Analyse von Partikeln des Asteroiden Ryugu liefert überraschende Ergebnisse

Der Asteroid Ryugu aus 20 Kilometern Entfernung, aufgenommen von der Raumsonde Hayabusa 2. Foto: JAXA, University of Tokyo, Kochi University, Rikkyo University, Nagoya University, Chiba Institute of Technology, Meiji University, University of Aizu and AIST

Eine kleine Landekapsel brachte im Dezember 2020 Bodenpartikel vom Asteroiden Ryugu zur Erde – Material aus den Anfängen unseres Sonnensystems. Gesammelt hatte die Proben die japanische Raumsonde Hayabusa 2. Geowissenschaftler Prof. Frank Brenker und sein Team von der Goethe-Universität Frankfurt gehörten zu den weltweit ersten Forschenden, die die wissenschaftlich kostbaren Proben wortwörtlich durchleuchten durften. Dabei entdeckten sie Bereiche mit starker Anreicherung von Seltenen Erden und unerwartete Strukturen. Darüber berichten sie als Teil einer internationalen Forschungskooperation jetzt im Wissenschaftsmagazin Science (DOI 10.1126/science.abn8671).

Das Team um Frank Brenker ist weltweit führend in einer Methode, die es erlaubt, vollkommen zerstörungsfrei und ohne aufwendige Probenvorbereitung Material in allen drei Raumrichtungen auf seine chemische Zusammensetzung hin zu untersuchen – und zwar mit einer Auflösung von weniger als 100 Nanometern. Die Auflösung gibt den kleinsten wahrnehmbaren Unterschied zwischen zwei Messwerten an. Der ausführliche Name der Methode lautet „Synchrotron Radiation induced X-Ray Fluorescence Computed Tomography“, kurz SR-XRF-CT.

Japan hatte Ryugu (deutsch: Drachenpalast) als Ziel einer Sonde ausgewählt, weil es sich um einen Asteroiden handelt, der wegen seines hohen Kohlenstoffgehalts versprach, besonders viele Informationen über die Entstehung des Lebens in unserem Sonnensystem zu liefern. Die Analysen der Forschenden unter Beteiligung der Frankfurter Wissenschaftler an 16 Partikeln zeigen nun, dass Ryugu aus CI-Material besteht, das in seiner chemischen Zusammensetzung der Sonne äußerst ähnlich ist. Von diesem CI-Material wurde bisher auf der Erde nur selten etwas gefunden – Material, von dem unklar war, wie stark es durch den Eintritt in die Erdatmosphäre sowie den Aufprall auf der Erde verändert oder verunreinigt wurde. Außerdem bestätigen die Analyse die Annahme, dass Ryugu von einem Mutterasteroiden stammt, der sich im äußeren Sonnennebel bildete.

Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass es bedingt durch die niedrigen Temperaturen bei der Entstehung des CI-Materials in der Frühzeit des Sonnensystems kaum Materialtransport innerhalb des Asteroiden gab und damit auch kaum eine Chance für die massive Anreicherung von Elementen. Die Frankfurter Forschenden fanden jedoch mittels SR-XRF-CT in einem der Körner des Asteroiden eine feine Ader aus Magnetit – einem Eisenoxid-Mineral – und Hydroxylapatit, einem phosphathaltigen Mineral. Andere Wissenschaftler-Gruppen ermittelten, dass sich die Struktur und andere Magnetit-Hydroxylapatit-Bereiche in den Ryugu-Proben bei einer überraschend niedrigen Temperatur von unter 40 Grad Celsius gebildet haben müssen. Diese Erkenntnis ist wesentlich für die Interpretation nahezu aller Ergebnisse, die die Untersuchung der Ryugu-Proben erbracht haben und noch erbringen werden.

Das Team von Frank Brenker wies in Hydroxylapatit-haltigen Bereichen der Proben zudem Metalle der Seltenen Erden nach – eine Gruppe von chemischen Elementen, die heutzutage unter anderem für Legierungen und Gläser in High-Tech-Anwendungen unentbehrlich ist. „Die Seltenen Erden kommen in dem Hydroxylapatit des Asteroiden in 100-fach höheren Konzentrationen vor als sonst im Sonnensystem“, sagt Brenker. Zudem seien alle Elemente der Seltenen Erdmetalle in dem Phosphat-Mineral in gleichem Maße angereichert – auch das ist ungewöhnlich. „Diese gleiche Verteilung der Seltenen Erden liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass Ryugu ein sehr ursprünglicher Asteroid ist, der die Anfänge unseres Sonnensystems repräsentiert“, ist Brenker überzeugt.

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass Forschende der Goethe-Universität Frankfurt Proben der Hayabusa-2-Mission untersuchen durften: Immerhin hat Japan diese Weltraummission komplett in eigener Regie gestaltet und laut Angaben aus dem Jahr 2010 dafür 123 Millionen Euro aufgewendet. Daher möchte das Land jetzt auch einen großen Teil der wissenschaftlichen Ernte einfahren. Doch auf die Expertise der deutschen SR-XRF-CT-Experten mochte Japan dann doch nicht verzichten.

Publikation: T. Nakamura et.al. Formation and evolution of Cb-type asteroid Ryugu: Direct evidence from returned samples Science (2022) https://doi.org/10.1126/science.abn8671

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