46. Römerberggespräche: Demokratie braucht Streit – aber richtig

„Die neue Lust an der Zerstörung“ ist am 3. November 2018 das Thema der Kooperationsveranstaltung mit dem Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ im Schauspiel Frankfurt.

Shitstorms, Hate Speech, Schmähkritik: Wo gestern noch mit harten Bandagen argumentiert wurde, geht’s heute direkt unter die Gürtellinie. Das vergiftet nicht nur das private Miteinander, sondern wirkt sich auch auf die Politik und den gesellschaftlichen Zusammenhalt aus – wenn nicht streitbar gegensteuert wird. „Die neue Lust an der Zerstörung – oder wie die Demokratie ihre Fassung bewahrt“ heißt die mittlerweile 46. Auflage der Römerberggespräche am 3. November im Schauspiel Frankfurt. Von 10 Uhr bis zum frühen Abend beschäftigen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik mit dem Streit und wie man ihn produktiv einsetzen kann. Die interessierte Öffentlichkeit ist bei freiem Eintritt herzlich willkommen.

Das öffentliche Klima wird derzeit nicht nur rauer. In Gesellschaft und Politik scheint sich geradezu eine neue Lust an der Zerstörung breitzumachen. International und national, digital und analog, rechts und links gilt: Lieber vor einem Scherbenhaufen stehen als sich in das Korsett der hergebrachten Ordnung zwängen zu müssen. Der destruktive Charakter eines Donald Trump erscheint plötzlich als normsetzendes Vorbild. Die aktuellen Römerberggespräche im Chagallsaal des Schauspielhauses, ausgerichtet in Kooperation mit dem Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität, gehen unter anderem diesen Fragen nach: Was steckt hinter der Lust am gezielten Tabubruch? Wie sollen Gesellschaft und Politik mit der Radikalisierung und auch Emotionalisierung umgehen? Lassen sich Wut, Empörung und Hass in Dialogbereitschaft überführen?

Insgesamt stehen fünf Vorträge und eine Podiumsdiskussion auf dem Programm. Die Moderation hat Alf Mentzer vom Hessischen Rundfunk. Nach der Eröffnung spricht um 10.15 Uhr Nicole Deitelhoff, Politikprofessorin an der Goethe-Universität, Mitglied des Exzellenzclusters und Direktorin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. „Demokratie braucht Streit!“, so lautet die These ihres Vortrags mit dem Untertitel „Zur integrativen Kraft gesellschaftlicher Konflikte“. Abgesehen von einem natürlich kritisch zu sehenden Verfall der Debattenkultur stehe Streit, so Deitelhoff, nicht im Widerspruch zu einer demokratischen Vorstellung gesellschaftlichen Zusammenhangs, sondern sei vielmehr für sie konstitutiv.

Um 11.15 Uhr analysiert Thorsten Thiel den „Unruheherd digitale Öffentlichkeit“. Der Politikwissenschaftler leitet die Forschungsgruppe „Digitalisierung und Demokratie“ am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft in Berlin und ist Research Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Neben den Gefährdungspotenzialen der digitalen Transformation nimmt das assoziierte Mitglied des Clusters auch die Handlungsoptionen demokratischer Politik in den Blick.

„Die neue Lust an Gefühlen“ lautet um 12.15 Uhr das Thema der Historikerin Ute Frevert, Direktorin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und dort Leiterin des Forschungsbereichs „Geschichte der Gefühle“. Die neue Lust an der Zerstörung, so ihre These, sei auch eine Lust an zerstörerischen Gefühlen. Demütigung werde zur politischen Waffe.

Um 14.15 Uhr, nach der Mittagspause, spricht Christoph Möllers, Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin, über „Strategische oder prinzipiengeleitete Kommunikation: Das Grundgesetz und die Grenzen der Verhandelbarkeit“. In der politischen Kommunikation bedürfe es, so Möllers, zum einen einer emotionalen Distanzierung gerade auch von den Anliegen, die man selbst für besonders wichtig hält, und zum anderen einer genaueren Überlegung, wann rein strategische Reaktionen auf fundamentale Herausforderungen besser geeignet erscheinen, die Auseinandersetzung weiter zu bringen.

Das Podiumsgespräch um 15.15 Uhr trägt den Titel „Eine Frage der Form. Von der Kunst der demokratischen Geselligkeit“. Hier wird nach den Manieren des politischen Diskurses gefragt. Welche Sprache ist ihm angemessen, gibt es so etwas wie eine demokratische Kultur hinsichtlich des öffentlichen Umgangs miteinander, und wenn ja, wie sollte diese aussehen? Die Diskutanten sind: Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen, Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin, und Till van Rahden, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Université de Montréal.

Rainer Forst, Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Goethe-Universität, hält um 16.30 Uhr den abschließenden Vortrag „Zwei schlechte Hälften ergeben kein Ganzes. Zur Krise der Demokratie“. Die eine Hälfte, so der Co-Sprecher des Clusters, pervertiere die Demokratie, indem sie diese zu einem Herrschaftsinstrument für Gruppen mache, die sich zum wahren Volk erklären, die andere setze auf nationale Lösungen einer politischen Neuordnung der globalen Ökonomie. Die Demokratie, als Praxis der Gerechtigkeit, sei aber nur auf transnationaler Ebene wieder herstellbar.

Die Frankfurter Römerberggespräche bestehen seit 1973 in ununterbrochener Folge und sind eine feste Institution der Debattenkultur in Deutschland. Vorsitzender des Trägervereins Römerberggespräche e.V. ist Miloš Vec, Professor für Rechts- und Verfassungsgeschichte an der Universität Wien und seit 2013 assoziiertes Mitglied des Clusters.

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Programm: www.roemerberggespraeche-ffm.de | www.normativeorders.net/de/roemerberggespraeche

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Quelle: Pressemitteilung vom 26. Oktober 2018

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