Wer trägt Verantwortung für unsere Gesundheit?

Interdisziplinärer Sozialethik-Workshop „Public Responsibility for Health“ an der Goethe-Universität bringt internationale Perspektiven zusammen.

Teilnehmende des Workshop "Public Responsibility for Health". Foto: Victoria Dichter

Was bedeutet es, wenn Gesundheit als Menschenrecht verstanden wird – und welche Verantwortung erwächst daraus für den Staat, die Gesellschaft und das Individuum? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Workshops „Public Responsibility for Health“, der am 8. und 9. Mai 2025 an der Goethe-Universität Frankfurt stattfand. Veranstaltet wurde der Workshop von Prof. Dr. Christof Mandry (Professur für Moraltheologie und Sozialethik) und Victoria Dichter (Arbeitsstelle Sozialethik im Gesundheitswesen), der gemeinsam mit Wissenschaftler:innen u. a. aus Ethik, Politik-, Sozial- und Gesundheitswissenschaften ein facettenreiches Programm für den interdisziplinären Austausch gestaltete.

Ausgangspunkt war die Überlegung, dass soziale und ökologische Bedingungen – etwa die Auswirkungen des Klimawandels, globale Pandemien oder strukturelle Benachteiligung – eine zentrale Rolle für die Gesundheit von Bevölkerungen spielen. Vor diesem Hintergrund wurde die Idee öffentlicher Gesundheitsverantwortung nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch und praktisch diskutiert: Wer genau trägt Verantwortung – und in welchem Ausmaß?

Vielfältige Dimensionen öffentlicher Verantwortung für Gesundheit

Nach einer Einführung von Christof Mandry eröffnete Johannes Ulrich (Universität Genf) den Workshop mit einem Beitrag, der die Verkehrssicherheitsstrategie „Safe Systems“ mit Paul Ricœurs Verantwortungsbegriff verknüpfte.

Die Beiträge am ersten Tag griffen aktuelle Fragen der Gesundheitspolitik und -ethik auf: Tabea Ott (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) analysierte die Rolle digitaler Technologien und neuer Akteure im Gesundheitssystem. Arne Dreßler (Ludwig-Maximilians-Universität München) diskutierte Verantwortungsfragen bei Massenscreenings, und Mara Köhler (Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften) beleuchtete, wie sich staatliche und privatwirtschaftliche Verantwortung in der COVID-19-Testinfrastruktur Österreichs verschoben haben. Benjamin Roth (Goethe-Universität) schlug in seinem Vortrag zur späten Nutzenbewertung von Arzneimitteln eine nachhaltigere gesundheitspolitische Steuerung vor.

Ein Höhepunkt des ersten Tages war der Abendvortrag von Markus Frischhut (MCI Innsbruck), der die europäische Gesundheitspolitik in den Blick nahm: Welche Verantwortung tragen EU-Institutionen – und wo liegen die Grenzen der europäischen Zuständigkeit?

Gesundheit als eine soziale und politische Aufgabe

Der zweite Workshoptag rückte internationale und zivilgesellschaftliche Perspektiven stärker in den Fokus. Rochelle Burgess (University College London) betonte in ihrer Keynote, dass mentale Gesundheit nicht allein klinisch, sondern als soziale und politische Verantwortung verstanden werden müsse – insbesondere mit Blick auf benachteiligte Bevölkerungsgruppen.

Wie zivilgesellschaftliches Engagement konkret aussehen kann, zeigte Alma Ionescu (University College London) am Beispiel von Community-basierten Mental-Health-Projekten in Uganda. Victoria Dichter plädierte für ein kooperatives Verständnis öffentlicher Verantwortung in der Suizidprävention bei Männern, während Niklas Petersen (Universitätsmedizin Göttingen) die Spannung zwischen individueller und staatlicher Verantwortung bei der Demenzprävention herausarbeitete.

Spannende neue Perspektiven boten auch die Beiträge zu unkonventionellen Themenfeldern: Max Tretter (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) thematisierte die Verantwortung des Staates im Umgang mit Glücksspielmechanismen in digitalen Spielen („Lootboxes“), während Nils Montabon (Polizei Nordrhein-Westfalen) die Rolle der Polizei als potenzieller Public-Health-Akteur diskutierte.

In der dritten Keynote forderte Michael Knipper (Justus-Liebig-Universität Gießen), öffentliche Verantwortung vor dem Hintergrund von Migration, Ungleichheit und dem Menschenrecht auf Gesundheit zu überdenken. Maik Paap (Justus-Liebig-Universität Gießen) betonte diese Herausforderungen im Kontext der Gesundheitsversorgung für Asylsuchende.

Interdisziplinärer Dialog als Schlüssel

Der Workshop zeigte eindrucksvoll, wie vielschichtig das Thema öffentliche Verantwortung für Gesundheit ist – und wie wichtig der Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen und internationalen Perspektiven dabei ist. In einer Zeit, in der gesundheitliche Herausforderungen zunehmend global und gesellschaftlich geprägt sind, gewinnen Fragen nach Zuständigkeit, Steuerung und Gerechtigkeit an politischer wie ethischer Relevanz.

Mit 15 Vorträgen, lebhaften Diskussionen und einer breiten Beteiligung von internationalen Nachwuchswissenschaftler:innen und erfahrenen Expert:innen war der Workshop nicht nur ein wissenschaftlicher Erfolg, sondern auch ein Impulsgeber für weitere Debatten an der Schnittstelle von Gesundheit, Ethik und Politik. Der Workshop stärkte die internationale Vernetzung und Sichtbarkeit der Arbeitsstelle Sozialethik im Gesundheitswesen – ermöglicht durch die Förderung der VFF, der IWBZ und RuTh.

Victoria Dichter, Arbeitsstelle für Sozialethik im Gesundheitswesen

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