Die Glühbirne hat ausgedient. Auch Energiesparlampen sind nur eine Übergangslösung. Große Hoffnungen richten sich auf organische Leuchtdioden, zumal man daraus auch großflächige und biegsame Displays und Flachbildschirme herstellen kann. Für eines der größten Probleme, das Ausbleichen der blauen Leuchtstoffe, findet man immer bessere Lösungen. Anwendungen, die heute noch wie Science-Fiction klingen, rücken damit in erreichbare Nähe.
Beleuchtungs- und Displaytechnologien befinden sich gegenwärtig in raschem Wandel. Da Glühlampen nur rund 5 Prozent des verbrauchten Stroms in Licht transformieren, hat die Europäische Union 2009 beschlossen, sie schrittweise vom Markt zu nehmen. Als Ersatz dienen gegenwärtig Kompaktleuchtstofflampen Kompaktleuchtstofflampen (»Energiesparlampen«), die etwa 25 Prozent der eingespeisten Energie zur Lichterzeugung nutzen. Allerdings hat diese Effizienzsteigerung ihren Preis: energiesparlampen entfalten nach dem Einschalten nicht sofort ihre volle Leuchtkraft, sie sind meist nicht dimmbar und enthalten Quecksilber. Das giftige Schwermetall bereitet nicht nur hinsichtlich der Entsorgung, sondern auch bei einem Bruch des Glaskörpers Probleme. Daher gelten Energiesparlampen lediglich als Übergangslösung, während sich elektrische Leuchtdioden (LEDs) voraussichtlich in vielen Marktbereichen nachhaltig durchsetzen werden.
LEDs bestehen aus einem Halbleitermaterial, das leuchtet, wenn man eine elektrische Spannung anlegt. Die Ausbeute an Licht ist noch höher als bei Kompaktleuchtstofflampen, und die Farbe des Lichts kann durch Variation der Halbleiter-Bandlücke von blau über grün nach rot eingestellt werden. Somit sind die Voraussetzungen geschaffen, um sowohl LED-basierte Weißlichtquellen als auch Farbdisplays herzustellen. Noch vor wenigen Jahren galten die vergleichsweise hohen Produktionskosten als schwerwiegendes Hindernis für eine breite Anwendung. Seitdem hat sich die Technologie jedoch derart stürmisch entwickelt, dass LED-Lichtmasten bereits zur Straßenbeleuchtung eingesetzt werden.
Als LED-Halbleiter können anorganische oder organische Materialien dienen. Anorganische LEDs enthalten einen Kristall, der unter anderem aus Kombinationen der Elemente Gallium, Indium, Stickstoff und Phosphor besteht, aber auch Seltene Erden spielen eine Rolle. Die Lebensdauer der Bauteile ist generell hoch. Nachteilig ist jedoch, dass anorganische LEDs in der Regel nur als kleinflächige Lichtquellen einsetzbar sind – zu sehen beispielsweise an modernen Automobilen, deren ausgedehnte Tagfahrlichter sich aus reihenförmig angeordneten Leuchtpunkten zusammensetzen. Diese erhebliche Einschränkung entfällt, wenn man von anorganischen zu organischen LEDs (OLEDs) übergeht, die sich als Flächenlichtquellen gestalten lassen.
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OLEDs sind aus mehreren dünnen Halbleiterschichten aufgebaut, die zwischen zwei Elektroden eingebettet sind. Die Anode ist immer aus durchsichtigem Material gefertigt; ist auch die Kathode durchsichtig, erhält man ein transparentes Display. Beim Anlegen einer Spannung (3 bis 4 Volt) werden von der Kathode Elektronen und von der Anode Elektronenlöcher in die Struktur injiziert. Unter dem Einfluss des elektrischen Feldes wandern die beiden unterschiedlichen Ladungsträger aufeinander zu. In der mittleren Schicht, welche die Emittermoleküle enthält, rekombinieren Elektronen und Löcher. Die dabei frei werdende Energie wird in Form von Licht abgestrahlt.
