Dr. Dagny Wasmund war 1966 erste Pressesprecherin.
Irgendwann im Laufe der Jahre vor 1965 muss es dem damaligen Rektor der Goethe-Universität, Walter Rüegg, klar geworden sein, dass in der öffentlichen Darstellung seiner Universität etwas gründlich schieflief: Im Jahrbuch 1965/66 zieht er jedenfalls eine vernichtende Bilanz über das Außenbild der Hochschule:
Sie hätte eine „schlechte Presse“, die „Freunde“ innerhalb der Stadt beklagten ihre „Selbstisolierung“ und auf mangelnde öffentliche Präsenz sei wohl auch „ihre anfänglich schwache Position bei den Verhandlungen über das Hochschulgesetz und über den Universitätsvertrag zurückzuführen“.
Rüegg, der im vergangenen Jahr 97-jährig in der Schweiz starb, handelte umgehend und wurde damit zu einem Pionier der Hochschulkommunikation – nicht nur an der Goethe-Universität, sondern auch in Deutschland. Im Februar 1966 stellte er Frau Dr. Dagny Wasmund, die ebenfalls 2015 starb, als Leiterin der neugeschaffenen „Akademischen Presse- und Informationsstelle“ ein, die ihre Eignung für diese anspruchsvolle Tätigkeit zuvor in einem „zweimonatigen Volontariat bei Rundfunk, Fernsehen und Presse“ erworben hatte.
Was sich aus dem Blickwinkel heutiger Ausbildungsgänge und zweijähriger Volontariate wie ein Crashkurs in praktischer Medienkompetenz darstellt, war damals – als es in Deutschland noch so gut wie keine Erfahrungen mit universitärer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gab – sicherlich noch absolutes Neuland.
Denn die Hochschulkommunikation steckte – ganz im Gegensatz zu den USA – noch in den Kinderschuhen. Faktisch verfügte zu diesem Zeitpunkt wohl so gut wie keine deutsche Hochschule über eine strategische PR-Arbeit. Nur die 1962 neu gegründete Ruhr-Universität in Bochum hatte bereits 1965 eine eigene Pressestelle geschaffen.
»Urknall« der PR in den 50er Jahren
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheint es dagegen in den USA zur Gründung von Hochschulpressestellen gekommen zu sein. Hintergrund war die damals aufkommende Public Relations (PR) als ein neues Konzept struktureller und strategischer Kommunikation von Einrichtungen, Unternehmen und Öffentlichkeit. Immerhin 50 Jahre scheint dieser Impuls benötigt zu haben, um die andere Seite des Atlantiks zu erreichen.
Doch wer erinnert sich heute noch in der inzwischen auch in Deutschland etablierten Hochschul- PR-Branche an die „Hinterzartener Empfehlungen“ und an das „Blaue Gutachten“, die sozusagen den Urknall der deutschen Hochschul-PR darstellen? Erstmals nämlich sprachen sich die bei dieser Tagung im Sommer 1952 im Schwarzwald anwesenden Hochschullenker und Gelehrten auch für die Einrichtung von Hochschulpressestellen aus.
In Hinterzarten kam dabei auch der Gedanke auf, mittels eigener Universitätszeitungen über den Universitätsalltag zu berichten (vgl. Stefan Paulus: Vorbild USA? Amerikanisierung von Universität und Wissenschaft in Westdeutschland von 1945 – 1976, Oldenburg 2010, S. 437ff.). Doch wer gedacht hätte, dieser starke Impuls würde nach 1952 unmittelbar in die Tat umgesetzt werden, sah sich enttäuscht.
Es geschah erst einmal nichts. Bis im Februar 1966 die Westdeutsche Rektorenkonferenz in einem energischen Plädoyer erneut die Einrichtung hauptamtlicher Pressestellen forderte. Gleichzeitig erklärte sie die seit Anfang der 1960er Jahre gelegentlich schon bestehende Praxis nebenamtlicher Medienarbeit durch damit beauftrage Professoren für untauglich, die Kommunikationsmisere deutscher Hochschulen zu lösen.
