Ein leises Surren liegt über dem Platz zwischen dem großen Hörsaalgebäude und dem Casino. Zwei junge Frauen schieben ihr Fahrrad vorbei, das ungewohnte Geräusch bemerken sie nicht. „Können Sie für uns nochmal in diese Richtung laufen?“, fragt Silke Klose-Klatte die beiden Studentinnen. Es ist einfach schöner, wenn alles wie im richtigen Leben ausschaut.
Die beiden sind einverstanden, drehen noch eine Runde, und zum dritten Mal an diesem Vormittag erhebt sich das seltsame Flugobjekt mit den sechs Rotoren in die Luft und nähert sich Moderator Kurt Lotz, der sich locker am künstlichen See postiert hat. Während in Berlin die Politik über Drohnen beim Militär diskutiert, sind sie beim Hessischen Rundfunk schon längst im Einsatz.
Allerdings bestückt mit einer winzigen Kamera, die Bilder aus einem Blickwinkel liefern soll, den diese neue Technik erst ermöglicht. „Unsere Abteilung hat voriges Jahr angefangen, mit Drohnen zu arbeiten“, sagt Redakteurin Heidi Lange. Damit gebe es ganz neue Perspektiven. Dass immer noch alles ein bisschen neu und aufregend ist, das merkt man dem Fernsehteam, das an diesem Morgen am Campus Westend filmt, durchaus an.
„Abendfüllendes Thema“: die Geschichte der Goethe-Universität
Gedreht wird ein Film zum 100-jährigen Bestehen der Goethe-Universität, ein 45-Minüter, den der Hessische Rundfunk auf dem Höhepunkt der Feierlichkeiten im Oktober ausstrahlen wird. Ein echtes Großprojekt, sagt Autorin Silke Klose-Klatte. Schon im März hat sie mit der Recherche begonnen und schnell gemerkt:
100 Jahre Universitätsgeschichte wären eigentlich ein „abendfüllendes Thema“. Eine historische Revue zeigen und zugleich ein Gefühl für die Uni vermitteln, wie sie heute ist – diese Aufgabe hat sich Klose-Klatte beim Verfassen des Drehbuchs gestellt. Im Archiv hat sie Material aus den 50er Jahren gefunden.
„Da sieht man, dass die Studenten damals schon dieselben Probleme hatten wie heute: Wohnungsnot und überfüllte Hörsäle“, sagt Klose-Klatte. Auch die Studentenbewegung hat natürlich ihren Platz im historischen Rückblick, mit Daniel Cohn-Bendit als einem der Wortführer der 68er. Um einen Eindruck von der heutigen Uni zu vermitteln, wurde insgesamt neun Tage lang gedreht – auf dem Campus Westend mit seinen ansehnlichen Gebäuden, auf dem Campus Riedberg, wo die Naturwissenschaften immer noch am Wachsen sind, und im Universitätsklinikum am Main in Niederrad.
Hier hat sich die Autorin dafür entschieden, die Anatomie und die Stiftung Carolinum vor die Kamera zu holen. Handelt es sich doch um zwei typische Beispiele dafür, wie die Universität durch die Aufnahme etablierter Einrichtungen in den Anfangsjahren rasch wachsen konnte. Da bohren künftige Zahnmediziner in den Gebissen von Dummy-Puppen, Humanmediziner in spe sezieren Leichen in der Anatomie – was, wie Klose-Klatte betont, mit dem gebotenen Respekt gefilmt wurde.
„Das war sehr spannend für das ganze Team“, sagt Klose-Klatte. Und natürlich kommen die heutigen Studierenden auch zu Wort, etwa die Mitarbeiter des Studierendenfernsehens UTV. „Ich finde das toll, wenn sich jemand neben seinem Studium noch so engagiert. Die heutigen Studenten haben ja viel mehr Druck als wir damals“, sagt Klose-Klatte, die selbst in den 80er Jahren in Frankfurt Kunstgeschichte studiert hat.
„Bei uns beruhte das Studium vor allem auf Selbstdisziplin, wir hatten sehr viel mehr Freiheiten“, sagt sie am Rande des Drehs. Dass sich auch sonst so einiges verändert hat seit den 80ern, das zeigen nicht zuletzt die Luftaufnahmen, die die Drohne von ihren Flügen über die verschiedenen Unigelände mitgebracht hat.
Moderator Kurt Lotz ist schon bei der Abmoderation. Während er noch einmal seine „letzten Worte“ spricht, setzt der Steuermann die Drohne erneut via Fernbedienung in Bewegung. Sie fliegt auf Lotz zu, schwenkt dann nach oben, fliegt hoch und höher, um einen freien Blick zu haben auf die Frankfurter Skyline.