Die Tel Aviv University und die Goethe-Universität Frankfurt wollen künftig noch enger miteinander kooperieren. Heute Vormittag ist im Rahmen einer hochkarätig besetzten Zoom-Runde eine Absichtserklärung unterzeichnet worden, die auf die Gründung eines gemeinsamen Forschungszentrums für religiöse Studien und interreligiöse Dynamiken abzielt.
Seit 1984 bereits besteht zwischen den beiden Hochschulen eine strategische Partnerschaft, die beiden Städte sind sogar schon seit 1980 freundschaftlich verbunden. Nun wollen die Tel Aviv University und die Goethe-Universität Frankfurt ihre Beziehungen noch weiter intensivieren – und das erste deutsch-israelische Forschungsinstitut gründen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beider Universitäten vor allem aus den Geschichts- und Religionswissenschaften arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder zusammen – insbesondere die Martin-Buber-Professur am Fachbereich Evangelische Theologie unterhält intensive Kontakte nach Israel. Das neu gegründete Buber-Rosenzweig-Institut für moderne und zeitgenössische jüdische Geistes- und Kulturgeschichte und das Center for Religious and Interreligious Studies an der Tel Aviv University sind eng miteinander vernetzt in Form gemeinsamer Workshops und Tagungen.
Der Fokus des neuen Zentrums soll auf interdisziplinärer Forschung in religiösen und interreligiösen Studien liegen mit einem Schwerpunkt auf Judentum, Christentum und Islam. Außer den Theologien, der Religionswissenschaft, der Judaistik und den Islamischen Studien werden noch weitere Fächer beteiligt sein, darunter die Geschichte, die Philosophie, die Wissenschaftsphilosophie und die Politologie. Mögliche Forschungsthemen sind im Bereich multikulturelle Gesellschaften, religiöse Konflikte, Migration, Fundamentalismus und interreligiöser Dialog denkbar. Finanziert werden soll das neue Zentrum für die nächsten 3,5 Jahre mit jährlich 50.000 Euro von der Goethe-Universität und jährlich 20.000 Euro von der Tel Aviv University, insbesondere für Summerschools.
Das neue Zentrum soll von einem gemeinsamen Direktorium geleitet werden und sowohl erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch Forschende am Beginn ihrer Karriere miteinander verbinden. Geplant sind zudem gemeinsame Lehrveranstaltungen ab dem Sommersemester 2022 und die Schaffung eines gemeinsamen englischsprachigen Masterstudiengangs. Der Initiator des Forschungszentrums, Prof. Christian Wiese, Inhaber der Martin-Buber-Professur an der Goethe-Universität und Direktor des Buber-Rosenzweig-Instituts, setzt große Hoffnungen auf die Zusammenarbeit: „Im Rahmen der deutsch-israelischen Wissenschaftsbeziehungen und der engen Verbindung zwischen den Städten Frankfurt und Tel Aviv entsteht hier etwas ganz Besonderes – ein internationaler Forschungsschwerpunkt im Bereich der interdisziplinären Religionsforschung, der in historischer Perspektive und gegenwartsbezogen Themen in den Blick nimmt, die beide Gesellschaften, die deutsche wie die israelische, auf jeweils unterschiedliche Weise herausfordern“.
Die Vertragsunterzeichnung fand heute in Tel Aviv in Gegenwart der deutschen Botschafterin in Israel, Dr. Susanne Wasum-Rainer, statt. Wegen der Pandemie waren die Frankfurter Beteiligten per Zoom zugeschaltet. Professor Ariel Porat, Präsident der Tel Aviv Universität, leitete die Sitzung auf israelischer Seite.
Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität:
„Worauf wir uns heute einigen, ist meines Wissens zumindest in den Geisteswissenschaften in Deutschland ohne Beispiel: nicht nur eine formale Kooperation zwischen einer deutschen und einer israelischen Universität, sondern die Entwicklung eines gut sichtbaren, gemeinsamen, institutionalisierten, internationalen Forschungszentrums, abteilungsübergreifend auf beiden Seiten, in einem für die deutsche und die israelische Gesellschaft relevanteste Forschungsgebiet: Geschichte und aktuelle Herausforderungen religiöser Vielfalt, Differenz und Konflikt in pluralistischen Gesellschaften. Es wird Fragen zum interreligiösen Dialog in den Blick nehmen, aber auch Themen wie Fundamenalismus und Konflikt, aber auch das reiche kulturelle Erbe und das Potenzial religiöser Traditionen. Dieses Zentrum ist der Start in eine noch intensivere Zusammenarbeit.“
Dr. Susanne Wasum-Rainer, Deutsche Botschafterin in Israel:
„Akademischer Austausch und Kooperation sind nicht nur eine konstitutive Säule der deutsch-israelischen Beziehungen. Sie sind auch ein Beitrag zur Stärkung von Forschung und wissenschaftlichem Fortschritt als globalem Unterfangen, sowohl in den Natur- als auch in den Geisteswissenschaften. Mit der Willenserklärung zur Gründung eines gemeinsamen Zentrums zur Erforschung religiöser und interreligiöser Dynamiken widmen sich die Goethe-Universität Frankfurt am Main und die Universität Tel Aviv einer der drängenden Fragen unserer Zeit, der Rolle religiöser Gemeinschaften in einer sich wandelnden und konfliktreichen Welt.“
Prof. Menachem Fisch, Mitinitiator an der Tel Aviv Universität:
„Ich freue mich sehr, Teil der Gründung eines in dieser Art so einzigartigen Zentrums zu sein, eines Zentrums für das Studium der monotheistischen Glaubensrichtungen und ihrer wechselseitigen Entwicklung. Dies ist eine würdige Initiative und ein weiterer Baustein in der akademischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern.“
Uwe Becker, Präsident der deutschen Freunde der Tel Aviv Universität:
„Diese Absichtserklärung markiert einen neuen Meilenstein in der besonderen Beziehung zwischen den beiden Universitäten und ist eine weitere Brücke der Verständigung zwischen Frankfurt und Tel Aviv. Das neue Zentrum wird sicherlich zu einem besseren interreligiösen Dialog aus verschiedenen Blickwinkeln beitragen. Ich bin stolz, dass wir mit dem Start des neuen Deutschen Freundschaftsfonds auch Studierenden helfen werden, an dieser deutsch-israelischen Erfahrung teilzuhaben und von den Aktivitäten des Deutschen Fördervereins der Universität Tel Aviv zu profitieren.“
Prof. Milette Shamir, Vizepräsidentin (Internationales) der Tel Aviv University:
„Die Universität Tel Aviv verfügt über ein breites Netzwerk der Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten, mehr als mit jedem anderen Land in Europa. Diese Zusammenarbeit umfasst Hunderte von gemeinsamen Forschungsprojekten sowie Hunderte von deutschen Studenten, die jedes Jahr auf unseren Campus kommen. Das gemeinsame Zentrum erweitert diese Zusammenarbeit in eine wichtige neue Richtung und stärkt unsere bestehende Partnerschaft mit der Goethe-Universität Frankfurt, einer der führenden Universitäten in Deutschland. Wir hoffen, dass GU und TAU in naher Zukunft die Zusammenarbeit auf mehrere andere Bereiche mit gemeinsamer Stärke ausweiten werden.“