Ute Lewitzka ist Deutschlands erste Professorin für Suizidologie

Ein Suizid hinterlässt Trauer und viele Fragen. Warum? Hätte man es verhindern können? Ute Lewitzka kennt diese Fragen gut und sucht Antworten. Seit November 2024 ist sie Deutschlands erste Professorin für Suizidologie. An der renommierten Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Goethe-Universität erforscht sie, wie Suizide verhindert werden können. Ihr Ziel: Prävention verbessern, das Thema enttabuisieren.
Mehr Forschung, mehr Aufklärung, gesellschaftlicher Wandel: »Suizidalität ist kein unausweichliches Schicksal. Wir können etwas tun«, sagt Ute Lewitzka. Sie spricht auch mit der Erfahrung als Oberärztin der psychiatrischen Akutstation am Dresdner Universitätsklinikum. Jährlich sterben in Deutschland über 10.000 Menschen durch Suizid – mehr als doppelt so viele wie bei Verkehrsunfällen. Die Dunkelziffer ist unbekannt und es gibt weiterhin große Wissenslücken. Dennoch dauerte es Jahre, bis eine Professur für Suizidologie eingerichtet wurde. »Wir müssen verstehen, warum Menschen diesen Weg wählen – und was sie davon abhalten kann«, betont sie die Bedeutung der neuen Professur.
Suizidprävention braucht Wissen
Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Datenerfassung: »Je mehr wir über Ursachen und Risikofaktoren wissen, desto besser können wir handeln.« In Sachsen hat Lewitzka erfolgreich ein Modellprojekt mit Notrufleitstellen aufgebaut, um Suizidversuche systematisch zu erfassen. Ähnliche Strukturen möchte sie nun im Rhein-Main-Gebiet etablieren. »Nur mit fundierten Zahlen können wir gezielt Maßnahmen entwickeln und Schwachstellen im Hilfesystem erkennen«, erklärt sie.
Lewitzka setzt auf konkrete Maßnahmen zur Suizidprävention. »Wir wissen längst, welche Strategien wirken«, betont sie. Dazu zählen die Methodenrestriktion – also der erschwerte Zugang zu suizidgefährlichen Mitteln –, der Ausbau von Krisendiensten und gezielte Aufklärung. Als erfolgreiche Beispiele nennt sie das Suizidpräventionsprojekt FLASH der Polytechnischen Gesellschaft an Frankfurter Schulen. Es sensibilisiert Jugendliche für Warnsignale. Ebenso wichtig: die Fortbildungseinrichtung Tomoni Mental Health. Sie bietet Schulungen zur Früherkennung suizidgefährdeter Menschen an. »Schon ein dreistündiger Workshop kann helfen, dass junge Menschen sich oder anderen in Krisen eher Hilfe holen«, erklärt Lewitzka. Sie betont: Entscheidend sei die wissenschaftliche Begleitung solcher Programme. Ein weiterer Baustein ist die Zusammenarbeit mit Polizei und Rettungsdiensten. In Sachsen konnten durch sogenannte Heatmaps Suizid-Hotspots identifiziert werden. Als Nächstes steht nun an, die beteiligten Verantwortlichen von den notwendigen Schritten zu überzeugen »Sicherungsmaßnahmen an Brücken oder Bahnhöfen retten Leben«, betont Lewitzka. Zudem ist es enorm wichtig, dass Hausärzte besser geschult werden, um suizidale Menschen frühzeitig zu erkennen.
Langfristiges Ziel: Ein nationales Zentrum
Trotz aller Fortschritte fehlt in Deutschland ein zentrales Institut für Suizidprävention. Lewitzka will das ändern. Ihr Ziel: ein Deutsches Zentrum für Suizidprävention, das Forschung, Aufklärung und Praxis bündelt. »Andere Länder haben längst solche Strukturen – Deutschland hinkt hinterher«, sagt sie. Die neue Professur ist ein wichtiger Schritt, doch Lewitzka denkt weiter: »Wenn wir Wissen bündeln und gezielt handeln, können wir viele Leben retten.« Mit unermüdlichem Engagement kämpft sie für dieses Ziel. Für Ute Lewitzka steht fest: Suizidalität sollte kein Tabuthema sein, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe. »Jeder kann helfen – durch offenes Zuhören, den Abbau von Vorurteilen oder politische Unterstützung für Präventionsmaßnahmen.«
Autorin: Heike Jüngst