Nachgefragt beim Philologen Hans Bernsdorff: Wie bildet man den richtigen Plural von Campus?

Campusse, Campus oder Campi? Der Duden empfiehlt die ersten beiden Varianten, doch das ist falsch, findet der Klassische Philologe Hans Bernsdorff, der nur Campi für richtig hält.

Wenn man in einem Text über Campus Westend, Campus Riedberg und Campus Niederrad spricht, wird man auf den Plural von Campus kaum verzichten können. Doch wie wird der gebildet? Gibt es verschiedene Varianten, welche ist die sprachwissenschaftlich korrekte? Nachgefragt im Institut für Klassische Philologie an der Goethe-Universität, erhält man eine klare Antwort: „Nur Campi kann die korrekte Form sein“, betont Prof. Dr. Hans Bernsdorff, der im Fachbereich Sprach- und Kulturwissenschaften zur griechischen und lateinischen Dichtung forscht. Die Wortverwendung Campus für Universitätsgelände stamme aus dem amerikanischen Englisch. Der erste Beleg datiere laut Oxford English Dictionary aus dem Jahre 1774, sagt Bernsdorff. In Deutschland lasse sich eine Verwendung erst für die 1960er Jahre nachweisen. „Der Hintergrund ist sicherlich die räumliche Expansion deutscher Universitäten in dieser Zeit.“

Wenn es eine offizielle Verwendung des Wortes Campus an der Goethe-Universität geben soll, müsse man auch klar regeln, welche Pluralform zu wählen sei. Im Englischen lautet er campuses. Vom Duden, nach wie vor eine der Autoritäten in Sachen Rechtschreibung und Grammatik, werden zwei Varianten vorgeschlagen: Campusse als umgangssprachliche Form und Campus. Bernsdorff ist mit beiden höchst unzufrieden, auch wenn er konzediert, dass das Thema nicht trivial sei. „Wenn man ein Fremdwort im Deutschen verwendet, ist natürlich nicht immer sofort klar, wie man davon den Plural bildet. Der Nominativ Plural von Examen lautet Examina, da orientiert man sich am Lateinischen. Bei Stipendium heißt es Stipendien – hier hat bereits eine Eindeutschung stattgefunden. Wer heute noch Stipendia sagte, klänge wohl sehr altmodisch“, erklärt Bernsdorff.

Campus als Plural, wie vom Duden vorgeschlagen, sei aber höchst problematisch, führt Bernsdorff aus. Denn zum einen sei der Plural hier gewissermaßen unsichtbar (Pluralformen auf -us seien im Deutschen generell sehr ungewöhnlich, auch wenn es wie im Falle von Computer oder Ananas solche unmarkierte Pluralbildungen durchaus gebe) – es sei denn, man spräche das u in Campus lang wie bei den Pluralen Kasus und Status; das wäre aber falsch, denn das Wort gehöre nicht zur U-Deklination (nach der die Plural-Endung auf us richtig wäre), sondern zur O-Deklination. Hier lautet die Plural-Endung ganz klar -i. Also spreche auch mit Blick auf die Ursprungssprache Latein alles für Campi. Der andere Vorschlag des Duden – Campusse – sei zwar nach Vorbild von Kaktus/Kaktusse gebildet. Dies lehnt der Klassische Philologe aber wegen der vom Duden selbst vermerkten Umgangssprachlichkeit ab, die nicht zu einer Bildungsinstitution wie der Goethe-Universität passe. Bernsdorff plädiert daher dafür, es endlich bei einer verbindlichen Pluralform zu belassen: „Das ewige Hin und Her nervt alle Beteiligten. Auch in der linguistischen Fachliteratur wird der Duden-Vorschlag von Campus als Plural übrigens kritisiert. Dagegen hat sich Campi nach meiner Beobachtung an vielen Universitäten und im Feuilleton, etwa dem der ZEIT, etabliert. Und so wird die Form Campi vom Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache als eine auch im Deutschen verbreitete Pluralbildung des Wortes verzeichnet.“

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 1/2022 (PDF) des UniReport erschienen. 

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