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Der Klimawandel und das Grundwasser

Zur ersten Wasserkonferenz seit 46 Jahren luden im März 2023 die Vereinten Nationen. Es muss gehandelt werden, denn Wasser droht durch den Klimawandel vielerorts knapp zu werden – während andere Regionen unter Überschwemmungen leiden. Süßwasser macht nur rund 3 Prozent des Wassers auf der Erde aus – und nur ein Zehntel davon ist über Flüsse und Seen zugänglich. In vielen Regionen versorgen sich die Menschen daher über das Grundwasser. Wie sich der Klimawandel auf die Neubildung des Grundwassers auswirkt, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Petra Döll von der Goethe-Universität untersucht. In Forschung Frankfurt 02/2020 „Klimakrise“ berichteten sie über ihre internationale Grundwasserstudie.

Während Trockenperioden müssen zum Beispiel Gemüsefelder wie dieses hier in den Niederlanden bewässert werden. Das Wasser stammt häufig aus Grundwasserbrunnen.

Quell des Lebens

Wie der Klimawandel die globalen Grundwasserstände ändert

Mit dem Klimawandel könnte das Grundwasser künftig weltweit in vielen Regionen knapp werden. Das zeigt eine große internationale Studie, die vom Doktoranden Robert Reinecke und der Geographin Prof. Petra Döll initiiert wurde. Vielerorts könnte das zu Wassermangel führen oder einen bestehenden Wassermangel verschärfen. Gleichzeitig werden andere Regionen unter steigenden Grundwasserständen zu leiden haben. Ackerflächen könnten durch Vernässung verloren gehen.

Grundwasser ist lebenswichtig. In vielen Ländern gewinnen Menschen daraus ihr Trinkwasser. Auch pumpt man das Grundwasser über tiefe Förderbrunnen nach oben, um Felder zu bewässern und in trockenen Regionen Getreide, Gemüse und Obst anbauen zu können. Trotz seiner großen Bedeutung war das Grundwasser für viele Menschen in Mitteleuropa lange Zeit kein Thema, denn in der Regel gibt es er hier genug davon. Doch mit den extrem trockenen Sommern der vergangenen drei Jahre wächst auch hierzulande die Angst, dass künftig mit dem Klimawandel das Wasser knapp werden könnte. Prof. Petra Döll interessiert sich schon länger für das Schicksal des Grundwassers. Die Geographin leitet an der Universität Frankfurt die Arbeitsgruppe Hydrologie und ist mit ihrem Grundwasser-Fokus unter Hydrologinnen und Hydrologen eigentlich eine Exotin. »Die Hydrologinnen und Hydrologen befassen sich in der Regel mit Bächen und Flüssen, mit Oberflächengewässern«, sagt sie. Doch in den letzten Jahren ist das Grundwasser und wie es durch den Klimawandel beeinflusst wird, zu einem großen Thema geworden. Denn in vielen Gebieten weltweit könnten sich die nachhaltig verfügbaren Grundwasserressourcen durch den Klimawandel verringern, mit negativen Folgen für die Wasserversorgung für Landwirtschaft, Industrie und Haushalte.

Einmal zu viel, einmal zu wenig

Dabei geht es keineswegs nur um Dürren und sinkende Grundwasserstände. Auch das Gegenteil könnte eintreten. Für manche Regionen erwarten Experten im Zuge des Klimawandels stärkere Niederschläge. Die könnten den Grundwasserspiegel steigen lassen. »In manchen Gebieten in Deutschland liegt das Grundwasser nur zwei oder fünf Meter tief«, erklärt Petra Döll. »Steigt der Grundwasserspiegel, könnten Äcker vernässen und landwirtschaftliche Flächen verloren gehen. Keller müssen aufwändig gegen eindringendes Grundwasser geschützt werden. Jede Abweichung vom Normalfall kann zum Problem werden – sinkende, aber auch steigende Grundwasserspiegel.«

Gemeinsam mit ihrem Doktoranden Robert Reinecke und Kooperationspartnern von Forschungsinstituten aus Belgien, Japan, den Niederlanden und vielen anderen Ländern hat Petra Döll unlängst einen Blick in die Zukunft geworfen. In einer aufwendigen Studie haben die Forscherinnen und Forscher mithilfe von globalskaligen hydrologischen Modellen, die Grundwasserneubildung auf allen Landflächen der Erde berechnen, ermittelt, in welchen Regionen der Welt die Grundwasserspiegel künftig steigen oder sinken könnten. Der Aufwand war enorm, weil das internationale Team für die Studie die Ergebnisse einer Vielzahl von hydrologischen Modellen, die wiederum von einer Vielzahl von Klimaszenarien angetrieben wurden, miteinander kombiniert hat.

