Gemeinsam sorgten sie in der Zeit der Pandemie für die Umsetzung der Corona- Verordnungen an der Goethe-Universität: René Hummerich und Heike Körber aus den Referaten für Arbeitsschutz und Biologische Sicherheit blicken gemeinsam auf eine für sie extrem arbeitsintensive, teilweise belastende, aber auch sehr produktive und erkenntnisreiche Zeit zurück.

UniReport: Herr Dr. Hummerich, Frau Dr. Körber, wenn Sie nach fünf Jahren auf die Zeit der Pandemie zurückschauen – gibt es einen bestimmten Moment, der sich Ihnen besonders eingeprägt hat?
René Hummerich: Ich erinnere mich besonders an den Beginn der Pandemie: Zum Jahreswechsel 2019/2020 war der Corona-Ausbruch noch weit entfernt und nur über die Medien in unseren Wohnzimmern präsent. Ende Januar wurde klar, dass es auch uns betrifft und das nicht nur marginal, ohne aber schon genau zu wissen, was dies für uns und unser weiteres Leben bedeuten würde. Erst mit dem ersten Lockdown in Deutschland ab dem 22. März und mit den beängstigenden Bildern aus dem italienischen Bergamo und anderen Ländern wurden annähernd die Tragweite und die Auswirkungen klar.
Heike Körber: Besonders erinnere ich mich an ein Gefühl der Hilflosigkeit im Frühjahr 2020: Die Infektionswege und die Umweltstabilität von SARS-CoV-2 waren noch nicht vollständig bekannt, Risikogruppen noch nicht definiert, sinnvolle Maßnahmen zum Infektionsschutz mussten noch erarbeitet werden. Allein die Diskussion darüber, ob und wie Masken helfen, hat für viel Unsicherheit gesorgt. In dieser Zeit hat mir der Podcast „Coronavirus-Update“ vom Berliner Virologen Christian Drosten, der von Ende Februar 2020 an fast täglich ausgestrahlt wurde, viel Hoffnung gegeben und mich fest auf dem Boden der wissenschaftlichen Tatsachen gehalten. Später haben mich persönlich Infektionsfälle mit schwerem Verlauf, aber auch Personen, die mit Kontaktreduktion und Quarantäne nicht gut umgehen konnten, sehr stark berührt.
Die Zeit der Pandemie war für Sie beide mit einer erheblichen Arbeitsbelastung verbunden.
Hummerich: Das war wie ein dreijähriger Arbeitstunnel, in den wir beide und meine Stellvertreterin Frau Sylvia Richter geraten sind. Nachdem die pandemische Lage mit nationaler Tragweite in Deutschland ausgerufen worden war, erfolgte die Gründung eines Krisenstabs im Präsidium. Von da an ging es richtig los, wir haben pausenlos telefoniert und E-Mails beantwortet, bis dann endlich von Bund und Land die Regelungen kamen.
Körber: Unzählige Corona-Verordnungen wurden in der Zeit erlassen, die wöchentlich oder sogar von einem Tag auf den anderen geändert wurden. Das mussten wir entsprechend aufbereiten und ins Präsidium geben, die resultierenden Dienstanweisungen wurden auf die Website gestellt. Dazu gab es immer unzählige Nachfragen. Hummerich: Wenn wir nicht gearbeitet haben, so haben wir zuhause im Fernseher oder im Internet die neuesten Nachrichten verfolgt, um zu erfahren, wie sich die Infektionslage entwickelte und welche weiteren Maßnahmen von der Politik beschlossen wurden. Trotz der sehr hohen Arbeitsbelastung von dauerhaft über 70 Stunden die Woche, war vor allem das schnelle und erfolgreiche Umsetzen der Corona-Maßnahmen, zum Schutz aller Angehörigen der Universität und zur Aufrechterhaltung des Arbeits-, Lehr- und Forschungsbetriebes, die uns antreibende Motivation.
Was ist aus Ihrer Sicht gut gelaufen, was weniger gut?
Körber: Die Goethe-Universität konnte im Rahmen des Krisenstabs immer sehr schnell auf neue Vorgaben in den Verordnungen reagieren. Abstands- und Hygiene-Konzepte für notwendige Präsenzveranstaltungen, vor allem in den Naturwissenschaften, der Medizin und für Prüfungen, konnten mit enormem Einsatz der Verantwortlichen erstaunlich schnell umgesetzt werden. Technische Lösungen konnten vom Hochschulrechenzentru sehr schnell zur Verfügung gestellt werden, wie beispielsweise Online- Meetings und Homeoffice-Lösungen. Von den flexibleren Arbeitszeitregelungen profitieren wir noch heute. Was nicht so gut gelaufen ist: Es war leider technisch nicht möglich, alle Beschäftigten der Goethe-Universität zeitnah per Mail über Änderungen zu informieren. Man konnte nur sagen: Schaut auf die Website, so haben die Informationen viele nicht gut erreicht. Das hat mitunter zu einem sehr hohen Beratungs- und Diskussionsbedarf geführt.