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OLED-Folien aus dem Tintenstrahldrucker
Im Unterschied zu anorganischen LEDs wird das Licht nicht mehr in einem einzelnen Halbleiterkristall erzeugt, sondern in einer hauchdünnen Schicht aus organischen Molekülen oder Polymeren. Grundsätzlich kann dieser Film eine beliebige Ausdehnung haben und in vielfältigen Strukturen und Mustern gefertigt werden. Die Methoden zur Herstellung homogener Filme haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert und vereinfacht. Heute ist es sogar möglich, mithilfe eines speziellen Tintenstrahldruckers OLEDs für Fernsehgeräte mit bis zu 100 Zentimetern Bildschirmdiagonale zu produzieren. Als Trägermaterial eignen sich nicht nur starres (leitfähig beschichtetes) Glas, sondern auch elektrisch leitfähige Kunststofffolien. Somit wird es erstmals möglich, hochgradig biegsame Lichtquellen und Displays herzustellen, die darüber hinaus ein beispiellos geringes Gewicht besitzen.
Zudem strahlt in einem OLED-Bildschirm jedes Pixel unmittelbar in der momentan gewünschten Farbe. Im Gegensatz dazu benötigen gängige LCD-Flachbildschirme eine kontinuierliche Hintergrundbeleuchtung, aus deren weißem Licht durch davor angeordnete Flüssigkristallzellen und Farbfilter der Eindruck eines selbstleuchtenden Bildes erzeugt wird. Konstruktionsbedingt ist die Energieeffizienz eines LCD-Flachbildschirms ähnlich gering wie die einer Glühlampe. OLED-Displays verbrauchen demgegenüber nicht nur weniger Strom, sondern ermöglichen auch ein tieferes Schwarz, höhere Farbkontraste und stellen das Bild selbst aus ungünstigen Blickwinkeln scharf dar.
Schon heute werden OLED-Displays in Smartphones, Digitalkameras und einigen Fernsehern des Luxussegments eingesetzt. Um OLEDs auch in anderen Anwendungsgebieten, insbesondere der Raumbeleuchtung, zum Durchbruch zu verhelfen, müssen ihre Konstruktion weiter vereinfacht, ihre Effizienz nochmals gesteigert und der Preis gesenkt werden. Ein Schlüsselfaktor besteht in der gezielten Optimierung der Leuchtstoffmoleküle. Zu den Anforderungen, die geeignete Substanzen erfüllen müssen, gehören neben hoher Farbreinheit auch die Langzeitbeständigkeit unter Betriebsbedingungen. Da in einer OLED durch Anlegen elektrischer Spannung ein Stromfluss induziert wird, müssen die einzelnen Moleküle in der Lage sein, zahllose Male reversibel Elektronen aufzunehmen und wieder abzugeben. Außerdem sollten sie über die Betriebszeit nicht ausbleichen, woraus sich eine große Herausforderung für die künftige OLED-Entwicklung ergibt: Alle Farben, die ein Bildschirm hervorbringen kann, werden durch Mischung der drei Grundfarben blau, grün und rot erzeugt. Die bislang verwendeten blau leuchtenden organischen Verbindungen bauen sich mit der Zeit deutlich schneller ab als die Moleküle, die grünes oder rotes Licht erzeugen, wodurch die Farbabstimmung des Displays außer Balance gerät. Um die Leuchtstoffmoleküle auf die jeweiligen Anforderungen perfekt abzustimmen, ist das umfangreiche Instrumentarium der organischen Synthesechemie gefragt.
Borhaltige Nanographene: die blauen Leuchtstoffe von morgen?
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Abb. 2: Graphit, eine Modifikation des Kohlenstoffs, besteht aus Schichten bienenwabenförmig angeordneter Kohlenstoffatome (links). Als Graphen bezeichnet man eine einzelne dieser Schichten, die eine makroskopische Ausdehnung besitzt (Mitte). Ausschnitte aus Graphenschichten (rechts) existieren in vielfältigen Formen und werden „Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe“ genannt. © Grafik: D. Jung-Zulauf
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Eine neue Generation blauer Emitter zählt zu den chemisch sehr beständigen »Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen « (PAKs). PAKs leiten sich von Graphit ab, der den elektrischen Strom ähnlich einem Metall zu leiten vermag. Auch seine zweidimensionale Form, die Graphenschicht, besitzt äußerst attraktive optische und elektronische Eigenschaften. In Graphen sind zahllose Benzolringe zu einer bienenwabenförmigen Struktur zusammengefügt. Bei PAKs, auch Nanographene genannt, handelt es sich um Ausschnitte aus dieser Struktur (Abb. 2). Um die optischen und elektronischen Eigenschaften eines PAKs maßzuschneidern, hat man sich zunächst darauf konzentriert, seine Ränder chemisch zu manipulieren. In den letzten Jahren versteht man es jedoch zunehmend, auch die innere Struktur zu verändern, indem man Fremdatome in das Kohlenstoffgerüst einbettet. Hier kommt, neben Stickstoff und Schwefel, dem Bor eine herausragende Bedeutung zu.
