiht – gerade in dem hoch kompetitiven Umfeld, in dem wir uns bewegen.“
Diese Sichtbarkeit kann es einfacher machen, Drittmittel für ein Projekt einzuwerben oder sich bei der Bewerbung um eine Stelle durchzusetzen. Denn wissenschaftliche Auszeichnungen sind immer auch ein Beleg für Exzellenz – und damit ein wichtiger Türöffner, der die Umsetzung eigener Ideen erleichtert. „Ich glaube, dass das beim Nachwuchspreis in besonderem Maße der Fall ist, weil der ursprüngliche Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis international so hohes Ansehen genießt“, sagt Martin-Villalba. Auch Ackels hofft, dass ihm die Würdigung auf seinem weiteren Weg helfen wird. „Wenn ich so sehe, was aus den anderen Preisträgerinnen und Preisträgern geworden ist, bin ich da eigentlich ganz zuversichtlich.“
Stringenter Auswahlprozess
Tatsächlich hat die Auswahlkommission bisher einen guten Riecher bewiesen: Alle Laureatinnen und Laureaten haben sich in der Wissenschaft einen Namen gemacht; viele von ihnen bekleiden heute Schlüsselpositionen in der deutschen Forschungslandschaft oder auch international. „Ein wichtiger Faktor ist dabei sicher, dass wir von Beginn an sehr strenge Kriterien angelegt haben, um wirklich herausragende Frauen und Männer zu finden, denen wir mit unserer Auszeichnung einen zusätzlichen Push geben können“, betont Jürgen Bereiter-Hahn. Dieser stringente Auswahlprozess sei aus ihrer Sicht auch das Besondere am Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis, meint Ana Martin-Villalba: „Ob du in Stanford arbeitest oder gut vernetzt bist, zählt bei der Entscheidung nicht. Ausschlaggebend ist einzig die eigene Forschungsleistung.“
Die hohe Exzellenz der Preisträgerinnen und Preisträger zeigt sich auch noch an einer anderen Beobachtung: Viele von ihnen erhielten noch weitere hochrangige Ehrungen, etwa den Heinz Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der ebenfalls an vielversprechende Forschende in einem frühen Stadium ihrer Karriere vergeben wird. Eine ganz besondere Premiere gab es allerdings in diesem Jahr zum 20. Jubiläum: Die Medizinerin Prof. Dr. Andrea Ablasser wurde in der Paulskirche mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Hauptpreis geehrt. Sie dürfte dabei eine Art Déjà-vu verspürt haben: 2014 hatte sie am selben Ort bereits den Nachwuchspreis erhalten.
Frank Luerweg