Goethe-Universität erhält ihren ersten Quantencomputer

Die Goethe-Universität wird in Kürze ihren ersten Quantencomputer installieren und sich damit in die Spitzengruppe der deutschen Universitäten im Bereich des angewandten Quantencomputing einreihen: Der Frankfurter Erstling mit dem Namen „Baby Diamond“ startet als Pilotsystem mit fünf Qubits und beruht auf der Technologie der Stickstoff-Fehlstellen in einem künstlichen Diamanten. Es soll im ersten Quartal 2024 vom Ulmer Start-Up XeedQ GmbH geliefert werden. Pilotnutzer:innen werden aus der Goethe-Universität und dem Verbund der Nationalen Höchstleistungsrechner NHR erwartet. 

Das Thema Quantencomputing ist derzeit in aller Munde als eine Zukunftstechnologie, die verspricht, bisher zu große oder gar mit digitalen Verfahren unlösbare Aufgaben im Bereich der Computersimulation und der KI bewältigen zu können. „Mit unserem neuen Pilot-Quantencomputer machen wir einen wichtigen Schritt in dieses revolutionäre Gebiet, dem bald weitere folgen werden,“ erklärt Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität. „Baby Diamond wird uns einen ersten Blick in eine Zukunft werfen lassen, in welcher große rechnerische Herausforderungen möglich werden, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können“. 

Ulrich Schielein, Chief Information Officer (CIO) und Vizepräsident für Digitalisierung an der Goethe-Universität, ergänzt: „Die Behandlung völlig neuer Problemklassen aus der Finanzwelt, der Logistik im Schienen-, Luft- und Straßenverkehr, der Medizin und Biologie, der Wetter- und Klimaforschung, aber auch aus den Grundlagenwissenschaften wie Physik und Chemie oder dem Training von Basismodellen der künstlichen Intelligenz scheint in wenigen Jahren realisierbar zu sein. Wir bauen dabei auch auf die Zusammenarbeit mit Forschenden hier im Raum Rhein-Main als auch mit hier ansässigen Unternehmen und Institutionen.“

Der Quantencomputer nutzt einen kleinen künstlichen Diamanten, wie er aus industriellen Anwendungen bekannt ist, in den Stickstoffatome eingebettet sind. Sie induzieren jeweils eine Fehlstelle, die als zentrales Qubit verwendet werden kann. Spins von Atomen können als weitere Qubits um diesen Defekt herum kontrolliert werden. Dies macht praktisches Quantencomputing möglich.

„Mit unserem Einstiegssystem verfolgen wir die Idee des kompakten Quantencomputers, der bereits bei Raumtemperatur einsetzbar ist, keine besondere Tieftemperaturkühlung benötigt, in einem kleinen Labor aufgebaut werden kann und dabei besonders energieeffizient ist“, sagt Prof. Thomas Lippert, Leiter der Arbeitsgruppe Modulares Supercomputing und Quantencomputing, die im Sommer 2020 im Fachbereich Informatik und Mathematik der Goethe-Universität eingerichtet wurde. „Als Universität stellen wir uns mit dem Quantencomputer bewusst gegen die derzeitige Monopolbildung großer Firmen auf, die ihre Systeme hinter Paywalls verstecken. Da es ein Kompaktsystem ist, können wir bereits heute Studierende hands-on und direkt am Gerät ausbilden. Dies ist das Gebot der Stunde, um fit für die Zukunft zu werden.“

Der Quantencomputer ist Teil der Frankfurter Roadmap, die darauf abzielt, bis zum Jahr 2025 bis zu 16 hochwertige Qubits zu beschaffen und diese Zahl in Zukunft Schritt für Schritt weiter zu erhöhen. Das Pilotsystem wird dazu beitragen, eine Infrastruktur an der Goethe-Universität in Zusammenarbeit mit dem NHR-Netzwerk aufzubauen, die das Quantenrechnen eng mit dem Hochleistungsrechnen verbinden wird. In diesem Zusammenhang konnte die Goethe-Universität das Forschungszentrum Jülich mit seiner JUNIQ Quantencomputing-Infrastruktur als wissenschaftlichen Partner gewinnen, der weltweit Vorreiter im modularen hybriden Quanten-HPC-Rechnen ist.

Entwickelt wird das System von der XeedQ GmbH, einem Unternehmen mit Sitz in Leipzig und am DLR-Innovationszentrum in Ulm. XeedQ GmbH wird von der Quantencomputer-Initiative des DLR gefördert, um eine skalierbare Quantencomputertechnologie zu entwickeln. Quantencomputing wird oft als zweite Quantenrevolution bezeichnet. Der Quantencomputer der Goethe-Universität wird auf dem historischen Gelände des Campus Bockenheim stehen, wo vor mehr als 100 Jahren das berühmte Experiment von Stern und Gerlach die heutige Grundlage des Quantencomputing geschaffen hat und ein wichtiger Teil der ersten Quantenrevolution war. Mit seinem Baby Diamond ebnet die Goethe-Universität den Weg, um neue Quantenrevolutionen wieder nach Frankfurt am Main zu bringen.

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