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Tigermücken und Ambrosia-Pollen

Ein milder Winter hat dazu geführt, dass recht früh Blütezeit und Pollenflug eingesetzt haben. Auch einige heimische Insekten haben sich stärker vermehrt. Doch wie sieht es aus mit neuen „Plagegeistern“ wie exotischen Stechmücken oder eingewanderten Pflanzen wie der Beifußambrosie? Welche Gefahren lauern, was kann man gegen ein weiteres Vordringen invasiver Arten tun?

Die Experten vom LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum BiK-F, Prof. Sven Klimpel und Dr. Oliver Tackenberg, geben Auskunft.

Muss man mit mehr Stechmücken in diesem Sommer rechnen, auch mit mehr der eingewanderten Arten?

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Prof. Sven Klimpel; Foto: BiK-F

Prof. Sven Klimpel: Heimische Stechmücken profitieren vom milden Winter. Ist es dann im Frühjahr und Frühsommer noch relativ feucht und warm, sind das ideale Bedingungen, um sich lokal explosionsartig zu vermehren. Der Klimawandel vergrößert daneben langfristig den potenziellen Lebensraum von exotischen, invasiven Verwandten. Die absehbar bedeutendste Rolle in Europa spielen dabei Invasoren wie die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), Asiatische Buschmücke (Ochlerotatus japonicus) und die Gelbfiebermücke (Aedesaegypti). Es ist wahrscheinlich, dass beide Arten weiter nach Norden vordringen und sich somit in Europa weiter ausbreiten. Wichtig bei derartigen Betrachtungen ist der Einfluss von abiotischen und biotischen Faktoren – die u. a. zu einem dramatischen lokalen Massenauftreten von einheimischen Mückenarten führen können.

Treten die neuen Mückenarten an bestimmten Orten besonders häufig auf, welche Stellen sollte man meiden, wie kann man sich schützen?

Klimpel: Beliebte Brutgebiete von (eingewanderten) Stechmücken sind u. a. stehende Kleinstgewässer. Obwohl für Deutschland bisher keine etablierte Population der Asiatischen Tigermücke bekannt ist, legen unsere Modellierungen eine baldige klimatische Eignung weiter Landesteile für eine potenzielle Besiedlung durch diese invasive Art nahe. Auch die Frage der Niederschläge der Zukunft in Deutschland sind für Asiatische Tigermücken dabei von geringerer Bedeutung, da die Insekten in den neu besiedelten Gebieten primär in anthropogenen Kleinstgewässern wie z. B. Blumentopfuntersetzer, Friedhofsvasen, weggeworfenen Plastikflaschen, Getränkedosen oder alten Autoreifen brüten. Dadurch finden die Mücken im Müll und in Gärten urbaner Räume ideale Lebensbedingungen und überdauern trocken-heiße oder kalte Perioden problemlos in der unterirdischen Kanalisation bzw. in Höhlen. Die Asiatische Buschmücke ist beispielsweise derzeit in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen etabliert. Asiatische Tigermücken wurden immer wieder in Süddeutschland gefunden, eigene Populationen sind jedoch noch nicht nachgewiesen.

Wie groß ist die konkrete Gefahr, die von (neuen) Mückenarten ausgeht, hinsichtlich Infektionskrankheiten?

Klimpel: Im Jahr 2001 starben laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation ca. 14,9 Millionen Menschen an Infektionskrankheiten. In den Industrieländern konnten im 20. Jahrhundert viele Infektionskrankheiten durch verbesserte Lebensbedingungen und Hygiene sowie den medizinischen Fortschritt zurückgedrängt werden. Seit einigen Jahrzehnten spielen hier jedoch neu oder wieder auftretende Infektionskrankheiten und durch Vektoren, wie beispielsweise Stechmücken, übertragene Krankheiten eine zunehmende Rolle. Neu einwandernde Arten wie die Tigermücken sind ideale Träger(Vektoren) von Viren, die das West-Nil-Fieber oder das Dengue-Fieber verursachen. In den kommenden Dekaden wird laut unseren Prognosen die Verbreitung von durch Vektoren übertragenen Infektionskrankheiten (Vector-Borne Infectious Diseases = VBID) verstärkt zunehmen. Um ein derartiges Risiko besser abschätzen zu können, arbeiten wir an einem bundesweiten Stechmücken-Monitoring.

Wie stark ist die Beifußambrosie mittlerweile in unseren Breitengraden vertreten, spüren Allergiker bereits die Anwesenheit der aggressiven Pollen?

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Dr. Oliver Tackenberg; Foto BiK-F

Dr. Oliver Tackenberg: Die ursprünglich aus Nordamerika stammende Beifußambrosie kommt in Deutschland noch eher selten vor. Sie ist aber im Südosten Europas schon ein fester Bestandteil der Vegetation. Wie unsere Forschung zeigt, sind die europäischen Samen der Pflanze zudem nicht nur deutlich größer, sie keimen auch wesentlich häufiger als diejenigen aus amerikanischen Populationen. Das Temperaturspektrum, in dem sie keimen können, ist breiter und die Keimgeschwindigkeit ist auch höher. Europäische Jungpflanzen sind auch frosttoleranter, was eine Ausbreitung in
nördlichere Regionen begünstigen dürfte.

Wann fliegen die Pollen der Ambrosia-Pflanze?

Tackenberg: Beifußambrosie-Pollen fliegen im Spätsommer und lange bis in den Herbst hinein. Neben dem Wann ist vor allem das Wo entscheidend. Die Pflanze wird unseren Studien zufolge in den kommenden Jahren ihr Areal mit hoher Wahrscheinlichkeit erheblich erweitern, wenn man sie nicht bekämpft. Dabei kommt ihr nicht nur die Ausbreitung der Samen durch den Menschen und der Klimawandel, sondern auch die bereits genannten evolutionären Veränderungen, die die Pflanze konkurrenzfähiger machen, zugute. Experten gehen davon aus, dass durch Ambrosia-Allergien zusätzliche
Kosten für das Gesundheitswesen von bis zu 1,19 Milliarden Euro pro Jahr entstehen werden.

Können auch Bürgerinnen und Bürger etwas gegen die Ausbreitung der Ambrosia-Pflanze tun?

Tackenberg: Allergie- und Asthmaverbände raten, die Gärten vor der Blüte der Pflanze, insbesondere im Sommer, regelmäßig auf deren Vorkommen zu kontrollieren und sie gegebenenfalls mitsamt der Wurzel auszureißen und im Müll zu entsorgen. Mit Blick auf die möglichen Gesundheitsschäden brauchen wir jedoch auch eine konzertierte, nationale Bekämpfungsstrategie, wie sie in der Schweiz existiert. Dort ist jeder einzelne Bürger, aber auch die Behörden gesetzlich verpflichtet, Vorkommen der Pflanze zu melden und zu bekämpfen.

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Weitere Infos unter: http://www.bik-f.de/

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