In der Nacht zum 1. Juli 1968, im Jahr der Studentenrevolte, starb Fritz Bauer im Alter von knapp 65 Jahren. Bauer war der Initiator der Frankfurter Auschwitzprozesse; durch ihn erfuhren schon zuvor die Widerstandskämpfer vom 20. Juli erstmals öffentliche Anerkennung; er trug außerdem entscheidend zur Ergreifung von Adolf Eichmann bei, der die Todestransporte in die Vernichtungslager organisiert hatte. Anlässlich der 50. Wiederkehr von Fritz Bauers Todestag veranstaltet das Fritz Bauer Institut an der Goethe-Universität eine Tagung mit dem Titel „Fritz Bauer und die 68er. Verbindendes und Trennendes.“ Die Veranstaltung findet von Montag, 2. Juli, bis Dienstag, 3. Juli im Casino-Gebäude, Nina-Rubinstein-Weg (Campus Westend) im Raum 823 statt und bringt Historiker, Erziehungswissenschaftler und Juristen aus ganz Deutschland zur interdisziplinären Diskussion zusammen.
Auf den ersten Blick hatten die protestierenden Studenten und der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer gemeinsame Ziele: Ähnlich wie viele der führenden Köpfe der Revolte sah Bauer die dringendste Aufgabe der politischen Arbeit darin, zu einer humanen und demokratischen Gesellschaft beizutragen mit dem Ziel, dass Deutschland die Gewaltstrukturen der NS-Zeit hinter sich lassen könne. Doch der 1903 geborene Jurist gehörte der Väter-Generation an, gegen die die jungen Leute aufbegehrten. Er hatte andere Vorbilder als sie, andere Umgangsformen und eine andere Auffassung davon, was mit politischer Einmischung zu erreichen sein sollte.
Die Tagung zum 50. Todestag geht der Frage nach, inwiefern die von Bauer angeschnittenen Themen im Rahmen einer allgemeinen Reformdynamik zu sehen sind – ausgehend von seinen Schriften, die in einer gegenwärtig entstehenden umfassenden Edition des Fritz Bauer Instituts erstmals zusammengetragen werden. Die Tagung wird das Denken Fritz Bauers in den politisch-gesellschaftlichen Kontext stellen und den Blick auf die Zeitumstände richten. Dabei sollen seine Rolle für die Reform und Liberalisierung der Justiz ausgelotet und sein Bezug zu den Ideen der Studentenbewegung bestimmt werden. Außerdem wird es um die Frage gehen, warum Bauers Werk erst in den 1990er Jahren gesellschaftliche Beachtung fand.
Finanziell unterstützt wird die Tagung von der Holger Koppe Stiftung.
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PROGRAMM
Montag, 2. Juli 2018
10.00 Uhr
Grußworte durch Prof. Dr. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität, und Jutta Ebeling, Vorsitzende des Fördervereins Fritz Bauer Institut e.V.
10.30 – 12.30 Uhr
I. Konfrontation mit den NS-Verbrechen
Moderation: Sybille Steinbacher (Frankfurt am Main)
Boris Burghardt (Berlin): Strafverfahren als Mittel der Volkspädagogik? Fritz Bauers Vorstellungen von der Funktion der NS-Prozesse
Annette Weinke (Jena): Eine andere Form der politischen Justiz? NS-Prozesse, Braunbuch-Kampagnen und die Moralpolitik der 68er
14.00 – 16.00 Uhr
II. Demokratisierung durch Recht
Moderation: Jörg Osterloh (Frankfurt am Main)
David Johst (Halle/Berlin): Ungehorsam als politische Tugend? Widerstand im Denken Fritz Bauers
Jörg Requate (Kassel): Demokratisierung der Justiz – Demokratisierung durch Justiz? Rechtsdenken, Justiz und Gesellschaft in den 1960er Jahren
16.30 – 18.30 Uhr
III. Strafrecht und Gesellschaft
Moderation: Katharina Rauschenberger (Frankfurt am Main)
Kirstin Drenkhahn (Berlin): Fritz Bauers Argumentation zur Strafrechtsreform. Überlegungen im Lichte der Punishment & Society-Forschung
Sascha Ziemann (Frankfurt am Main): Strafrecht für die neue Gesellschaft. Fritz Bauer und die Strafrechtsreform
Dienstag, 3. Juli 2018
10.00 – 12.00 Uhr
IV. Auseinandersetzung mit Autoritäten
Moderation: Tobias Freimüller (Frankfurt am Main)
Gottfried Kößler (Frankfurt am Main): Widerstand als moralische Orientierung. Fritz Bauer und die historisch-politische Bildung
Christiane Thompson (Frankfurt am Main): Rebellion gegen Autoritäten? Zur Autonomie in der „Erziehung nach Auschwitz“
12.30 – 14.30 Uhr
V. Sexualstrafrechtsreform und Sittlichkeitspostulat
Moderation: Stefanie Fischer (Frankfurt am Main/Potsdam)
Werner Renz (Frankfurt am Main): Wider die Kriminalisierung von Sexualität. Fritz Bauers Kritik des repressiven Sexualstrafrechts
Michael Schwartz (Berlin): Sexualstrafrecht und Sittlichkeit. Gesellschaftliche Kontroversen und Reformdebatten der 1950er und 1960er Jahre
14.30 – 15.00 Uhr
Tagungskommentar von Michael Stolleis (Frankfurt am Main)
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