Wo Wissenschaft Kontinente verbindet

Einblicke in das Forschungszentrum Point Sud in Mali

Das Forschungszentrum Point Sud in Bamako, Mali, ist eine internationale Begegnungsstätte und ein Thinktank. Getragen von der Goethe- Universität, treffen hier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Afrika, Europa und anderen Teilen der Welt zusammen, um voneinander zu lernen. Im Mittelpunkt stehen die Erforschung und Nutzung lokalen Wissens für globale Herausforderungen wie nachhaltige Landwirtschaft und Gesundheit. Gleichzeitig wird die Entwicklungszusammenarbeit kritisch hinterfragt. Ziel ist es, wissenschaftliche Kooperationen zu stärken, Forschungskapazitäten aufzubauen und den Dialog zwischen Nord und Süd zu fördern – ein Gewinn für die globale Wissenschaftsgemeinschaft.

Mitten im Botschaftsviertel von Bamako, unweit des mächtigen Flusses Niger, liegt das zweistöckige Forschungszentrum Point Sud. Gegründet 1997 von Professor Mamadou Diawara, hat sich dieser von der Goethe-Universität finanzierte Ort zu einem einzigartigen Treffpunkt für Wissenschaftler aus aller Welt entwickelt. »Unsere Vision war es, einen Ort zu schaffen, an dem afrikanische und internationale Wissenschaftler auf Augenhöhe zusammenarbeiten können«, erklärt Mamadou Diawara. »Heute sehen wir die Früchte dieser Bemühungen – ehemalige malische Stipendiaten lehren heute als Professoren an Universitäten im In- und Ausland.« Diawara selbst bekleidet seit 2004 eine Professur am Institut für Ethnologie an der Goethe-Universität.

Begegnungsstätte für globalen Wissensaustausch

In den hellen Konferenzräumen von Point Sud treffen sich Forscherinnen und Forscher, um ihre Erkenntnisse zu teilen. Für viele malische Wissenschaftler bietet das Zentrum eine wertvolle Infrastruktur – besonders die zuverlässige Internetverbindung wird geschätzt. Ein reger Austausch entsteht, nicht selten bei einem Glas süßem grünem Tee im schattigen Innenhof, wo sich Studierende und renommierte Forscher gleichermaßen einfinden.

Wagnis mit großer Wirkung: Internationale Konferenzreihe

2008 wurde eine noch ehrgeizigere Idee geboren: Eine jährliche internationale Konferenzreihe sollte in Bamako stattfinden, um die Afrikaforschung stärker auf dem Kontinent selbst zu verankern. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Goethe-Universität sicherten eine erste Förderphase (2009– 2013) zu, und das Programm Point Sud nahm seinen Lauf. Die erste Ausschreibung löste Aufregung und Spannung aus – würden sich genügend Wissenschaftler für eine Konferenz in Mali begeistern lassen? Der Mut wurde belohnt: Elf Anträge gingen ein, vier Workshops wurden genehmigt. Doch der Weg war nicht frei von Rückschlägen. Im Jahr 2012, als sich das Programm gerade etabliert hatte, erschütterte ein Militärputsch das Land. »Wir standen plötzlich vor der Herausforderung, die Treffen nicht mehr in Bamako abhalten zu können«, erinnert sich Mamadou Diawara. »Doch anstatt das Programm einzustellen, beschlossen wir, ein Netzwerk mit Forschungseinrichtungen in anderen afrikanischen Ländern aufzubauen.«

Wachsendes Netzwerk über Sprach- und Landesgrenzen hinweg

2014 ist das Netzwerk Realität. Heute gehören ihm neun Partnerinstitute aus Mali, Senegal, Niger, Burkina Faso, Ghana, Gabun, Mosambik und Südafrika an. Ein entscheidender Aspekt des Programms ist es, die durch die koloniale Vergangenheit geprägten sprachlichen und wissenschaftlichen Grenzen zu überwinden. »Das Besondere an Point Sud ist, dass hier frankofone, anglofone und lusofone Forscher zusammenkommen und gemeinsam an globalen Fragestellungen arbeiten«, erklärt Dr. Marko Scholze, Koordinator des Programms. Seit seiner Gründung wurden im Rahmen des Programms 98 Konferenzen und Workshops mit über 2.500 Teilnehmern organisiert. Das Themenspektrum reicht von Migration über ökologische Gerechtigkeit bis hin zu zeitgenössischem Tanz. An den Veranstaltungen nehmen neben Wissenschaftlern auch politische Aktivisten, Künstler und staatliche Vertreter teil. Oft gibt es Exkursionen mit Praxisbezug – sei es das Pflanzen von Setzlingen auf einer südafrikanischen Farm oder Bewegungsstudien mit einem burkinischen Choreografen.

Zukunftsweisende Perspektiven

Ein wichtiger Meilenstein wurde 2023 erreicht: Erstmals waren mehr als die Hälfte der Teilnehmer (52 Prozent) Frauen. »Diese Entwicklung zeigt, dass unser Engagement für die Gleichstellung in der Wissenschaft Früchte trägt«, sagt Marko Scholze mit sichtlichem Stolz. »Point Sud hat bewiesen, dass Afrika nicht nur Forschungsobjekt ist, sondern auch ein Ort, an dem Forschung initiiert und durchgeführt wird.« Mit rund 30 neuen Anträgen für Workshops pro Jahr ist das Interesse an dem Programm ungebrochen. Seit April 2023 steht Professor Mirco Göpfert von der Goethe-Universität an der Spitze des Programms und setzt sich mit Nachdruck für eine fünfte Förderperiode (2026– 2029) ein. »Es gibt noch viel zu tun. Point Sud ist ein Beispiel dafür, wie Wissenschaft globale Kooperationen fördern und Horizonte erweitern kann«, betont Göpfert. »Wir stehen am Anfang einer neuen Phase – und ich bin überzeugt, dass die Zukunft noch viele inspirierende Entwicklungen bereithält.« Mit der uneingeschränkten Unterstützung der Goethe-Universität und der DFG bleibt Point Sud ein leuchtendes Beispiel für eine transkontinentale Forschungskooperation, die den Dialog zwischen Nord und Süd weiter stärkt und neue wissenschaftliche Impulse setzt.

Autoren: Marko Scholze und Heike Jüngst

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