Zu diesem Zeitpunkt verfügte jedoch – dank der weitsichtigen Entscheidung von Walter Rüegg – die Goethe-Universität bereits über eine eigene „Akademische Presse- und Informationsstelle“ und war damit der Forderung der Rektorenkonferenz gewissenmaßen zuvorgekommen. Warum die direkt dem Rektor unterstellte Pressestelle in Frankfurt zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt aufgebaut wurde, hatte wohl auch handfeste politische Hintergründe, die in der einzigartigen organisatorischen Form der Goethe-Universität als bis Ende 1965 rein städtischer Hochschule begründet liegen – mit damals immerhin schon 14.000 Studierenden.
Damit bildete die Goethe-Universität zu diesem Zeitpunkt 50 Prozent aller hessischen Studierenden aus! Dafür lohnt es sich besonders, dem Hinweis Rüeggs nachzugehen, das Fehlen einer strukturierten Öffentlichkeitsarbeit habe die Position der Goethe-Universität bei den Verhandlungen über das Hochschulgesetz und über den Universitätsvertrag geschwächt. Worauf bezog sich diese Bemerkung?
Für die Goethe-Universität ging es zu dieser Zeit buchstäblich in doppelter Hinsicht um ihre Zukunft. Die Stadt Frankfurt hatte sich bereits in den Jahren vor 1965 immer schwerer getan, die stark expandierende Hochschule weiter zu finanzieren. Immer öfter musste das Land Hessen finanziell einspringen. Auch die Verhandlungen um ein neues Hochschulgesetz gestaltete sich 1965 / 66 zäh und unbefriedigend – besonders aus der Sicht Walter Rüeggs, der im Januar 1966 zum Präsidenten der hessischen Hochschulkonferenz gewählt wurde.
Es ging – wie so häufig – bei solchen Gesetzesvorhaben um die Frage, wie viel Freiheiten der Gesetzgeber noch bereit war, den Hochschulen zuzugestehen, und wo dieser künftig mehr Detailsteuerung ausüben wollte. Und es ging natürlich auch um Verteilungsfragen und ums Geld. Und hier war Frankfurts Verhandlungsposition aufgrund des anstehenden Wechsels der Trägerschaft alles andere als glücklich.
Rüegg musste gleichsam einen Mehrfrontenkrieg führen: Möglichst viel vom ursprünglichen Sonderstatus der kommunalen „Stiftungsuniversität“ Frankfurt in die Landesträgerschaft hinüberretten, die zu dieser Zeit beklagenswerte finanzielle und räumliche Situation seiner Uni verbessern und sich dann auch noch auf der politischen Bühne als Vertreter der Landesrektoren für den Erhalt der akademischen Freiheit einsetzen, die der neue Gesetzesentwurf empfindlich anzukratzen drohte.
Der unter seiner Moderation eingebrachte Gegenentwurf der Rektoren verfehlte beim Gesetzgeber „auch aufgrund einer unablässigen Öffentlichkeitsarbeit“, seine Wirkung nicht, hebt Rüegg ausdrücklich hervor, so dass der hessische Landtag bei seinem „endgültigen Beschluss den wesentlichen Bedenken der hessischen Hochschulen Rechnung trug“.
1968: Gründung des »uni-report«
Früh dran im Vergleich zu anderen Hochschulen war die Goethe-Universität auch mit der Gründung des uni-report, dessen Erstausgabe am 25. Januar 1968 – knapp 16 Jahre nach den Hinterzartener Empfehlungen – unter dem programmatischen Titel „Kommunikation und Selbstkontrolle“ erschien. Kein geringerer als Walter Rüegg selbst verfasste das ganzseitige Editorial des mit acht Seiten damals noch recht schmalbrüstigen Mitteilungsblatts des Präsidiums.
