Wie Blutgefäße die Entwicklung des Gehirns beeinflussen

Neues Koselleck-Projekt an der Goethe-Universität: Neurobiologin Prof. Amparo Acker-Palmer wirbt 1,25 Millionen Euro für neurovaskuläre Forschung ein

Blutgefäße sind mehr als nur Transportwege für Sauerstoff und Nährstoffe; auch kommunikative Prozesse finden darin statt, die die Entwicklung des Gehirns steuern und dessen Funktion aufrechterhalten. Diese vaskulär-neuronalen Schnittstellen stehen im Zentrum einer neuen Forschung von Prof. Amparo Acker-Palmer, die im Rahmen eines Koselleck-Projekts von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 1,25 Millionen Euro gefördert wird.

Amparo Acker-Palmer © Till Acker
Die Neurowissenschaftlerin Amparo Acker-Palmer hat bei der DFG ein Koselleck-Projekt eingeworben. Im Mittelpunkt stehen die Zusammenhänge zwischen Blutgefäßen und Gehirnentwicklung. (© Till Acker)

In den Blutgefäßen tauschen so genannte Endothelzellen, die Zellen, die die innere Auskleidung aller Gefäße bilden, mit Nervenzellen und Gliazellen Signale aus, die die Bildung von Gehirnschaltkreisen und die Entstehung der Gehirnarchitektur entscheidend beeinflussen. Ist dieser Austausch gestört, kann es sowohl zu Entwicklungsstörungen als auch zu Neurodegeneration kommen. In ihrem nun von der DFG bewilligten Koselleck-Projekt will Prof. Amparo Acker-Palmer die verborgenen Funktionen der vaskulär-neuronalen Schnittstellen erforschen. Mit Hilfe modernster Bildgebung, der Erstellung molekularer Profile und genetischer Modelle will sie zeigen, wo und wie Endothelzellen mit Neuronen und anderen Gehirnzellen interagieren und nach welchen Prinzipien diese Kontakte die Konnektivität und Struktur des Gehirns beeinflussen. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Kleinhirn, das für Bewegung und bestimmte kognitive Prozesse von großer Bedeutung ist, ein weiterer auf der Rolle der Blutgefäße für die Hirnfaltung, die die Funktionen des Gehirns ausdifferenziert und erweitert. Defekte in der Faltung können neurologische Störungen verursachen, die zu geistiger Behinderung, Epilepsie und motorischen Problemen führen können.

„Indem wir Gefäßbiologie und Neurowissenschaften zusammenführen, schlagen wir ein neues Kapitel in der neurovaskulären Forschung auf. Wenn wir verstehen, wie Blutgefäße die Entwicklung des Gehirns steuern, ist das von großer Bedeutung nicht nur für die Grundlagenbiologie, sondern auch für neue therapeutische Strategien gegen Erkrankungen, die auf gestörter Kommunikation zwischen Gefäßen und Neuronen beruhen“, sagt Professorin Acker-Palmer. Die Studie habe das Potenzial, die neurovaskuläre Biologie zu revolutionieren und bislang unbekannte Therapien zu erschließen. Acker-Palmer hat an der Goethe-Universität die Professur für Molekulare Neurobiologie inne. Für ihre bahnbrechende Forschung zur neurovaskulären Kommunikation ist sie international anerkannt. Mehrere bedeutende Auszeichnungen wurden ihr bereits zuteil, darunter ein ERC Advanced Grant.

3D-Rekonstruktion der Blutgefäße im Kleinhirn einer Maus, dargestellt mit der Künstlichen Intelligenz von iDISCO+. (Abbildung: Marta Parilla Monge and Jimena Redondo Nectalí, AG Acker-Palmer)
3D-Rekonstruktion der Blutgefäße im Kleinhirn einer Maus, dargestellt mit der Künstlichen Intelligenz von iDISCO+. (Abbildung: Marta Parilla Monge and Jimena Redondo Nectalí, AG Acker-Palmer)

Acker-Palmers Labor zeichnet sich dadurch aus, dass es Gefäßbiologen und Neurowissenschaftler in einem kooperativen, interdisziplinären Umfeld zusammenbringt und so einen nahtlosen Wissensaustausch, Innovation und Entdeckungen gewährleistet. Dies seien gute Voraussetzungen für die Bewältigung des ehrgeizigen Vorhabens, so die Neurobiologin. Das ehrgeizige Projekt passe gut in das Koselleck-Programm, das besonders visionäre, risikoreiche Forschung unterstützen soll mit dem Potenzial, völlig neue Wissenschaftsfelder zu erschließen.

Die seit 2008 vergebene Förderlinie ist nach Reinhart Koselleck (1923-2006) benannt, einem der bedeutendsten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts, der als Mitbegründer der modernen Sozialgeschichte gilt. Reinhart Koselleck-Projekte werden an „durch besondere wissenschaftliche Leistung ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ vergeben. Voraussetzung für eine Bewilligung sind besonders innovative Denkansätze sowie eine gewisse Risikobehaftung.

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