Helfen, weil einem selber geholfen wurde

Die Psychotherapeutische Beratungsstelle (PBS) der Goethe-Universität ist ein niedrigschwelliges Angebot für alle Studierenden. Ein kürzlich erfolgter Spendenaufruf zielt darauf, das Beratungsangebot vorübergehend ausweiten zu können. Ein ehemaliger Studierender, der Hilfe bei der PBS fand, hat aus Dankbarkeit Geld gespendet.

Frank S. studierte Physik an der Goethe-Universität, bereitete sich gerade auf seine Diplomarbeit vor. Die Diplomarbeit, die er mit so viel Elan begonnen hatte, verzweigte sich in immer mehr Richtungen und er begann die Übersicht zu verlieren. Aus dem Physik-Überflieger war jemand geworden, der nicht mehr wusste, wie er all die verschiedenen Aspekte noch verstehen und zusammenbringen soll. Immer neue Schwierigkeiten tauchten auf. Zudem belasteten ihn in dieser Phase einige familiäre Probleme. Zusammengenommen führte das bei ihm zu einer großen Verzweiflung, aus der er alleine keinen Ausweg sah. Dass er sich Hilfe suchen musste, wurde ihm damals recht schnell klar. Aber auf dem freien Markt: Wo war ein:e gute:r Therapeut:in zu finden? Es gab zu viele Möglichkeiten und er wusste zu wenig über sie. Wo sollte er anfangen zu suchen? Fragen über Fragen, die ihm in seinem mentalen Zustand über den Kopf wuchsen.

Heute, nach fast 40 Jahren, erinnert sich S. noch gut an diese schwierige Situation: „Mir selbst eine psychologische Beratung zu suchen, hätte mich komplett überfordert. Aber dass die Institution, an der ich eingeschrieben war und der ich mich zugehörig fühlte, mir da weiterhelfen konnte, war ein wirklicher Glücksfall. Ich entdeckte damals die Angebote der Psychotherapeutischen Beratungsstelle der Goethe-Universität, stieß auf eine Gruppentherapie, für mich war glücklicherweise auch recht schnell ein Platz frei. Die Therapie ging ungefähr über ein Jahr, mit nachhaltigem Erfolg: Unter fachkundiger Leitung konnte ich mich mit anderen Studierenden aussprechen, meine Probleme thematisieren. Das hat mir sehr geholfen. Ich habe danach auch mit Erfolg mein Diplom ablegen können; von der ursprünglichen Idee, eine akademische Karriere anzustreben, habe ich mich verabschiedet. Ich bin dann in die IT gegangen, in der ich bis heute recht erfolgreich tätig bin.“

S. ist der Institution immer noch sehr dankbar. Als er kurz vor Weihnachten von dem Spendenaufruf liest, wird ihm sehr schnell klar: Er möchte etwas zurückgeben, damit jungen Menschen, die in eine ähnliche Notlage geraten, geholfen werden kann. „Ich bin kein reicher Mann, aber ich gebe gerne etwas ab, auch regelmäßig. Die Angebote der PBS sind ungeheuer wichtig, daher habe ich die Arbeit mit einer Spende unterstützt. Ich kann rückblickend nur betonen: Mein Leben wäre sicherlich anders verlaufen, wenn ich damals nicht die Unterstützung seitens der PBS erfahren hätte.“

Die Themen, mit denen die Studierenden in die Beratung kommen, sind so vielfältig wie die Studierenden selbst, erklären Dr. Jana Gutermann und Dr. Laura Pomper, die gemeinsam die PBS leiten: „Es geht unter anderem um Prokrastination oder Prüfungsängste, aber auch Beziehungskrisen, Einsamkeit und Orientierungslosigkeit spielen eine Rolle.“ Studierende suchen die PBS auf, wenn diese Probleme überhandnehmen und das Studium oder ihren Alltag negativ beeinflussen. Gerade Übergangsphasen zu Beginn oder Ende des Studiums können Studierende stark mental belasten. „Dabei ist es meist nicht nur eine Krise, und hinter vermeintlich ‚allgemeinen‘ Problemen wie Prüfungsangst oder Ärger in der WG stecken individuelle Biografien und Bedürfnisse. In der Einzelberatung haben die Studierenden die Möglichkeit, mit unseren professionellen Berater*innen über diese Probleme zu sprechen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten“, erklärt Jana Gutermann.

Die Termine werden online über ein Terminbuchungssystem vereinbart. Es wird mit den angemeldeten Studierenden zunächst zeitnah ein halbstündiges Orientierungsgespräch geführt, um im Gespräch die genauen Bedarfe zu erfragen und die richtige Anlaufstelle zu ermitteln. „Das kann entweder ein Beratungsprozess bei der PBS sein oder wir vermitteln zu weiteren universitätsinternen und externen Anlaufstellen“, sagt Laura Pomper. Die PBS bietet jedes Semester ein breites Angebot an Workshops an. Hier gehen die Studierenden unter fachkundiger Anleitung in den Austausch miteinander und bearbeiten Themen wie Resilienz, Selbstwert oder Zukunftsgestaltung.

Die Nachfrage an Terminen zur Einzelberatung kann seit Jahren nicht ansatzweise gedeckt werden. Aus diesem Grund hatte die Private Hochschulförderung der Goethe-Universität vor Weihnachten einen Spendenaufruf gestartet. „Ziel ist es, das wertvolle Beratungsangebot der PBS mithilfe der Spendengelder vorübergehend ausweiten zu können, um der konstant hohen Nachfrage etwas besser begegnen zu können. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und der Wiederherstellung von mentaler Gesundheit junger Erwachsener in einer vulnerablen Lebensphase“, erklären die beiden Psychotherapeutinnen der PBS. Besonders zentral ist hierbei der bei Vorliegen entsprechender Kapazitäten niedrigschwellige, vor Ort verfügbare und bereits präventiv nutzbare Kontakt zur Beratungsstelle unmittelbar an der Goethe-Universität, da auch das ambulante Versorgungssystem aufgrund von monatelangen Wartezeiten nicht kurzfristig zur Verfügung steht.

Psychotherapeutische Beratungsstelle

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