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Wie wir wurden, wer wir sind: Ulrike Meinhof
Montag, 7. Mai 2018, 19:30 bis 21:30

Ulrike Meinhof – Die Geburt der Radikalität aus dem Geist der Ambivalenz
Die Frage, wie eine Musterstipendiatin des deutschen Volkes zum „Staatsfeind Nr. 1“ werden konnte, ist ein andauerndes Rätsel. Klarer lässt es sich fassen, seitdem Ulrike Meinhofs Semesterberichte an die Studienstiftung veröffentlicht wurden. Der Vortrag entfaltet vor diesem Hintergrund die Skizze ihres Lebens, in dem ihr Vater, der Kunsthistoriker Werner Meinhof, eine bislang verkannte Schlüsselstellung einnimmt. Sein Plädoyer, den Mängeln der Welt mit ästhetischer Ambivalenz zu begegnen, ließ Ulrike Meinhof zunehmend im politischen Radikalismus hinter sich. Die Welt verlangte Entschiedenheit, bis in den Tod. Das christliche Versprechen auf spätere Erlösung war abgelöst durch die säkulare Sehnsucht, jetzt zu handeln und alle Neigung zur verzögernden Ambivalenz radikal hinter sich zu lassen.
Die Vortragsreihe Wie wir wurden, wer wir sind behandelt exemplarisch an Lebensläufen Prominenter, wie Familienerfahrung, Milieuhintergrund, berufliche Entwicklung und Werk ineinandergreifen, wie sich in der Einheit von Werk und Person kollektive historische Erfahrungen abbilden. Zweifellos markiert der mit dem Stichwort „68“ umrissene kulturelle Aufbruch der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine Zäsur im Selbstverständnis der Nation, ausgelöst durch eine Generationsunruhe, zu deren Voraussetzungen oder Folgen unterschiedliche Lebensentwürfe eine Antwort finden.
Referent: Prof. Matthias Bormuth lehrt Vergleichende Ideengeschichte an der Universität Oldenburg