Neue Beobachtungen der Event Horizon Telescope (EHT)-Kollaboration zeigen, dass das Schwarze Loch Sagittarius A* (Sgr A*) im Zentrum unserer Milchstraße von starken, spiralförmigen Magnetfeldern umgeben ist. Für die Aufnahme wurde die Polarisation im ausgestrahlten Licht gemessen. Die Magnetfeldstruktur wird wahrscheinlich durch das magnetisierte Plasma erzeugt, das auf Sgr A* fällt, und ähnelt der von M87*, dem Schwarzen Loch im Zentrum der Galaxie M87. Dieses wichtige Ergebnis legt nahe, dass alle Schwarzen Löcher starke Magnetfelder besitzen und dass Sgr A*, wie M87*, einen Teilchenstrahl (Jet) ausstößt, der bislang noch nicht sichtbar gemacht werden konnte. An der Auswertung und Interpretation der Messdaten war das Team um Prof. Luciano Rezzolla, Goethe-Universität Frankfurt, maßgeblich beteiligt.
Das erste Bild vom Schwarzen Loch Sgr A*, welches etwa 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist, wurde im Jahr 2022 von EHT-Wissenschaftler*innen veröffentlicht. Dabei zeigte sich zwar, dass das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße mehr als tausendmal kleiner und weniger massereich ist als das der Galaxie M87, von dem die EHT-Kollaboration 2019 das erste Bild eines Schwarzen Lochs veröffentlicht hatte. Dennoch sehen sich Sgr A* und M87* bemerkenswert ähnlich. Um herauszufinden, ob die beiden Schwarzen Löcher weitere gemeinsamen Merkmale besitzen, beschloss das EHT-Team, Sgr A* in polarisiertem Licht zu untersuchen. Von M87* war bereits bekannt, dass die Magnetfelder um das riesige Schwarze Loch es ihm ermöglichen, einen starken Teilchenstrahl (Jet) in den Weltraum zu schicken. Die neuen Bilder zeigen, dass dasselbe auch für Sgr A* gelten könnte.
Schwarze Löcher in polarisiertem Licht abzubilden, ist nicht einfach, insbesondere gilt dies für Sgr A*. Denn das Gas, oder Plasma, in der Umgebung des Schwarzen Lochs umkreist Sgr A* in nur wenigen Minuten, und weil die Teilchen des Plasmas um die Magnetfeldlinien herumwirbeln, ändern sich die Magnetfeldstrukturen während der Aufzeichnung der Radiowellen durch das EHT schnell. Um das supermassive schwarze Loch abzubilden, waren also ausgeklügelte Instrumente und Verfahren erforderlich.
Prof. Luciano Rezzolla, theoretischer Astrophysiker an der Goethe-Universität Frankfurt, erläutert: „Polarisierte Radiowellen werden von magnetischen Feldern beeinflusst, und durch die Untersuchung des Polarisationsgrades des beobachteten Lichts können wir lernen, wie die Magnetfelder des Schwarzen Lochs verteilt sind. Allerdings ist es im Gegensatz zu einem Standardbild, das nur Informationen über die Intensität des Lichts benötigt, wesentlich schwieriger, die Polarisation darzustellen. Tatsächlich ist unser polarisiertes Bild von Sgr A* das Ergebnis eines sorgfältigen Vergleichs zwischen den tatsächlichen Messungen und den Hunderttausenden möglicher Bildvarianten, die wir mithilfe fortgeschrittener Supercomputer-Simulationen erstellen können. Ähnlich wie beim ersten Bild von Sgr A* repräsentieren diese polarisierten Bilder eine Art Durchschnitt aller Messungen.“
Rezzollas Kollaborationspartner, Geoffrey Bower vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taiwan, sagt: „Die Erstellung eines polarisierten Bildes ist wie das Öffnen des Buches, nachdem man nur den Umschlag gesehen hat. Da sich Sgr A* bewegt, während wir versuchen, sein Bild aufzunehmen, war es schwierig, selbst das unpolarisierte Bild zu konstruieren“, und fügt hinzu, dass das erste Bild ein Durchschnitt mehrerer Bilder aufgrund der Bewegung von Sgr A* war. „Wir waren erleichtert, dass die polarisierte Bildgebung überhaupt möglich war. Einige Modelle waren viel zu verwirbelt, um ein polarisiertes Bild zu konstruieren, aber die Natur hat es gut mit uns gemeint.“
„Indem wir polarisiertes Licht von heißem glühendem Gas in der Nähe von Schwarzen Löchern abbilden, schließen wir direkt auf die Struktur und Stärke der Magnetfelder, die den Fluss von Gas und Materie durchdringen, von dem das Schwarze Loch sich ernährt und abgibt“, ergänzt Angelo Ricarte, Harvard Black Hole Initiative Fellow und Co-Projektleiter. „Polarisiertes Licht lehrt uns viel über die Astrophysik, die Eigenschaften des Gases und die Mechanismen, die stattfinden, wenn ein Schwarzes Loch sich ernährt.“
Dr. Sara Issaoun, Co-Leiterin des Projekts und NASA Hubble Fellowship Program Einstein Fellow am Center for Astrophysics / Harvard & Smithsonian, sagt: „Dass Sgr A* eine auffallend ähnliche Polarisationsstruktur aufweist wie das viel größere Schwarze Loch M87* zeigt, dass starke und geordnete Magnetfelder entscheidend dafür sind, wie Schwarze Löcher mit dem Gas und der Materie um sie herum wechselwirken.“
Mariafelicia De Laurentis, stellvertretende EHT-Projektwissenschaftlerin und Professorin an der Universität Neapel Federico II, Italien, betont, dass die Magnetfeldstruktur von M87* von Sgr A* so ähnlich seien, deute darauf hin, dass die physikalischen Prozesse, die bestimmen, wie ein Schwarzes Loch einen Jet speist und ausstößt, trotz der Unterschiede in Masse, Größe und Umgebung bei supermassereichen Schwarzen Löchern universell sein könnten. Dieses Ergebnis ermögliche es, die theoretischen Modelle und Simulationen zu verfeinern und unser Verständnis dafür zu verbessern, wie die Materie in der Nähe des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs beeinflusst werde.
Publikationen:
(1) EHT collaboration: First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. VII. Polarization of the Ring. Astrophysical Journal Letters (2024) https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/ad2df0
(2) EHT collaboration: First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. VIII. Physical Interpretation of the Polarized Ring. Astrophysical Journal Letters (2024) https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/ad2df1