Gefahren invasiver und gebietsfremder Raubsäugerarten für Gesundheit und Ökologie

Marderhund (Nyctereutes procyonoides)

Waschbär, Marderhund, Mink und Goldschakal sind in Deutschland und Europa nicht heimisch, verbreiten sich aber immer stärker. Wie diese invasiven und gebietsfremden Arten die biologische Vielfalt bedrohen und welche Krankheiten sie auf Menschen oder Tiere übertragen können, untersucht jetzt das Forschungsverbundprojekt ZOWIAC „Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren“ der Goethe-Universität Frankfurt und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Das Projekt wird maßgeblich von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) fachlich und finanziell gefördert. Zusätzliche Förderung und Unterstützung erhält das Forschungsprojekt durch Senckenberg, dem Landesjagdverband Hessen e.V. und dem Landesjagdverband Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V. und bindet Naturschutzgruppen, Jäger und Bürger in die Forschungsarbeit mit ein.

Immer mehr exotische Tiere und Pflanzen werden durch den Menschen bewusst nach Europa eingeführt oder unbewusst aus ihrem Verbreitungsgebiet eingeschleppt. Allein in Deutschland sind mehr als tausend invasive, gebietsfremde Arten (IAS = invasive alien species) registriert. Invasive Arten führen zu erheblichen Veränderungen von Artengemeinschaften und Ökosystemen und gelten weltweit als eine der wichtigsten Bedrohungen für die biologische Vielfalt. Weil sie Krankheiten übertragen oder als Zwischenwirte für Erreger dienen können, gefährden sie sowohl die Gesundheit von Menschen als auch von Haus-, Nutz- und Wildtieren. Die EU-Kommission schätzt die durch IAS entstehenden wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schäden in Europa auf jährlich 9,6 bis 12,7 Milliarden Euro. Im Zuge der Globalisierung und der ansteigenden Bevölkerungs- und Besiedlungsdichte erlangen invasive Arten auch eine zunehmende Bedeutung in Städten.

Zu den sich in Europa immer weiter ausbreitenden Arten zählen die beiden als invasiv bewerteten Raubsäuger Waschbär (Procyon lotor) und Marderhund (Nyctereutes procyonoides) sowie der Mink (Neovision vison) und der in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland immer häufiger auftauchende Goldschakal (Canis aureus). Durch ihr breites Nahrungsspektrum und ihre hohe Anpassungsfähigkeit sind diese Tiere in der Lage fast alle natürlichen Lebensräume zu besiedeln. Sie stehen u.a. im Verdacht, für den Rückgang von zahlreichen, mitunter auch bedrohten, einheimischen Arten wie z.B. Fledermäusen, verschiedenen Amphibien und Reptilienarten oder bodenbrütenden Vögeln mit verantwortlich zu sein. Zudem wird untersucht, ob ihr Vordringen in städtische Gebiete die Übertragung von Krankheitserregern auf Menschen und Tier, sogenannte Zoonosen, begünstigt.

Eine mit dem Waschbären nach Europa eingeschleppte Zoonose ist der Waschbärspulwurm (Baylisascaris procyonis), dessen Eier über den Kot der Tiere verbreitet werden. Dies stellt insbesondere in Städten, in denen Waschbären anthropogene Nahrungsressourcen und Räumlichkeiten nutzen, eine potentielle Gefährdung für die menschliche Gesundheit dar. Waschbären dienen außerdem als Reservoirwirte für Coronaviren, Lyssaviren (Tollwut), canine Staupeviren und dem West-Nil-Virus. Das Erregerspektrum des Marderhundes ähnelt dem des Waschbären, zusätzlich gilt er als Endwirt des Fuchsbandwurmes (Echinococcus multilocularis). Der Mink ist eine der am häufigsten verbreiteten gebietsfremden Säugetierarten weltweit und gilt als Überträger einer Vielzahl von Zoonosen wie Leptospirose, Trichinellose und Toxoplasmose. Auch der Goldschakal beherbergt Zoonoseerreger. Einige von ihnen, wie der Hundebandwurm (Echinococcus granulosus), der Hundespulwurm (Toxocara canis) oder Trichinen können große Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben.

Waschbär (Procyon lotor)

Das Verbundprojekt ZOWIAC wird essentiell dazu beitragen, aktuelle, fundierte und abgesicherte Daten zu erarbeiten, um das von Waschbär, Marderhund, Mink und Goldschakal ausgehende Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung sowie Nutz- und Haustiere und die Auswirkungen auf heimische Arten und Ökosysteme besser abschätzen zu können, sagt der Projektleiter Prof. Dr. Sven Klimpel von der Goethe-Universität und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Es soll eine systematische Überwachung der am häufigsten assoziierten Krankheitserreger durchgeführt werden. Ferner werden insbesondere räumliche Aspekte, d.h. etablierte Populationen in städtischen und ländlichen (Agrar/Wälder/Gewässer) Gebieten, Populationen an den derzeitigen europäischen Verbreitungsgrenzen sowie aus den Ursprungsgebieten (Nordamerika, Asien) betrachtet. Durch Besenderung einzelner Individuen sollen tägliche Bewegungsmuster herausgearbeitet werden. Metabarcoding von Magen- und Kotproben werden detailliert Aufschluss über das Nahrungsspektrum und die Parasitenfauna bieten, um mögliche Auswirkungen auf die Biodiversität und das Zoonosepotenzial besser abschätzen zu können. Verschiedene Populations- und Umweltparameter werden zur Erstellung von Ausbreitungsmodellen gesammelt und genutzt, um die Ausbreitung und das Vorkommen der gebietsfremden Raubsäugetiere auch unter sich verändernden Klimaveränderungen aufzeigen zu können, führt Klimpel weiter aus.

Da der zukünftige Erfolg bei der Eindämmung von negativen Einflüssen der IAS maßgeblich vom Verständnis und der Beteiligung der Öffentlichkeit abhängig sein wird, sollen alle relevanten Gruppen und Akteure mit eingebunden werden. Neben den Kooperationspartnern aus der Wissenschaft und aus Jagdverbänden und entsprechenden Ministerien werden auch Bürger in das Forschungsprojekt mit einbezogen (Citizen Science). Als Basis für diesen Austausch werden eine App sowie eine Online-Kommunikationsplattform entwickelt, die Daten generiert und über die aktuellen Forschungsergebnisse informiert. Da ZOWIAC wildtierökologische und gesundheitliche Forschungsaspekte einschließt, wird das Projekt auch Ergebnisse liefern, die Grundlagen für Entscheidungen der zuständigen Ministerien und Behörden im Umgang mit invasiven und gebietsfremden Raubsäugetieren in Deutschland und Europa sein können.

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