Im Periodensystem der Elemente steht Bor eine Position links von Kohlenstoff, weshalb es ein Elektron weniger in seiner Valenzschale besitzt (Abb. 3). Borhaltige PAKs nehmen dementsprechend leicht und reversibel Elektronen auf, um dieses Defizit auszugleichen. Diese Eigenschaft ist essen- ziell, um den erforderlichen Elektronentransport innerhalb der Emitterschicht zu gewährleisten. Die Integration von Boratomen in das Kohlenstoffgerüst wirkt sich auch auf die optischen Eigenschaften der Nanographene positiv aus, da auf diese Weise deren Leuchtkraft wesentlich gesteigert und die Lichtwellenlänge in den gewünschten Farbbereich verschoben werden kann. Abbildung 1b zeigt eine Beispielverbindung, die zu den besonders gefragten blauen Emittern gehört. Durch Variation der Molekülstruktur lässt sich auch das vollständige Farbspektrum abdecken. Zu Beginn konnte man das volle Potenzial borhaltiger PAKs nur eingeschränkt nutzen, da die meisten Vertreter empfindlich gegenüber Luft und Feuchtigkeit sind. Dieses Problem tritt bei dem in Abbildung 1 dargestellten Farbstoff nicht auf, da die Boratome durch sperrige Seitengruppen wie in einem Käfig vor dem Angriff von Sauerstoff oder Wasser geschützt sind. Somit erfüllen bordotierte Nanographene die entscheidenden Kriterien für ein vielversprechendes OLED-Material.
Welches Entwicklungspotenzial besteht für die Zukunft? Transparente OLEDs wären in Windschutzscheiben von Autos integrierbar, wo sie vor Staus oder Gefahren warnen und den Weg weisen könnten. Für künftige Generationen von Smartphones und Tabletcomputern wird an flexiblen Foliendisplays geforscht, die sich platzsparend einrollen lassen, wenn die Geräte nicht im Gebrauch sind (Abb. 4). Denkbar sind auch leuchtende Tapeten, deren Farbtönung an die Stimmung des Bewohners angepasst werden kann und die auch als Heimkino nutzbar sind. OLEDs können in naher Zukunft neue Möglichkeiten eröffnen, die heute noch nach Science-Fiction klingen. Die chemische Forschung wird dazu ihren Beitrag leisten.
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Die Autoren
Valentin Hertz, Jahrgang 1989, studierte Chemie an der Goethe-Universität Frankfurt. Zurzeit fertigt er seine Dissertation zum Thema »Synthese und Eigenschaften π-konjugierter Arylborane« an. Sowohl in diesem Zusammenhang als auch darüber hinaus interessiert er sich für neue Entwicklungen in Wissenschaft und Technik. valentin.hertz@chemie.uni-frankfurt.de
Prof. Dr. Matthias Wagner, Jahrgang 1965, studierte Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach einem Postdoktorat an der Oxford University habilitierte er sich an der Technischen Universität München. Seit 2000 ist er Professor für metallorganische Chemie an der Goethe-Universität. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Entwicklung optoelektronischer Materialien und die Homogene Katalyse. Beiden Themengebieten gemeinsam ist die Suche nach neuen energie- und ressourcenschonenden Technologien. matthias.wagner@chemie.uni-frankfurt.de
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Der Artikel ist erschienen in „Forschung Frankfurt“ 2-2015: „Organische Leuchtdioden. Die Tapete als Heimkino?„