Diese Studie wäre nicht möglich gewesen ohne das internationale Großprojekt ISIMIP unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. In ISIMIP haben mehr als 100 Forschergruppen weltweit modelliert, welche unterschiedlichen Auswirkungen der menschgemachte Klimawandel bis zum Ende dieses Jahrhunderts haben könnte, nicht nur auf die Wasserressourcen, sondern auch zum Beispiel auf landwirtschaftliche Erträge oder die Vegetation. Da heute noch niemand weiß, wie sich der Ausstoß von Treibhausgasen in den kommenden Jahrzehnten durch Klimaschutzmaßnahmen verändern wird, werden im Rahmen von ISIMIP vier verschiedene Szenarien durchgespielt – entsprechend den Emissionsszenarien des Weltklimarats.

Diese reichen von einer starken Verringerung der Treibhausgas-Emissionen bis zum düstersten Szenario, in dem die Emissionen unvermindert ansteigen. Für jedes der vier Emissionsszenarien werden vier verschiedene Klimaszenarien, die von vier globalen Klimamodellen berechnet wurden, zur Verfügung gestellt.

In Westafrika, wo dieses Bild aufgenommen wurde, wird der Grundwasserspiegel in einigen Regionen durch den Klimawandel voraussichtlich stark sinken. Dadurch könnte auch dieser Brunnen trockenfallen.

Einmalige Kombination von Klimadaten und Grundwasserexpertise

Die Grundwasser-Expertinnen und –Experten haben die im Rahmen von ISIMIP bereitgestellten Klimaszenarien – die für die Zukunft erwarteten CO2-, Niederschlags- und Temperaturwerte – jetzt mit acht verschiedenen globalen hydrologischen Modellen verknüpft.

Eine Herausforderung bestand darin, dass die globalen hydrologischen Modelle teils ganz unterschiedlich rechnen. Manche berücksichtigen zum Beispiel, dass die Vegetation sich aufgrund des Klimawandels ändern wird, andere nicht. Und da die Vegetation einen großen Einfluss auf die Verdunstung und damit die Grundwasserneubildung hat, liegen die Ergebnisse der acht verschiedenen globalen hydrologischen Modelle recht weit auseinander. »Pflanzen verdunsten Regenwasser und spielen für die Wasserspeicherung im Boden eine wichtige Rolle, insbesondere Wälder«, sagt Petra Döll. Für Südostasien beispielsweise weichen die Modellergebnisse stark voneinander ab. Zwar erwarten Klimaforscher in Zukunft stärkere Regenfälle während des Monsuns in Indien. Die Grundwassermodelle aber können nicht eindeutig vorhersagen, was das für das Grundwasser bedeutet.

Wassermangel im Mittelmeerraum und Nordost-Brasilien

Für manche Regionen der Erde konnte die Studie sehr wohl eindeutige Ergebnisse liefern – Vegetation hin oder her, sagt Petra Döll. So zeigten die Daten, dass in zwei schon heute unter Wasserknappheit leidenden Regionen, dem Mittelmeerraum und im trockenen Nordosten Brasiliens, die Neubildung von Grundwasser abnehmen dürfte. »Viele verbinden Brasilien mit dem immer feuchten Regenwald am Amazonas. In der Nähe des Äquators aber gibt es Gebiete, die schon heute trocken und heiß sind. Man muss sich sowohl im gesamten Mittelmeerraum als auch in Nordost-Brasilien auf eine durch den Klimawandel bedingte Verschärfung des Wassermangels einstellen, mit negativen Auswirkungen vor allem auf die Landwirtschaft.«

