Center for Leadership and Behavior in Organizations (CLBO) feiert 10-jähriges Bestehen

Prof. Roy Baumeister (5. v. l.) zu Gast beim CLBO. (Foto: CLBO)

Im Jahr 2021 kann das Center for Leadership and Behavior in Organizations (CLBO) bereits auf eine zehnjährige Geschichte zurückblicken: „Das praxisorientierte Forschungsinstitut der Goethe-Universität vereint Wissenschaftler*innen der Ökonomie, Psychologie und Soziologie, die interdisziplinär zu Themen des Human Resource Management forschen, lehren und beraten“, erklärt Dr. Antonia Kaluza, Managing Director des CLBO. Das CLBO bietet den beteiligten Forscher*innen ein inspirierendes Umfeld, das sich durch Diversität, kollegialen Austausch und produktive Energie auszeichnet. Der Fokus des CLBO liegt auf dem Erleben und Verhalten in Organisationen. Erforscht werden Einflussfaktoren von Leistung, Zufriedenheit und Gesundheit. Gearbeitet wird meist quantitativ, Befragungsmethoden werden mit experimenteller Forschung und der Analyse von Unternehmensdaten verbunden. Dies ermöglicht es, die immer komplexeren Fragestellungen des Human Resource Management mit verschiedenen Herangehensweisen zu analysieren. Als praxisorientiertes Forschungsinstitut kooperiert das CLBO mit zahlreichen Partnern aus der Praxis. Ziel ist es, den aktuellen Stand der Forschung für Unternehmen, Politik und öffentliche Einrichtungen nutzbar zu machen. Gleichzeitig ist ein Lernen von Partnern intendiert: Welche Fragestellungen sind für sie relevant, welche Erfahrungen haben sie in der Praxis gemacht? Dieser Austausch ist für beide Seiten von großem Nutzen und soll künftig auch weiter gefördert werden. Das Direktorium des CLBO besteht aus Wissenschaftler*innen der Goethe-Universität, umfasst Professuren der Ökonomie, Psychologie und Soziologie, die sich im Kern mit dem Thema Human Resource Management befassen.

Spannende Vorträge und Begegnungen

10 Jahre CLBO – was waren für die Direktor*innen persönlich die Highlights der ersten Dekade? Für Michael Kosfeld, Professor für BWL, insbesondere Organisation und Management, den Arbeits- und Organisationspsychologen Prof. Dieter Zapf und Guido Friebel, Professor für Personalwirtschaft, sind die Highlights die regelmäßigen Research Workshops, in dem alle ( Seniors und immer wieder neu dazukommende Juniors) aus Psychologie, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften ihre aktuelle Forschung präsentieren. Rolf van Dick, Professor für Sozialpsychologie und Vizepräsident für Internationalisierung, Nachwuchs, Gleichstellung und Diversity an der Goethe-Universität, denkt bei der Frage sofort an die Begegnungen mit seinen 40 Interviewpartner*innen: „Ob Dalai Lama, Günter Grass, Sahra Wagenknecht, Roman Herzog, Edzard Reuter, Petra Roth, Norbert Blüm oder Wolfgang Niedecken – jedes Gespräch, oft bei den Gesprächspartnern zu Hause, war ein Erlebnis.“ Wichtig war für ihn auch der Vortrag von Michael Gschwender vom Amerika Institut der LMU München, der am Vorabend der US-Wahlen 2016 den Zuhörer*innen half, den (späteren) Erfolg Donald Trumps zu verstehen und einzuordnen. Auch Heather Hofmeister, gebürtige US-Amerikanerin und Professorin für Arbeitssoziologie an der Goethe-Universität, ist nach wie vor vom Vortrag Gschwenders begeistert; sie denkt ebenso gerne an den Gastvortrag der renommierten Forscherin Prof. Alice Eagly von der Northwestern University, Evanston, USA, zurück, die über das Thema „Labyrinth statt Glass Ceiling“ referierte.