Sind Sie eigentlich selber an Corona erkrankt?
Hummerich: Mich hat es 2022 erwischt, als die Corona-Verordnungen gerade gelockert worden waren. In einem überfüllten Bus ohne Lüftung hat es mich auf dem Nachhauseweg von der Arbeit wahrscheinlich erwischt, umgeben von Menschen, die in meinem Wohnort Darmstadt schon wieder tüchtig gefeiert haben. Die Menschen wurden damals sehr nachlässig, auch was das Tragen der Maske im öffentlichen Raum anging. Dabei war zu dem Zeitpunkt klar, dass es noch nicht vorbei war.
Körber: Ich habe mich vergleichsweise spät infiziert: Januar 2024, auf einer Demo gegen Rechts. Ich stand längere Zeit in einer Menschenmenge draußen, ich war aber eigentlich immer sehr vorsichtig. Ich war drei Wochen krank, hatte danach längere Zeit Geschmacksirritationen.
Waren die Schließungen von Bildungsinstitutionen aus Ihrer Sicht notwendig?
Hummerich: Zu Beginn der Pandemie, ohne genaue Kenntnisse der Infektionswege und mit nur mangelhaften Maßnahmen und fehlenden Schutzmitteln (zu Anfang fehlten beispielsweise noch Masken und Tests), waren Schließungen und auch der Lockdown unvermeidlich, um die Bevölkerung und entsprechend Universitätsmitarbeitende und Studierende zu schützen. Im weiteren Verlauf der Pandemie, mit Hygienekonzepten, Schutzmitteln und Corona-Tests, waren Schließungen nicht mehr unbedingt notwendig. Was aber die Schließung von Schulen angeht: Nach heutigem Wissensstand ist die damalige Annahme, dass Kinder Treiber der Pandemie sind, nicht mehr haltbar. Hier wäre es angebracht, diese wie auch die anderen Maßnahmen mit Blick auf neue Pandemien intensiv zu überprüfen und den Erkenntnisgewinn in neue Pandemiepläne und Maßnahmenkataloge einzubringen.
Körber: Die Schulschließungen waren nach damaligem Kenntnisstand für mich durchaus nachvollziehbar. Man erinnerte sich an die Spanische Grippe, eine Pandemie des frühen 20. Jahrhunderts, der viele Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Auslöser war wie bei SARS-CoV-2 ein luftgetragener Erreger. Damals konnten Schulschließungen die Infektionsrate reduzieren, wenngleich die Lebensbedingungen ganz anders waren.
(Noch-)Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat gesagt, dass eine allgemeine Impfpflicht (wenn der Bundestag diese damals beschlossen hätte) ein Fehler gewesen wäre.
Hummerich: Hier muss man differenzieren: Die im März 2022 beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen diente dazu, Patientinnen, Patienten und Pflegebedürftige besser vor einer Covid-19-Infektion zu schützen. Zu diesem Zeitpunkt sahen Politik und Expert*innen diese einrichtungsbezogene Impfpflicht als einzige Möglichkeit, gefährdete Personengruppen in den Einrichtungen zu schützen. Ob demgegenüber eine allgemeine Impfpflicht Auswirkungen auf die pandemische Lage gehabt hätte, ist reine Spekulation. Wenn eine allgemeine Impfpflicht für eine neuerliche Pandemie als Maßnahme angedacht würde, so bedarf dies einer intensiven wissenschaftlichen, aber vor allem auch gesellschaftlichen Prüfung. Eine solche Maßnahme muss im Konsens und durch Akzeptanz der Mehrheit der Bevölkerung getragen werden, da ansonsten nicht ausgeschlossen werden kann, dass es zu massiven Verwerfungen innerhalb der Gesellschaft kommt.
Körber: Letztlich laufen diese Fragen darauf hinaus, in welcher Gesellschaft wir leben möchten. Werden Risikogruppen durch die Mitwirkung aller geschützt, also durch Eindämmung des Infektionsgeschehens mit Maßnahmen wie Hygienekonzepte, Kontaktreduktion, Quarantänen und auch Impfungen? Oder nehmen wir für die „Freiheit“ der Mehrheit in Kauf, dass sich vulnerable Personen isolieren müssen, erkranken oder gar sterben? Ich möchte gerne an dieser Stelle auf das sogenannte Präventionsparadox (“There is no glory in prevention”, Geoffry Rose, Epidemiologe) hinweisen: Dadurch werden im Nachhinein Maßnahmen infrage gestellt werden, deren Wirkung nicht direkt ersichtlich oder auch nur eingeschränkt wissenschaftlich nachweisbar sind. Insgesamt ist aber festzuhalten, dass wir in Deutschland doch sehr gut durch die Pandemie gekommen sind.
Info
Dr. René Hummerich leitet das Referat Arbeitsschutz, Dr. Heike Körber das Referat Biologische Sicherheit an der Goethe-Universität.