Ombudsmänner Bernd Trocholepczy und Andreas Junge setzen sich für »Kultur der Zuwendung und Beratung« ein

Der Seminarpavillon auf dem Campus Westend ist in der COVID-19-Pandemie nach wie vor für Studierende geschlossen. Aber wer in diesem Büro im ersten Obergeschoss des Seminarpavillons Sprechstunde hält, darauf gibt der Grundriss des Raums einen deutlichen Hinweis: Das Zimmer besitzt zwei Türen, und Ratsuchende (Studierende, Hilfskräfte oder wissenschaftlich Mitarbeitende), die sich hier an die Ombudsperson der Goethe-Universität gewandt haben, können den Raum verlassen, ohne dass sie der Gegenseite begegnen.

Und je nachdem, in welcher Art von Konflikt die Ombudsperson um Hilfe und Vermittlung gebeten worden ist, kann diese Möglichkeit durchaus große Bedeutung bekommen: Es kommt vor, dass eine Fachschaft unzufrieden ist, weil ihr Fachbereich unzureichend mit Hilfskraft-Stellen und Mitteln für Tutorien ausgestattet ist. Oder ein Studierender beschwert sich, weil ein Prüfungsamt drei Monate nach dem Bestehen der Klausur noch keinen Schein ausgestellt hat. Genauso kann es aber sein, dass ein Promovierender seiner Doktormutter vorwirft, seinen Beitrag zu einer Veröffentlichung unter den Tisch fallen zu lassen, oder dass eine Bachelorstudentin ihren Betreuer der sexuellen Belästigung bezichtigt.

Vertrauen bekommt man nur geschenkt

Bernd Trocholepczy, emeritierter Professor für katholische Theologie und seit Anfang des Jahres 2021 Ombudsmann für die Fachbereiche eins bis zehn, führt solche Beratungsgespräche allerdings gerne während eines Spaziergangs über den Campus – wann immer das Wetter es zulässt und wenn seine Klientin, sein Klient dieses wünscht. Das hat nicht nur damit zu tun, dass Trocholepczy sein Amt bislang ausschließlich unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie ausgeübt hat. „Manches erzählt sich im Laufen einfach besser, das wussten schon die Philosophen im antiken Griechenland“, berichtet Trocholepczy.

Bernd Trocholepczy.
Foto: Dettmar

Seine Professur an der Goethe-Universität hat er von 2002 bis 2020 innegehabt, und in dieser Zeit nahm er verschiedene Ämter und Funktionen wahr, die ihn (rückblickend betrachtet) gut auf die Aufgaben einer Ombudsperson vorbereitet haben. Dazu hat nicht nur sein fachlicher Schwerpunkt beigetragen: Trocholepczy hat sich mit Mediendidaktik beschäftigt, sodass er sich gut in die Studierenden einfühlen kann, die daraus erwachsen, dass der Universitätsbetrieb zum allergrößten Teil im Online-Modus stattfindet: „Da klagt eine Studierende zum Beispiel, dass eine Übung völlig an ihr vorbeigelaufen sei, oder dass ein Dozent ihr übel genommen habe, dass sie sich aus dem Live-Stream eines Seminars ausgeklinkt habe.“

Mehrmals amtierte Trocholepczy zudem als Studiendenkan und Dekan des Fachbereichs 07; dabei lernte er auch die kleinen Schräubchen im Räderwerk der Goethe-Universität kennen. Außerdem war er in der Lehrerbildung tätig und ist seit 2005 beziehungsweise 2009 Vertrauensdozent für die Stipendiatinnen und Stipendiaten der beiden Begabten-Förderungswerke „Cusanuswerk“ und „Stiftung der Deutschen Wirtschaft“ (sdw).

„Vertrauen ist etwas, das kann man nicht einfordern, sondern nur geschenkt bekommen“, stellt Trocholepczy klar, „und wenn ich als Ombudsmann ein solches Geschenk bekomme, dann freue ich mich natürlich.“ Genauso wie über das Vertrauen derer, die ihn um Hilfe bäten, habe er sich zu Beginn des Jahres über das Vertrauen des Senats gefreut, der ihn zur Ombudsperson ernannte. Und natürlich habe er sich über die Studierenden und Promovierenden gefreut, die sich seither an ihn gewandt hätten. „Dabei ist es mir nicht nur wichtig, hilfreich zu sein, wenn es darum geht, Konflikte mit der Universität zu klären. Vielmehr möchte ich hilfreich da sein und erstmal zuhören.“

Sein Leben wird zwar seit seiner Emeritierung nicht mehr vom universitären Alltag bestimmt, aber Trocholepczys Gestaltungswille besteht nach wie vor. Er möchte dazu beitragen, dass die Goethe-Universität nicht nur aufgrund spektakulärer Forschungsprojekte und umfangreicher Drittmittel sowie durch ihre motivierten und leistungsfähigen Studierenden Maßstäbe setzt. „Vielmehr ist es mir ein Herzensanliegen, an der Goethe-Universität Teil einer Kultur der Zuwendung und Beratung zu sein beziehungsweise diese weiter zu stärken.“

In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, dass Trocholepczy, wenn er als Ombudsmann agiert, keinen Dienstweg einhalten muss. Es ist für ihn selbstverständlich, dass er in allen Fällen streng die Vertraulichkeit wahrt, so zum Beispiel, wenn er sich mit der psychosozialen Beratungsstelle austauscht oder wenn er im Kontakt mit der Schwerbehindertenvertretung steht. Und wenn er Ende des Jahres dem Universitätspräsidenten und dem Senat über seine Tätigkeit berichtet, tut er das natürlich in anonymisierter Form; er tauscht sich mit genau einem Angehörigen der Goethe-Universität über die Fälle aus, die seiner Vermittlung bedürfen: mit seinem Ko-Ombudsmann Andreas Junge, der als Geophysiker für die Fachbereiche 11 bis 16 auf den Campi Riedberg und Niederrad zuständig ist.

