»Die Visa-Einschränkungen fühlten sich schon ein bisschen wie eine Kriegserklärung an«

Stimmungsbild von der Jahreskonferenz der NAFSA: Association of International Educators

Ende Mai reisten Dr. Johannes Müller, Leiter des Global Office (GO), und Cathrin Rieger, die im GO die Gruppe Internationale Hochschulpartnerschaften leitet, zur NAFSA Annual Conference nach San Diego. Am Eröffnungstag des Networking-Events für Expert*innen der internationalen Hochschulzusammenarbeit und des Studierendenaustauschs kündigten die USA neue Visa-Einschränkungen an. Im Interview berichten sie von ihrer Reise und geben eine Einschätzung, inwieweit die Entwicklungen wissenschaftliche Kooperation und Freiheit beeinflussen.

UniReport: Frau Rieger, Herr Müller, welche Ziele haben Sie auf der NAFSA verfolgt?

Cathrin Rieger (C.R.): Partnerschaftspflege und -anbahnung sowie Networking mit den globalen Peers – also den Menschen, die Studierendenaustausche und Partnerschaften an Universitäten weltweit organisieren, verantworten und weiterentwickeln. Die NAFSA bringt Profis aus aller Welt zusammen, dieses Mal um die 8000 Teilnehmende.

Dr. Johannes Müller (J.M.): Ich durfte zudem an zwei Panels teilnehmen. Gemeinsam mit Kolleg* innen der Tel Aviv University habe ich eine Session zu „Internationalization in Times of Crisis“ mitgestaltet und saß zudem als Redner im „Symposium on Leadership: Today’s Refugees, Tomorrow’s Students and Changemakers“ – ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt und in dem sich die Goethe- Universität immer schon stark engagiert hat.

Hotel del Coronado © Joahnnes Müller
Knapp 4 Kilometer entfernt vom San Diego Convention Center (unten), dem Ausrichtungsort der diesjährigen NAFSA, liegt das Hotel del Coronado, bekannt aus dem Klassiker »Manche mögen’s heiß«. Die Ankündigung der Visa-Restriktionen am Eröffnungstag der Messe heizte die Stimmung merklich auf: »Für die Konferenzteilnehmenden fühlte es sich ein bisschen wie eine Kriegserklärung an.« © Johannes Müller
San Diego Convention Center © Johannes Müller
© Johannes Müller

Am Tag der Konferenzeröffnung wurden neue Einschränkungen für Studierenden-Visa erlassen, darunter die Aussetzung von Visa- Interviews. Darüber hinaus wurde ein vollständiges Einreiseverbot für Staatsangehörige aus 12 Ländern sowie ein beschränkter Einreisestopp für Staatsangehörige 7 weiterer Länder beschlossen. Wie wurde diese Nachricht aufgenommen?
[Red: Das Gespräch fand am 11. Juni 2025 statt. Die Einschränkungen für Studierenden-Visa wurden seither wieder relativiert und fokussieren sich auf die Social-Media- Profile der antragsstellenden Studierenden.]

J.M.: Das Timing war schon äußerst interessant – für die Konferenzteilnehmenden fühlte es sich ein bisschen wie eine Art Kriegserklärung an.

C.R.: Natürlich waren die Einschränkungen eines der bestimmenden Themen – je nach Session und Gesprächspartner*in haben sie die Stimmung entweder überschattet oder aufgeheizt. Trotzdem hatte ich das Gefühl, niemand wollte sich dieses wichtige und intensiv vorbereitete Treffen verderben lassen. Immer wieder spürten wir diesen Spirit von „Jetzt erst recht!“. Allgemein versuchen US-Kolleg*innen, trotz oder gerade wegen der unsicheren Lage weiterhin alles im Bereich internationale Studierendenmobilität möglich zu machen und weiterzudenken, in der Hoffnung, dass sich die Situation wieder bessert. Ob sich dieser so typisch amerikanische Optimismus, der oft mit einer „Let’s get it done“-Mentalität einhergeht, durchsetzen kann – und wie –, das werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.

Es gibt Stimmen, die für ein aktives Abwerben von amerikanischen Forschenden und potenziellen internationalen Studierenden eintreten. War dies auch Thema auf der NAFSA?

C.R.: Meiner Wahrnehmung nach gibt es in der internationalen Hochschulzusammenarbeit und insbesondere unter Partnern eine gewisse Grundhaltung, dass man einander nicht schadet und eine schwierige Lage beispielsweise durch ein aggressives „Wegrekrutieren“ ausnutzt. Gleichzeitig gibt es in vielen Ländern Forschende und potenzielle Studierende, die eigentlich in die USA wollten, sich jetzt aber anderweitig orientieren. Das eröffnet natürlich Möglichkeiten für europäische Universitäten, aber hier sollte man mit Fingerspitzengefühl vorgehen.

J.M.: US-Forschende in großem Stil nach Deutschland zu holen, kann nicht Aufgabe einer einzelnen Universität sein. Wir haben weder ein entsprechendes Rekrutierungsoder Willkommensprogramm, noch wissen wir angesichts der unsicheren finanziellen Lage und der Verhandlungen um den Hessischen Hochschulpakt, wie es um unsere finanzielle Zukunft gestellt ist.

Trotz ihrer erratischen Ankündigungsform werden die derzeitigen Entwicklungen langfristige Auswirkungen auf die wissenschaftliche Zusammenarbeit und die Wissenschaftsfreiheit haben.

J.M.: Der direkte wissenschaftliche Austausch ist von den Visa-Regelungen nicht betroffen. Hier haben sich die Spielregeln unter Trump 2.0 so gut wie gar nicht verändert, wenn man davon absieht, dass Staatsangehörige diverser Länder nicht mehr in die USA einreisen dürfen. Da Deutschland nicht dazugehört, ist unser bilaterales Verhältnis nicht betroffen.

Trotzdem gibt es eine neue inhaltliche Dimension – nämlich den Ausschluss gewisser Themen, um staatliche Fördermittel zu erhalten. Klimaforschung sowie minderheitsbezogene Sozialforschung und Rechtswissenschaft werden von der Trump-Administration nicht mehr unterstützt und müssen somit künftig andernorts vorangetrieben werden.

Die Vorgaben der Trump-Regierung wirken sich indirekt auch auf unsere Förderung amerikanischer Forschungsvorhaben aus. Während in den USA Aspekte von DEI – diversity, equity, inclusion – ein Ausschlusskriterium für staatliche Förderung sind, kann bei uns kein Antrag ohne die Berücksichtigung von DEI gestellt werden. Diese Vorgaben gelten für jedwede Forschung, auch an Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz. Das dürfen, können und wollen wir nicht ändern, aber es bedeutet im Gegenzug, dass wir amerikanische Partner nur eingeschränkt mit an Bord nehmen können.

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