Prof. Sabine Andresen über ihr deutsch-israelisches Masterseminar

Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist ein globales Phänomen. Das seit 2017 jährlich angebotene Masterseminar setzt bei der Frage an, wie in Deutschland und Israel mit Gewalt insbesondere in Familien umgegangen wird. Welche gesellschaftlichen und fachlichen Antworten auf Gewalterleben der Jüngsten wurden und werden bislang gefunden, wie wird betroffenen Kindern geholfen und wie wird in Deutschland und Israel versucht, Gewalt zu verhindern? Das sind auch zentrale Fragen der Forschung, die durch die COVID-19-Pandemie noch einmal an Brisanz gewonnen haben. Im Rahmen des deutsch-israelischen Masterseminars verbringen zwölf Studierende – Master Erziehungswissenschaft aus Frankfurt – und zwölf Studierende – Master Social Work oder Social Management der Hebrew University in Jerusalem – eine Woche gemeinsam in Israel und eine Woche in Frankfurt. Sie lernen, sich über Vorkommen, Ursachen und Folgen von Gewalt in Erziehungsverhältnissen zu verständigen und diese auch in die jeweilige Gesellschaft und deren Geschichte einzuordnen. Neben Lektüre, Vorträgen und Diskussionen mit klassischem Seminarcharakter werden soziale Einrichtungen besucht. Deren jeweilige Vorgehensweise und Zielsetzung wird von Fachkräften vorgestellt und die Studierenden reflektieren Reichweite und Grenzen solcher Angebote. Ein thematischer Schwerpunkt liegt auf sexueller Gewalt und den in Deutschland und Israel ähnlich arbeitenden Unabhängigen Kommissionen zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.

Besuch des Seminars »Child Maltreatment and Social Services«: Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff verschaffte sich selber einen Eindruck von der kommunikativen und offenen Atmosphäre im Masterseminar von Prof. Sabine Andresen (Goethe-Universität) und Prof. Asher Ben-Arieh (Hebrew University). Die Studierenden beider beteiligten Universitäten berichteten von ihren wertvollen Erfahrungen in zahlreichen sozialen Einrichtungen, auch über die Unterschiedlichkeit der sozialen Systeme in Israel und Deutschland. »Auch auf Grundlage dieser Reflexionen können die jungen Menschen an Ideen für eine kindgerechte Betreuung mitarbeiten«, betonte Schleiff bei seinem Besuch.

Folgende Ziele verbinden wir mit diesem Lehrangebot:

Erstens ist aus der Forschung bekannt, dass sich Fachkräfte in Kindertagesstätten, Schulen, aber auch in der Kinder- und Jugendhilfe vielfach allein und hilflos fühlen. Darum sind Netzwerke für den Umgang mit Verdachtsfällen, für die bestmögliche Unterstützung betroffener Kinder und Jugendlicher und die Aufarbeitung von Grenzverletzung und Gewalt zentral. Im Rahmen des Seminars sollen die Studierenden starke Netzwerke als Ressource kennenlernen, vor Ort und länderübergreifend.

Zweitens lernen die Studierenden aus dem jeweiligen Land Einrichtungen, deren Angebot und Herausforderungen kennen und dies soll ihnen künftig auch vor Ort eine Orientierung bieten. Sie schärfen ihren Blick auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen und fachlichen Antworten auf das Phänomen Gewalt in Erziehungs- und Sorgeverhältnissen, diskutieren Gemeinsames, aber auch Unterschiede zwischen und innerhalb der Länder.

Drittens ist im Seminarprogramm die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und ihrer Bedeutung für Herausforderungen der Gegenwart und Fragen der Generationengerechtigkeit vorgesehen. In Jerusalem besuchen die Studierenden die internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem und befassen sich insbesondere mit den Zeugnissen über und dem Gedenken an Kinder und Jugendliche. In Frankfurt wird die Gedenkstätte der jüdischen Sozialarbeiterin und Theoretikerin für Soziale Arbeit, Bertha Pappenheim, in Neu-Isenburg besucht. Pappenheim, eine bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts sichtbare Kämpferin gegen Sex Trafficking, führte dort eine Einrichtung für jüdische ledige Frauen und deren Kinder. Hier wurden bis 1938 vielen Menschen, wie die Großmutter von Hamutal Ben-Arieh, professionell unterstützt.

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