Über den Tellerrand blicken

Das CLBO versteht sich dezidiert als „interdisziplinäre Einrichtung“: Worin liegt für die Direktor*innen der wesentliche Vorteil einer solchen Forschungseinrichtung? Guido Friebel nennt als Vorteil, dass die eigene Forschung der kritischen, aber konstruktiven Diskussion von Kolleg*innen mit anderen Methoden unterzogen wird. Sein Kollege Michael Kosfeld sieht das Wesentliche im gemeinsamen Austausch, in der Kommunikation zwischen den Disziplinen. „Diese findet leider generell viel zu wenig statt, zum einen, weil es grundsätzlich schwierig ist, sich zu verstehen – andere Disziplinen nutzen andere Sprachen, andere Methoden, legen Wert auf andere Dinge etc. – zum anderen, weil es nur selten möglich ist, überhaupt Kontakt zu Forscher*innen aus anderen Disziplinen zu finden und dauerhaft aufzubauen.“ Das CLBO ist für Kosfeld so ein seltener Ort, an dem dies „auf wunderbare Weise gelingt“. Rolf van Dick nennt ein konkretes Projekt aus der Mikroökonomie, in dem es um Produktivitätssteigerungen durch finanzielle Anreize von Mitarbeiter*innen in Bäckereifilialen ging. „Wir Psycholog*innen haben das Projekt begleitet, durch Befragungen zu den sogenannten ‚weichen Faktoren‘ wie Arbeitszufriedenheit; Heather Hofmeister und ihr Team haben mit Interviews mit einzelnen Mitarbeiter* innen wieder eine ganz andere Perspektive hineingebracht. Schon die Planung der unterschiedlichen Forschungsansätze und dann der Austausch über die Ergebnisse waren Augenöffner!“

Für Heather Hofmeister kann Interdisziplinarität helfen, reichhaltigere Themen, bessere Fragen und bessere Antworten zu entwickeln. Konkret sei es enorm hilfreich, die Normen in verschiedenen Bereichen kennenzulernen. Sie nennt ein „dramatisches“ Beispiel aus der deutschen Wirtschaftswissenschaft: Dort sei es üblich, die Vortragenden während der Präsentation häufig mit Fragen und Kommentaren zu unterbrechen. „Das mag sich ‚lebendig‘ anfühlen, bringt aber den Zeitplan durcheinander und hat eine wettbewerbsorientierte Dimension, die den Lautesten, Schnellsten und Dominantesten den Raum füllen lässt, unter Ausschluss der anderen. Durch unsere interdisziplinären Treffen waren wir in der Lage, solche Eigenheiten zu identifizieren, sie zu diskutieren, Bewusstsein zu schaffen und uns für eine größere Vielfalt von Stilen zu öffnen. Doktorand*innen in meinem Fachgebiet der Soziologie haben sich besser auf interdisziplinäre Konferenzen oder Herausforderungen ihrer Ideen in anderen Bereichen vorbereitet, indem sie geübt haben, vor unseren Wirtschaftswissenschaftler*innen zu präsentieren! Wir lernen auch, welche Forschungs- und Publikationsprioritäten in verschiedenen Bereichen wichtig sind. Diese Einsicht hilft bei der Bewertung von Bewerber*innen aus verschiedenen Bereichen, zum Beispiel in Berufungskommissionen.“

