Die aktuelle Ausstellung „Fixing Futures“ im Museum Giersch der Goethe-Universität lädt die Besucher*innen dazu ein, sich ein eigenes Bild von der künftigen Welt zu machen. Im Rahmen der Neuausrichtung des Museums haben Wissenschaftler*innen der Goethe-Universität gemeinsam mit Künstler*innen die Ausstellung zu den Großthemen Klimawandel und globale Krisen gestaltet.

Ein Wort, das man nur selten im Plural liest: Die Zukunft wird bei „Fixing Futures“ in der Mehrzahl gedacht. Ein zentraler Aspekt der Ausstellung, wie Laura Domes, Kuratorin von „Fixing Futures“, betont: „Es gibt zwar bereits zahlreiche Ausstellungen, die verschiedene Futurismen behandeln. Bei uns sollen die Besucher*innen aber ein eigenes Bild, einen individuellen Eindruck, aus der Ausstellung mitnehmen.“ Das ist natürlich auch ein integraler Bestandteil der Botschaft: Hier wird nicht verkündet, wie die Zukunft aussehen wird, sondern es werden Zugänge zu historischen und aktuellen Perspektiven geboten: Wie könnte die Zukunft aussehen, auf welchen Vorannahmen fußen die Dia- und Prognosen, welche Diskurse haben sich darin eingeschrieben – nichts davon ist in Stein gemeißelt. Aber der Rahmen der wissenschaftlichen und künstlerischen Positionen ist natürlich von Biodiversitätsverlust, Ressourcenknappheit und Klimawandel vorgegeben.
Wissenschaftlicher Beirat
Zwar gab es in der letzten Dekade durchaus schon eine enge Zusammenarbeit des Museums Giersch mit der Goethe-Universität, wie beispielsweise bei der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge“ im Jubiläumsjahr 2014. Doch nun ist unter der neuen Leitung von Ina Neddermeyer der enge Austausch mit der Wissenschaft verstetigt worden. „Fixing Futures“ wurde von den beiden Soziolog*innen Dr. Julia Schubert und Dr. Steven Gonzalez Monserrate intensiv begleitet und beraten. Insgesamt haben zehn Wissenschaftler*innen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen mitgewirkt.
Auch das holzgetäfelte Erdgeschoss des Museums wurde in die Ausstellung mit einbezogen: Eine kleine Bibliothek aus Beständen des Hauses, aber auch aus der Universitätsbibliothek lädt zum Verweilen und Studieren ein. Im Nebenraum können die Besucher*innen sich an einem an der Ästhetik der 80er Jahre orientierten Computerspiel versuchen: Maize Longboat, Computerspielentwickler aus Kanada, lässt in „Terra Nova“ zwei Welten aufeinanderprallen: Menschen, die aufgrund des Klimawandels die Erde mit dem Raumschiff verlassen haben, kehren nach dem Experiment auf ihren Heimatplaneten zurück, wo sich Menschen mit den erschwerten Lebensbedingungen arrangiert haben. Das populäre Medium des Videospiels lädt die Spielenden dazu ein, die koloniale und die indigene Welt in den Dialog zu bringen.
Auf den oberen Etagen des Hauses können die Besucher*innen einleitend in den Dialog mit Wissenschaftler*innen der Goethe-Universität treten, zumindest virtuell: Diese präsentieren sich im Video lebensgroß und auf Augenhöhe mit dem Betrachter. Beispielsweise sprechen der Rechtswissenschaftler Prof. Christoph Burchard, die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Juliane Engel und der Klimaforscher Prof. Nico Wunderling, alle von der im letzten Jahr ins Leben gerufenen Forschungsgruppe C3S, über ihre Wissenschaft, liefern damit wichtige Stichworte und Kontexte für die Kunstwerke. Laura Domes zeigt auf der ersten Etage gerne ihre Lieblingsarbeit der laufenden Ausstellung: „Solar Protocol“. Tega Brain, Alex Nathanson und Benedetta Piantella haben in Zusammenarbeit mit Freiwilligen weltweit ein Netzwerk solarbetriebener Server errichtet. Die Website des Projekts wird jeweils dort mit Strom gespeist, wo die Sonneneinstrahlung für eine ausreichende Energieproduktion sorgt. „Die Grundidee dahinter: Das Internet und vor allem die Datenspeicherung verschlingen unglaublich viel Energie. Dieses einmalige Kunstprojekt sensibilisiert uns dafür und schlägt zugleich eine ressourcenschonende Lösung vor“, erklärt Laura Domes.
Einbindung der Besucher*innen
„Wir verstehen uns als Museum nicht nur als Tür zur Forschung, sondern auch als Tür zur Stadt. Dieser Öffnung wurde auch bei der Konzeption der Beschriftungen Rechnung getragen: So sind alle Erläuterungen zugleich auch in Leichter Sprache verfasst. Denn Sprache soll kein Hindernis darstellen, in die Welt der Zukünfte einzutauchen“ erklärt Ina Neddermeyer. Wichtig ist den Ausstellungsmacher*innen ohnehin nicht nur das Zusammenspiel von Wissenschaft und Kunst, sondern auch die Einbindung des Publikums: An vielen Stellen im Haus, das seit der Öffnung der Fenster viel luftiger und transparenter wirkt und den Blick auf die benachbarten Hochhäuser Frankfurts freigibt, dürfen Ideen eingebracht werden, die dann sogar auch in neue Kunstwerke einfließen.