Sinkendes Grundwasser kann zu Problemen führen. Förderbrunnen etwa, die für viel Geld gebaut wurden, könnten völlig versiegen. Zwar ist es denkbar, durch noch tiefere Brunnen zu noch tiefer liegenden Grundwasserschichten vorzustoßen. Doch auch dort könnte das Wasser nach und nach knapp werden, wenn von Jahr zu Jahr weniger Grundwasser neu gebildet wird. »Die Übernutzung von Grundwasserspeichern ist ein bekanntes Problem«, erklärt Petra Döll. »Um natürliche Grundwasserspeicher zu erhalten, muss man darauf achten, dass stets mehr Wasser neu gebildet wird, als man entnimmt. Es ist bereits ein No-Go, genau so viel Wasser zu entnehmen, wie neu entsteht, weil dann für den Lebensraum, die Flüsse oder die Pflanzen nichts mehr übrigbleibt.«

Auch für den Regenwald am Amazonas könnten die sinkenden Grundwasserspiegel zum Problem werden. Denn hier regnet es keineswegs das ganze Jahr über. Regen- und Trockenzeiten wechseln sich ab. Sollte der Grundwasserspiegel soweit sinken, dass die Bäume während der Trockenzeit mit ihren tiefen Wurzeln das Wasser nicht mehr erreichen, könnte der Wald mancherorts absterben. Das wäre eine weitere Belastung für den Regenwald, der durch Abholzung und Waldbrände ohnehin unter Druck steht.

Bei einer globalen Mitteltemperatur, die 3 Grad Celsius höher ist als in der vorindustriellen Zeit um das Jahr 1850, würde sich die Neubildung des Grundwassers in weiten Teilen der Welt deutlich von den heutigen Werten unterscheiden. Quelle: Reinecke/Döll 2020

Wichtige Erkenntnisse für Anpassungsmaßnahmen

»Eine solche Kombination von globalen Klimadaten mit einer Vielzahl von Modellen, die die Grundwasserneubildung simulieren, hat es vorher noch nicht gegeben«, betont Petra Döll, die die internationale Studie initiiert und koordiniert hat. »Insofern liefert unsere Arbeit auch wichtige Grundlagen für politische Maßnahmen – für Projekte und Initiativen, mit denen sich die Menschen in den betroffenen Gebieten rechtzeitig auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten können.« So könnten effizientere Bewässerungsmethoden eingesetzt werden oder die bewässerten Flächen reduziert werden.

Auch für die vielen Regionen, in denen die verschiedenen Modelle zu unterschiedlichen Abschätzungen der zukünftigen Grundwasseränderungen kommen, sind die Studienergebnisse relevant für künftige Anpassungsbemühungen. »Nehmen wir an, die berechneten potenziellen Abnahmen der Grundwasserneubildung lägen zwischen zehn und 40 Prozent. Wenn man jetzt sehr risikoavers ist, also Risiko vermeiden möchte, dann kann man Managementmaßnahmen ergreifen, um zukünftig auch mit 40 Prozent weniger auszukommen. Wenn man risikobereiter ist, macht man nur so viel, dass man mit zehn Prozent weniger gut auskommt.«

Foto: Jürgen Lecher

Prof. Dr. Petra Döll, Jahrgang 1962, studierte Geologie an den Universitäten Erlangen und Colorado und schloss mit einem Master of Science mit dem Schwerpunkt Geohydrologie ab. Anschließend arbeitete sie am Geologischen Landesamt in Hamburg und promovierte dann im Fachgebiet Bodenkunde an der TU Berlin. Am Wissenschaftlichen Zentrum für Umweltsystemforschung der Universität Kassel habilitierte sie sich und wurde 2003 auf die Professur für Hydrologie am Institut für Physische Geographie der Goethe-Universität berufen. p.doell@em.uni-frankfurt.de

Der Autor Tim Schröder, Jahrgang 1970, studierte Biologie mit dem Nebenfach Meeresphysik, volontierte bei der Nordwest-Zeitung und war anschließend Redakteur im Wissenschaftsressort der Berliner Zeitung. Seit 2001 arbeitet er als freier Journalist mit den Themenschwerpunkten Naturwissenschaften, Energie und Umwelt. kontakt@schroeder-tim.de

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