Dass Interdisziplinarität im Wissenschaftsbetrieb durchaus auch unterschiedlich bewertet werden kann, führt Dieter Zapf aus: „Wissenschaftskarriere macht man leider nicht gerade, wenn man allzu interdisziplinär aufgestellt ist, weil man dann für ein bestimmtes (Teil-) Fachgebiet nicht genügend ‚Stallgeruch‘ mit sich bringt und auch die Wissenschaftskriterien nicht identisch sind, so dass Nachwuchswissenschaftler*innen in die Gefahr geraten, sich an ‚falschen‘ Kriterien zu orientieren. Auf der anderen Seite erfordert die Praxis interdisziplinäres Arbeiten und es ist immer gut, darauf vorbereitet zu sein und auch bei vielen Projekten mit Anwendungsbezug erwarten die Geldgeber Interdisziplinarität. Das sind die eher perspektivischen Überlegungen.“ Ganz praktisch sei es einfach faszinierend, sich den kritischen Einwänden der anderen Disziplinen auszusetzen, betont Zapf. „Tut man das in einem ungeschützten Rahmen, dann werden oft Strohmänner aufgebaut und auf sie eingedroschen. Das ist bei uns aber gerade nicht der Fall.“ Die kritischen Fragen würden wohlwollend, aus Neugier und natürlich aus Spaß an der Auseinandersetzung gestellt.

Die Zukunft der Arbeit?

Das CLBO untersucht das Erleben und Verhalten von Menschen in Organisationen und die Einflussfaktoren von Leistung, Zufriedenheit und Gesundheit. Was wird nach Einschätzung der Expert*innen die Zukunft unserer Arbeitswelt in ganz erheblichem Maße prägen? „Die zunehmende Auflösung der Trennung zwischen ‚Privatem‘ und ‚Beruflichem‘“, führt Michael Kosfeld an, während Rolf van Dick das Schlagwort „geteilte Identitäten“ nennt: „Wenn alle im Team oder der Organisation wissen, wofür man steht, was die Normen und Werte sind, dann lässt sich auch in flachen Hierarchien und ohne ständige Kontrolle gute Leistung erzielen – egal ob vor Ort oder im Homeoffice!“ Heather Hofmeister sieht vor allem im Einfluss von Umweltbelastungen und -veränderungen eine enorme Herausforderung für Organisationen und ihre Mitarbeiter*innen. Sie fragt: Wie gut sind Organisationen in der Lage, mit diesen sich beschleunigenden Veränderungen umzugehen? Wie gut übernehmen Organisationen die Verantwortung für ihren Teil des Problems, wie werden sie extreme Verhaltens- und Betriebsänderungen vornehmen, um ihre negativen Umweltauswirkungen zu reduzieren? „Führungskräfte, Teams und Einzelpersonen werden große Anpassungen vornehmen müssen, um Umweltschäden zu reduzieren. Dürren, Überschwemmungen, Frost, heftige Stürme und klimabedingte Massenmigrationen aufgrund von Hungersnöten und Dürren in benachbarten Regionen werden sich direkt auf die alltäglichen Abläufe in Unternehmen auswirken, auf den Gewinn, aber auch auf die Gesundheit, den Stress, die Zufriedenheit und die Leistung der Mitarbeiter*innen.“

Dieter Zapf weist auf die Beschleunigung von Veränderungsprozessen durch die Digitalisierung hin: „Ich sehe es im Übrigen nicht so, dass wir plötzlich einer Digitalisierungswelle ausgesetzt sind. Die Durchdringung unserer Gesellschaft mit Informationstechnologie ist ein Prozess seit Einführung von Personal Computern zu Beginn der 80er Jahre. Aber die Veränderungszyklen sind kürzer geworden, und Komplexität, Vernetztheit und Undurchschaubarkeit ist in vielen Bereichen eher gestiegen als gesunken. Diese Veränderungsprozesse haben Auswirkungen auf alles, womit wir uns im CLBO beschäftigen und was in Ihrer Frage angesprochen ist.“ Guido Friebel stimmt seinem Kollegen Dieter Zapf zu, ergänzt, dass die Digitalisierung noch durch die Risiken von Pandemien verstärkt werde. „Unternehmen müssen viel offensiver und kreativer mit diesen Herausforderungen umgehen lernen.“

Weitere Informationen unter: http://www.clbo-frankfurt.org

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 2/2021 (PDF) des UniReport erschienen.

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