Lösungsprozesse anstoßen

Auch Junge stellt unmissverständlich klar: „Wenn uns Studierende oder Promovierende brauchen, die bei der Uni angestellt sind, liegt der Fall anders als etwa bei technischen Angestellten, die bei Problemen den Personalrat ansprechen können.“ Dieser ist schließlich eine offizielle Institution der Universität, und wenn sich jemand dorthin wendet, „dann ist das ein Vorgang, der protokolliert und dokumentiert werden muss. Bei uns gibt es aber keine Vorgänge.“ Natürlich mache er sich als Gedächtnisstütze seine privaten Notizen, sagt Junge, aber darüber hinaus hinterlasse ein Beratungsgespräch mit der Ombudsperson keinerlei Spuren.

Andreas Junge.
Foto: Dettmar

Genauso wie Trocholepczy freut sich Junge darüber, als Ombudsmann den Studierenden, Hilfskräften und wissenschaftlich Mitarbeitenden helfen zu können: „Wenn ich merke, dass ich Lösungsprozesse anstoßen kann, und wenn ich diese begleiten darf, dann macht mich das glücklich.“ Schon, als ihn Ende 2020 die damalige Uni-Präsidentin fragte, ob er das Amt übernehmen wolle, habe er sich geehrt gefühlt – wenngleich er auch gezögert habe, sich dem Senat zur Wahl zu stellen: „Ich fühlte mich dem Amt sehr wohl gewachsen. Aus meiner Tätigkeit als Dekan, Institutsdirektor und Vorsitzender des Prüfungsausschusses wusste ich, dass ich in Konflikten konstruktiv kommunizieren kann“, sagt Junge. Einzig der absehbar hohe Zeitaufwand habe ihn zurückgehalten, denn „wenn ich mich auf etwas einlasse, dann zu 100 Prozent.“

Schließlich ist Junge, der in einem Jahr emeritiert wird, noch voll in den Forschungs- und Lehrbetrieb des Fachbereichs Geowissenschaften eingebunden. „Das macht mich ein Stück weit unflexibel“, sagt er. „Ich kann zum Beispiel kein Beratungsgespräch führen, während ich auf einer Konferenz über Geophysik diskutiere.“ Andererseits sei es ein Vorteil, noch aktiv am Geschehen in der Goethe-Universität teilzunehmen. So könne er, falls nötig, aus aktuellen Erfahrungen heraus seine Kollegen beziehungsweise Kolleginnen ansprechen: „Dann kann man mir nicht entgegnen: ‚Ja, zu der Zeit, als Sie aktiv waren, war das noch ganz anders …‘“.

Einzelkonflikte und Strukturen

Dass in Junge und Trocholepczy sowohl ein noch aktiver als auch ein emeritierter Professor das Amt der Ombudsperson gemeinsam wahrnehmen, kann sich als Vorteil erweisen: Nicht nur für diejenigen, die sich an einen von ihnen wenden. Sondern auch, wenn es darum geht, der Bitte von Universitätspräsident Enrico Schleiff nachzukommen: „Bei unserer Amtseinführung hat der Präsident uns explizit darum gebeten, wir möchten auch auf die Strukturen der Universität schauen, nicht nur auf die Einzelkonflikte – Konflikte können schließlich auch aus Strukturen entstehen.“

Trotzdem freut sich Trocholepczy vor allem darauf, immer wieder vor neuen Herausforderungen zu stehen, wenn ihn jemand um Hilfe bittet: „Da gibt es zwar Ähnlichkeiten, aber im Grunde genommen muss ich immer wieder genau zuhören und mich ganz neu auf jede und jeden Einzelnen einlassen. Mein Ziel ist es in jedem Fall, dass ich mit einem, einer Ratsuchenden zusammen die eigene Stärke dieser Person entdecke.“ Junge ergänzt: „Die Herausforderung besteht für mich darin, mich in die Menschen mit ihren tatsächlichen Problemen einzufühlen. Das sind nicht unbedingt dieselben wie die vordergründigen Anlässe, deretwegen ich aufgesucht werde.“ Und natürlich stehe er vor der Herausforderung zu erkennen, wann er an die Grenzen seiner Kompetenz stoße und besser die Empfehlung ausspreche, sich an eine professionelle Beratung zu wenden, beispielsweise an einen Psychotherapeuten.

Angesichts dieser Herausforderungen ist es umso wichtiger, dass die beiden Ombudsmänner gut zusammenarbeiten können. Keiner von beiden hat eine therapeutische Ausbildung, aber sie stützen sich gegenseitig, indem sie miteinander, nicht nebeneinander-her arbeiten: Dazu gehört nicht nur, dass sie sich gegenseitig vertreten, wenn einer von ihnen im Urlaub oder anderweitig verhindert ist. Dazu gehört auch, dass sie alle ein bis zwei Wochen ausführlich miteinander telefonieren und komplizierte Fälle erörtern. Dafür mussten sie einander nicht erst kennenlernen und sich einarbeiten – als Angehörige der hochschulpolitischen „Liste Hochschulentwicklung“ kennen und schätzen sich Trocholepczy und Junge seit Jahren.

Stefanie Hense

Ombudspersonen für Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen sowie für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 5/2021 (PDF) des UniReport erschienen.

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