Wollheim-Memorial renoviert und technisch aktualisiert

(v.l.): Prof. Sybille Steinbacher, Prof. Birgitta Wolff, Peter Feldmann, Trude Simonsohn, Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz, Elisabeth Abendroth; Foto: Lecher

10 Jahre nach Eröffnung: Renovierte NS-Gedenkstätte wurde am 5. November in Anwesenheit von Oberbürgermeister Peter Feldmann wiedereröffnet.

Vor fast 10 Jahren, im November 2008, wurde auf dem Campus Westend der Goethe-Universität eine NS-Gedenkstätte eingeweiht: das Norbert Wollheim-Memorial. Gewidmet ist sie Norbert Wollheim und mit ihm stellvertretend allen ehemaligen Zwangsarbeitern der I.G. Farben AG, deren Verwaltungsgebäude mitsamt Gelände seit dem Abzug der amerikanischen Truppen aus Frankfurt von der Goethe-Universität als Campus Westend genutzt wird.

Nach der Einweihung des Memorials vor rund zehn Jahren waren verschiedene baulich-technische Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich. Nicht nur Materialmüdigkeit, Verschmutzungen und – wenige – Fälle von Vandalismus, sondern auch der informationstechnologische Fortschritt sowie neuere Sicherheitserfordernisse hatten das Präsidium der Universität Anfang dieses Jahres veranlasst, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen.

Universitätspräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff sagte: „Norbert Wollheim gibt durch sein persönliches Schicksal als Zwangsarbeiter der I.G. Farben und sein entschiedenes und erfolgreiches Drängen auf Wiedergutmachung dem Holocaust ein Gesicht. Das Wollheim-Memorial erinnert uns daran, dass wir nie aufhören dürfen, Unmenschlichkeit, Diskriminierung, Rassismus und Verfolgung entschieden entgegenzutreten.“

Oberbürgermeister Peter Feldmann ging in seinem Grußwort auf die jüdische Tradition Frankfurts ein; Foto: Lecher

Oberbürgermeister Peter Feldmann ging in seinem Grußwort auf die jüdische Tradition Frankfurts ein: „Unsere Goethe-Universität, deren 100-jähriges Jubiläum wir gefeiert haben, zeigt wie keine andere Einrichtung unserer Stadt bereits in ihrer Gründungsgeschichte die gewaltige Bedeutung jüdischer Mäzene und jüdischer Wissenschaftlicher für unser Frankfurt. Paul Ehrlich und Franziska Speyer, Wilhelm Merton und Ludwig Edinger, Felix Weil und Max Horkheimer sind nur einige wenige der Persönlichkeiten, die innerhalb kurzer Zeit Frankfurts Uni zu einer der führenden Universitäten in Deutschland machten.“

Umso wichtiger sei ein klares Bewusstsein über die Nazi-Zeit: „I.G. Farben war ein großer und fester Bestandteil der Ausbeutung und der Vernichtung jüdischen Lebens. Eines dieser Opfer war Norbert Wollheim. Er war Überlebender des Konzentrationslagers Buna/Monowitz und musste für die I.G. Farben Zwangsarbeit auf der Baustelle in Auschwitz leisten.“ Weiter sagte Feldmann: „Der Einsatz für das Erinnern gilt natürlich den Überlebenden und den Opfern der Nazi-Barbarei sowie Ihren Nachkommen. Aber dieses Erinnern gilt zugleich uns allen, um uns immer wieder ins Gedächtnis zu rufen: Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus bringen nur Leid, Zerstörung und Tod.“

Steffen Bruendel, Historiker und Direktor des Forschungszentrums Historische Geisteswissenschaften, präsentiert den Gedenkplan; Foto: Lecher

Für die Instandsetzung konnte die Universität auf Mittel aus dem Johanna Quandt-Jubiläumsfonds zurückgreifen sowie auf großzügige Spenden der Sanofi Deutschland GmbH, der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie und des Fördervereins Fritz Bauer Institut e. V. „Die Universität dankt allen Spendern für ihre wichtige Unterstützung, ohne die die notwendigen baulich-technischen Maßnahmen nicht hätten umgesetzt werden können“, betont Vizepräsident Manfred Schubert-Zsilavecz.

Koordiniert vom Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften, waren an der Instandsetzung mehrere Einrichtungen der Universität beteiligt – beispielsweise das Fritz Bauer Institut, das Immobilienmanagement sowie das Hochschulrechenzentrum. Im Zuge der Instandsetzung entwickelte das Forschungszentrum auch einen Gedenkplan für den Campus Westend. Ab dem 5. November 2017 können sich alle Geschichtsinteressierten über die gedenkrelevanten Orte des Campus Westend informieren – auch online unter: www.uni-frankfurt.de/gedenkplan. „Der Gedenkplan wird insbesondere dem Wollheim-Memorial eine große Sichtbarkeit verleihen und das Gedenkstätten-Konzept besser veranschaulichen“, freut sich Steffen Bruendel, Historiker und Direktor des Forschungszentrums Historische Geisteswissenschaften.

Sybille Steinbacher, Direktorin des Fritz Bauer-Instituts und Professorin zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust an der Goethe-Universität, sagte: „Der Prozess, den Norbert Wollheim Anfang der fünfziger Jahre gegen die I.G. Farben angestrengt hat, war eine Sensation. Zum einen, weil das Landgericht Frankfurt, später auch das Oberlandesgericht die Entschädigungspflicht des IG-Konzerns gegenüber ehemaligen Zwangsarbeitern grundsätzlich festgestellt haben, zum anderen, weil die Mitverantwortung des Unternehmens für die Ausbeutung der Häftlinge und für die Verbrechen von Auschwitz konstatiert wurde. Wollheim, der als Häftling Nummer 107984 Zwangsarbeit für die I.G. Farben hatte leisten müssen und dessen gesamte Familie in Auschwitz ermordet wurde, kommt das Verdienst zu, den Blick der Öffentlichkeit auf die verheerende Rolle der Industrie im NS-Staat gelenkt zu haben. An ihn und seine Leistungen zu erinnern, ist wichtig.“

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