Grünen-Politiker Gerhard Schick: Zentrale Probleme im Finanzsektor sind immer noch ungelöst

Grünen-Politiker Gerhard Schick; Foto: Uwe Dettmar

„Jemand, der aus dem Bundestag geht, muss frustriert sein – das haben ganz viele Medien geschrieben. Aber das ist definitiv nicht der Fall!“ Bei einer SAFE Policy Lecture am 12. November sprach der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick über seine Motivation, sein Mandat zum Ende des Jahres aufzugeben und sich auf die Arbeit mit der „Bürgerbewegung Finanzwende“ zu konzentrieren, sowie über die Ziele der in diesem Jahr gegründeten Organisation. Diese ist ein eigenständiger Teil des internationalen Netzwerks der Nicht-Regierungsorganisation „Finance Watch“ in Brüssel.

Schick sitzt seit 2005 im Bundestag und war bis 2017 finanzpolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen. „Man kann als Politiker im Bundestag viel erreichen“, sagte Schick und nannte beispielhaft die Untersuchungsausschüsse zur staatlichen Rettung der Hypo Real Estate sowie zu den Cum/Ex-Geschäften, an denen er beteiligt war. Viele Versäumnisse seien so aufgedeckt worden, sagte Schick. Nun sei es jedoch an der Zeit, etwas anderes zu tun – nicht allein, sondern überparteilich zusammen mit Gleichgesinnten in der „Bürgerbewegung Finanzwende“. Diese soll nach den Worten Schicks ein Gegengewicht zu der Interessenvertretung der Finanzbranche sein und sich für die Belange der Verbraucher auf dem Finanzmarkt einsetzen. Ziel sei es, finanzpolitische Themen immer wieder auf die Agenda zu bringen und den Finanzsektor nachhaltiger und stabiler zu gestalten. „Wir brauchen einen funktionierenden Finanzsektor, der unsere Probleme löst – und nicht wir seine“, sagte Schick. In der Gruppe sei mehr zu erreichen, als ein einzelner Abgeordneter ausrichten könne.

Aus der Sicht von Schick sind zentrale Probleme auf den Finanzmärkten immer noch ungelöst. Vier Kernprobleme benannte er bei seinem Vortrag: Erstens bestehe das too-big-too-fail-Problem weiter, obwohl Deutschland in der Krise notgedrungen 68 Milliarden Euro für die Bankenrettung ausgegeben habe. Heute würde bereits wieder über Fusionen von Kreditinstituten diskutiert, ohne die Risiken ausreichend zu thematisieren. „Offensichtlich ist vieles schon wieder vergessen worden“, sagte Schick. Nach wie vor würden die Steuerzahler die Risiken tragen und nicht die Aktionäre.

Gegen Hochfrequenzhandel und provisionsgetriebene Beratung

Ein weiteres Problem stellt aus Schicks Sicht der Hochfrequenzhandel dar, der enorme Ressourcen verbrauche und nur wenigen nutze. „Der Hochfrequenzhandel bringt einigen etwas, aber schadet dem langfristigen Anleger“, sagte Schick. Es bringe wenig, möglichen Missbrauch innerhalb des Hochfrequenzhandels gesetzlich zu bekämpfen. Vielmehr müsse es um ein echtes „Tempolimit“ auf den Finanzmärkten gehen, das sehr kurzfristige Trades unrentabel mache. Ähnlich kritisch äußerte sich Schick über Geldmarktfonds und deren Rückzahlungsversprechen. In der Krise seien diese nicht haltbar, so Schick. Wenn aus solchen Fonds rasch Geld abgezogen würde, könne dies eine neue Krise verursachen.

Viertens ist für Schick die provisionsgetriebene Kundenberatung problematisch, die zu schlechten Ergebnissen führe. Zwar habe es in der Vergangenheit verschiedene Anläufe des Gesetzgebers für eine bessere Regulierung gegeben, die aber wegen „immensen Widerstands“ aus der Branche gescheitert seien. Das Grundproblem besteht aus der Sicht von Schick nach wie vor in der Diskrepanz zwischen dem Kunden- und dem Unternehmensinteresse. „Finanzberater sollten ähnlich wie Steuerberater ausschließlich im Interesse der Kunden handeln“, sagte Schick.

Dass sich das System aus sich heraus positiv verändern kann, glaubt Schick nicht. Spätestens die neuen Enthüllungen über Cum/Ex-Geschäfte hätten diese Hoffnung zunichte gemacht. „Es gibt ein hohes Maß an Kriminalität in der Finanzbranche“, sagte Schick und verwies auf Beispiele der Fehlberatung von Kunden und diverse Preismanipulationen in den vergangenen Jahren. Es habe eine Kultur in der Branche gegeben, nach der alles erlaubt gewesen sei. Gleichzeitig erzeuge die Finanzbranche große Risiken: Weltwirtschaftskrisen seien in der Vergangenheit fast ausschließlich durch die Finanzbranche ausgelöst worden. Besorgniserregend sei das Anwachsen des Verschuldungsgrads weltweit.

Der Regulierung durch den Gesetzgeber stellte Schick ein schlechtes Zeugnis aus: „Wir haben Stellschrauben verändert, aber das System insgesamt ist nicht sicherer geworden.“ Zentrale Versprechungen für eine bessere Regulierung nach der letzten Finanzkrise seien nicht eingelöst worden. Diese sei außerdem noch nicht vorbei, sagte Schick mit Blick auf faule Schiffskredite in der Bilanz der Nord LB und auf die derzeitige, ultra-lockere Geldpolitik im Euroraum. „Die Geldpolitik überdeckt vieles. Eine echte Bereinigung des Finanzsektors steht aber noch aus“, sagte Schick.

Quelle: SAFE News vom 15. November 2018

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