Fotos gab es keine. Ein redaktionelles Konzept war genauso wenig erkennbar wie ein Layout im heutigen Wortsinne. Dafür kam in dem Editorial ein neuer Pressereferent zu Ehren, den Rüegg der Uni-Öffentlichkeit mit den Worten vorstellte: „Am 10. Januar hat ein neuer Pressereferent, stud. phil. Klaus Detlef Viedebantt, die Arbeit in der Akademischen Presse- und Informationsstelle aufgenommen. Er sieht seine Aufgabe nicht nur in der – notwendigen – Vermittlung von Pressegesprächen, -interviews, -kontakten, sondern im Ausbau der Mitteilung des Rektors zu einem regelmäßigen Mitteilungsblatt.“
Aus heutiger Sicht interessant liest sich auch die politische Begründung für die Einführung des uni-report: „Freilich ist durch die Haushaltsschwierigkeiten die Funktionsschwäche der korporativen Selbstverwaltung der Hochschulen besonders deutlich geworden. Ihre dringend notwendige Stärkung erfordert ein größeres aktives Interesse, eine verstärkte Willensbildung und Mitwirkung aller Teile und Mitglieder der Korporation. Bei diesem Prozess der allgemeinen Willensbildung und die Mitwirkung innerhalb der Gesamtuniversität genügen indirekt vermittelte Presseinformation nicht mehr. Die universitätsinterne und die außeruniversitäre Öffentlichkeit haben einen Anspruch drauf, auch vom Rektorat und von den anderen Universitätsorganen über die hochschulpolitischen Entscheidungsprozesse der Universität informiert zu werden (…)“
Muss man nach heutigem Verständnis den PR-Zweck des damaligen uni-report gewissermaßen noch mit der Lupe suchen, so steht dieser bei der Gründung des im Herbst 1983 erstmals erscheinenden universitären Magazins Forschung Frankfurt bereits eindeutig im Vordergrund. Inzwischen ist Hartwig Kelm Präsident und formuliert das Selbstverständnis des Blattes mit folgenden Worten:
„Es wird in Zukunft dazu beitragen (…) Forschungsaktivitäten der Frankfurter Universität über die engeren Fachkreise hinaus bekannt zu machen. Forschung Frankfurt wendet sich sowohl an die wissenschaftlich interessierte Öffentlichkeit als auch an Studenten, Wissenschaftler und andere Mitglieder der Universität (…)“.
Mit Forschung Frankfurt beginnt an der Goethe-Universität das Zeitalter populärwissenschaftlichen Denkens. Die Gestaltung der Zeitschrift ist auf der Höhe damaliger Möglichkeiten – reich bebildert, die Texte ringen um Verständlichkeit, die Ausgaben der ersten Jahre greifen schon nicht selten aktuelle Entwicklungen in der Gesellschaft auf. UniReport (so die heutige Schreibweise) und Forschung Frankfurt haben als zentrale Säulen der universitären Kommunikation in den letzten Jahrzehnten mehrere grundlegende Überarbeitungen erlebt und zählen – dank dieser liebvollen Pflege – heute zu den traditionsreichsten und meistgelesenen Blättern ihrer Art in Deutschland.
Hinzu gekommen ist jedoch ein breites Spektrum weiterer Kommunikationskanäle, die Uniangehörige heute bei ihrem Wunsch unterstützen, mit verschiedenen Öffentlichkeiten in Kontakt zu treten – insbesondere webbasierte Medien: Ob Homepage, Webmagazin, Facebook, Twitter oder Youtube – die Goethe-Uni bespielt alle diese Kanäle heute souverän und erweitert damit ihre Medienwirkung in immer weitere soziale Räume.
Dabei setzt sie zunehmend auf eine crossmediale Veröffentlichungspraxis. Print und online sind korrespondierende Röhren, in denen bestimmte Uni-Themen in verschiedenen Gewändern und Aufmachungen auftreten, begleitet von Fotostrecken, Podcasts und Filmen. Damit ist die Goethe-Uni einmal mehr auf der Höhe der Zeit: 2013 wurde sie von der Wochenzeit DIE ZEIT und der Bosch-Stiftung für den Preis für Hochschulkommunikation nominiert, 2015 vom Magazin Pressesprecher als eine der besten deutschen Kommunikationsabteilungen ausgezeichnet.
[Autor: Olaf Kaltenborn]
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 6.16 (PDF-Download) des UniReport erschienen.