Wie im Falle von „Iwapo“ der kenianischen Künstlerin Jordan Rita Seruya Awori, die in Frankfurt lebt und arbeitet: Sie hat sich einleitend die Frage gestellt, wie ihre Heimatstadt Nairobi wohl ohne Kolonisierung ausgesehen hätte. Mithilfe von visueller KI hat Awori Bilder generiert, die alternative Geschichten auch von deutschen Städten erzählen. Anregungen von Besucher*innen sind dann in weitere Bilder geflossen. „Was ihre künstlichen Bilder auch zeigen, sind rassistische Tendenzen der KI: So dominieren in einem von Afrika kolonisierten Frankfurt Brachflächen und rostige Autos die Szenerie. Das verdeutlicht einen Aspekt, den auch die an der Ausstellung beteiligten Wissenschaftler*innen in ihren Forschungen immer wieder betonen: Für bestimmte Formen der Zukunftsgestaltung gibt es politische Voraussetzungen, die es zu reflektieren gilt. Dies ist Jordan Awori ein großes Anliegen.“
Faszinierende, aber auch erschreckende Ansichten und Visionen sind bei „Fixing Futures“ mitunter zu besichtigen: So beispielsweise die Arbeiten von Maximilian Prüfer, der den Biodiversitätsverlust in einer Region Chinas dokumentiert und auch durchgespielt hat: Dort gibt es nach Überpopulationen in der Fauna und dem Einsatz von Pestiziden keine Insekten mehr, die Bäume bestäuben könnten. Daher müssen die Bauern dies nun händisch verrichten; der Künstler hat eine einzelne, auf dem Weg der extrem aufwändigen menschlichen Bestäubung gewonnene Birne in Bronze verewigt.
Ein ebenso spannendes wie denkwürdiges Kapitel aus der Geschichte von Geoengineering-Technologien beleuchtet das Kunstprojekt „Metakosmia“ von Nina Fischer & Maroan el Sani: In den 90er Jahren wurde die „Biosphäre II“, eine Art von Riesengewächshaus, errichtet, um das menschliche Überleben in einem künstlichen Biotop zu erproben. Das Projekt scheiterte, nicht zuletzt wegen des Anstiegs von CO2 in dem geschlossenen System. Heute führt die Universität Arizona dort Experimente durch, um unter anderem die Resilienz des Regenwaldes zu testen. „Die Idee eines künstlichen Habitats hat nichts von seiner Faszination eingebüßt und im Zeitalter von geplanten Mars-Expeditionen eine eigentümliche Aktualität“, erläutert Laura Domes.
Museum leistet Beitrag zur Nachhaltigkeit
Steigt man bis in das Dachgeschoss des Museums Giersch der Goethe-Universität hoch, wird es spürbar wärmer. Ungewöhnlich für ein Museum, könnte man meinen. Normalerweise werden Temperatur und Luftfeuchtigkeit sehr streng zum Schutze der Exponate kontrolliert und reguliert. „Das ist ganz bewusst so angelegt: Wir verzichten zwar nicht komplett auf Heizung und Klimaanlage, aber wir haben gewissermaßen den Korridor erweitert, sodass wir erst unterhalb von 18 Grad heizen und oberhalb von 25 Grad die Klimatisierung aktivieren. Kunstwerke und Fotografien im Besonderen sind sehr empfindlich. Aber wenn wir über Zukünfte nachdenken, müssen wir auch über die Betriebsform von Museen nachdenken. Denn im Kulturbereich sind sie mit die größten Emittenten“, sagt Ina Neddermeyer. Aus alten Sockeln früherer Ausstellungen wurden im Geiste der Nachhaltigkeit neue Möbel geschaffen. Auch bei den (vermeintlich) kleinen Dingen geht das Museum mit gutem Beispiel voran: So wurden die Ausstellungstexte beispielsweise auf Recyclingpapier gedruckt und mit Nägeln befestigt, damit alles wieder trenn- und recycelbar ist. Dadurch konnte auf die in Ausstellungen häufig verwendeten Folienbuchstaben verzichtet werden. Viel gibt es zu sehen, zu entdecken und auch interaktiv zu tun bei „Fixing Futures“. Ein einzelner Besuch der Ausstellung wird noch nicht reichen, um der Vielzahl an Perspektiven und Einblicken gerecht zu werden. „Das sehen wir aber ganz entspannt: Die Gäste sollen sich ihr eigenes Besuchsprogramm zusammenstellen. Wenn sie dann noch ein zweites Mal vorbeikommen wollen – umso besser“, betont Laura Domes.
Die Ausstellung Fixing Futures wurde ermöglicht durch die Kulturstiftung des Bundes und die Hessische Kulturstiftung.
Noch bis zum 31. August ist die Ausstellung im Museum Giersch der Goethe-Universität am Schaumainkai zu sehen.
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