Vom allmählichen Auseinanderdriften: das „Modell Romantik“

Warum entwickelt sich die Romantik als ästhetisches Phänomen zur Romantik der Heimatkunst und des „Wandervogel“? Für seine Spurensuche ist der Literaturwissenschaftler Raphael Stübe mit dem diesjährigen Novalis-Preis ausgezeichnet worden.

Der Novalis-Preisträger 2025, Dr. Raphael Stübe. Foto: privat
Der Novalis-Preisträger 2025, Dr. Raphael Stübe

Das Romantische aus dem frühen 19. Jahrhundert hat an seinem Ende eine lebhafte Konjunktur erfahren. Was als ästhetisches Projekt um 1800 begann, wird rund hundert Jahre später als Neuromantik zu einem kulturpolitischen Projekt; und noch einige Jahrzehnte später aktivieren die Nationalsozialisten romantische Bilderwelten. Was erklärt diese Entwicklung? Auf der Suche nach Antworten stößt der Literaturwissenschaftler Raphael Stübe nach seinem Studium an der Universität Münster auf eine lückenhafte Forschung. Ein zeitgleich ausgeschriebenes Graduiertenkolleg zum „Modell Romantik“ an der Universität Jena bestätigt ihn darin, diesem auf den Grund zu gehen. Nun ist Stübe, inzwischen Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik sowie am Freien Deutschen Hochstift (Deutsches Romantik-Museum), für seine Dissertation ausgezeichnet worden. Seine Arbeit mit dem Titel „Neoromantik der Jahrhundertwende. Transformationen eines romantischen Erzählmodells um 1900“ erhielt den Novalis-Preis 2025 von der Internationalen Novalis Gesellschaft und der Forschungsstelle Europäische Romantik der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Stübes Arbeit zeichnet die Wiederentdeckung, die Aneignung, den Wandel und die Kritik des Romantik-Begriffs um 1900 nach. An Texten unter anderem von Heinrich Mann und Hermann Hesse weist Stübe auf eine Verschiebung von frühromantischen Strategien der Ironisierung und einer Multiperspektivität zur „Monoperspektivität“ hin. Eine Entwicklung, die Raphael Stübe allerdings bereits in der Romantik selbst angelegt sieht. „Ich glaube“, sagt der Preisträger im Gespräch mit der Universität Jena, „man versteht die literarische Romantik nur richtig, wenn man beide Seiten berücksichtigt: Romantische Literatur formuliert auch eine Kritik an der Moderne aus ihrer eigenen Logik heraus … Ich skizziere das in meinem Buch mithilfe eines Pfeilmodells, das allmählich auseinanderdriftet: Aus dem gemeinsamen Interesse an romantischen Stoffen entwickeln sich zwei unterschiedliche Aneignungsweisen, bei denen die erste tiefer in die literarische Moderne ragt, die zweite jedoch moderne Komplexität unter Schlagworten wie ‚Gesundheit‘ und ‚Rasse‘ bekämpft.“

Mit seinem Habilitationsprojekt „Entweder/Oder. Entscheidungskrisen im Vormärz“ am Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik knüpft Raphael Stübe an die bereits umkreisten Gegenwartsprobleme an. Der mit 2500 Euro dotierte Novalis-Preis wird alle zwei Jahre von der Internationalen Novalis Gesellschaft und der Forschungsstelle Europäische Romantik der Universität Jena vergeben. Mit dem renommierten Preis werden herausragende, impulsgebende Forschungsergebnisse in Form von Dissertationen und Habilitationen gewürdigt.

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