Open Access verändert die Publikationslandschaft. Dr. Roland Wagner, Leiter der Bibliothek Naturwissenschaften, erklärt im Interview, was es bei der Qualitätssicherung zu beachten gilt und welche Entwicklungen sich abzeichnen.
Open Access verändert die Publikationslandschaft. Die Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge bleibt nicht mehr ausschließlich traditionellen lizenzpflichtigen Journalen überlassen. Stattdessen machen Open-Access-Zeitschriften und Repositorien wissenschaftliche Publikationen allen Interessierten im Internet frei zugänglich. Ein Gespräch mit Dr. Roland Wagner, Leiter der Bibliothek Naturwissenschaften der Universitätsbibliothek, zu den Herausforderungen von Open Access (OA).
GoetheSpektrum: Sind Veröffentlichungen über Open Access im Vergleich zu klassischen Wegen mehr oder weniger wert?
Dr. Roland Wagner: Open Access hat grundsätzlich nichts mit niedrigerer oder höherer Qualität zu tun, auch wenn in dieser Hinsicht viele Vorurteile existieren. Es gibt sowohl OA-Journale als auch herkömmliche Journale, in denen die Manuskripte nicht die höchste Qualität haben. In einigen Fachgebieten sind es sogar OA-Journale, in denen die meistzitierten Publikationen erscheinen und die damit den höchsten Impact Factor (Zahl, die den Einfluss einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift wiedergibt, Anm. d. Red.) aufweisen. OA-Publikationen bieten Autoren den generellen Vorteil, dass alle Kollegen sie lesen können, da keine besondere Lizenz notwendig ist, und sie so sichtbarer und oft auch häufiger zitiert werden.
Und woher kommt dann die Zurückhaltung mancher Wissenschaftler in Bezug auf Open Access?
Viele Bedenken hängen damit zusammen, dass es im OA-Markt auch unseriöse und sogar betrügerische Anbieter gibt. Aber daraus ergibt sich nicht notwendigerweise ein allgemeines Qualitätsproblem bei Open Access.
Wie kann denn ein Forschender sicherstellen, dass er bei einem seriösen Medium landet und die nicht ganz niedrigen Publikationsgebühren richtig investiert?
Wie bei allen Transaktionen, die im Internet abgewickelt werden, ist auch beim Einreichen von Papern ein Mindestmaß an Augenmerk geboten, bei wem man da landet. Aber das Problem wird oft aufgebauscht. Jeder kann mit wenig Rechercheaufwand selbst herausfinden, ob ein Medium seriös ist oder nicht.
Und wo lässt sich das herausfinden?
Im Internet gibt es zum Beispiel mit dem Directory of Open Access Journals (DOAJ, siehe Infokasten »Open Access publizieren«) ein Verzeichnis seriöser Zeitschriften, die auch einen Peer Review sicherstellen. Es handelt sich um reine Open-Access-Journale, in denen Beiträge von Beginn an frei zugänglich sind – man spricht dabei auch vom »Goldenen Weg« des Open Access. Bei etlichen dieser Journale fällt eine Autorengebühr an, die sich viele Autoren ganz oder teilweise über Förderangebote ihrer Institutionen erstatten lassen können. Dafür ist meist Voraussetzung, dass die Zeitschrift im DOAJ gelistet ist.
Sie sprechen die finanzielle Unterstützung für OA-Publikationen an. Welche Rolle spielen Förderer in dem Kontext?
Wir beobachten, dass Förderer zunehmend Open-Access-Veröffentlichungen verlangen. Die EU fordert und die DFG empfiehlt solche Publikationen, und es gibt Förderer, die das Commitment der Einrichtung – in unserem Fall der Goethe-Universität – zu Open Access erfragen. Somit entsteht also ein gewisser Druck seitens der Forschungsförderung hin zu Open Access.
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Open Access publizieren: Drei Tipps für wissenschaftliche Autoren
Wie auch beim traditionellen Publizieren gilt: Geeignetheit und Seriosität des Mediums prüfen. Dabei hilft zum Beispiel das Directory of Open Access Journals, das fast 10.000 Titel auflistet: https://doaj.org/about.
Interessant ist auch die Initiative http://thinkchecksubmit.org. Bei Zweit- oder Parallelveröffentlichungen, dem sogenannten Grünen Weg des Open Access, prüfen, welche Bedingungen der für die Erstveröffentlichung zuständige Verlag daran geknüpft hat. Hinweise zum Copyright von Verlagen und Journalen sowie zu Archivierungsrechten finden sich unter www.sherpa.ac.uk/romeo.
Für Wissenschaftler, die eine Open-Access-Fachzeitschrift betreuen oder neu ins Leben rufen wollen, hat die Bibliothek der Goethe-Universität eine Plattform eingerichtet, die ein professionelles Erscheinungsbild inklusive durchdachter Redaktionsworkflows bietet: www.ub.uni-frankfurt.de/online/ojs.
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Mit welcher Unterstützung können Wissenschaftler da seitens der Goethe-Universität rechnen?
Die Universitätsbibliothek hilft technisch und finanziell. Zum einen betreut die Bibliothek den Publikationsserver der Goethe- Universität, auf dem Uni-Angehörige ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen einstellen können. Auf dem Server sind die Dokumente dauerhaft gesichert, gut auffindbar und frei zugänglich. So können Forschende ihre Arbeiten als Zweitveröffentlichung auf dem Server ablegen und dann bei Förderungsanträgen als Open-Access-Publikation angeben. Das entspricht dem sogenannten »Grünen Weg« des Open Access. Zum anderen hat die Bibliothek einen Publikationsfonds eingerichtet, der die Veröffentlichungsgebühren teilweise übernimmt.
Wie ist die Resonanz auf dieses Angebot?
In den vergangenen beiden Jahren haben wir mehr als 40 Arbeiten gefördert. Derzeit läuft die dritte Testphase und wir bemühen uns parallel, dem Fonds die langfristige Finanzierung zu sichern, um ihn auf eine dauerhafte Basis zu stellen. Dazu ist ein DFG-Antrag angedacht.
Wie viele Forschende der Goethe-Uni veröffentlichen bereits im Open Access?
Für das vergangene Jahr, also für 2016, haben wir im Web of Science mehr als 500 Veröffentlichungen von Uni-Angehörigen gezählt.
Angenommen, eine Forschungseinrichtung verzichtet auf Unterstützung für das Open-Access- Publizieren, was würde passieren?
OA-Publikationen erhöhen die Sichtbarkeit der Forschenden und damit auch der Einrichtung – dieser Vorteil entfällt, wenn weniger OA publiziert wird. Insgesamt kann fehlendes Engagement in diesem Bereich am Ende zu einem Standortnachteil werden.
Verändert Open Access auch die Arbeit der Uni- Bibliothek?
Ja, sicher. Es wirkt sich gravierend auf unser Geschäftsmodell auf. Open-Access-Veröffentlichungen müssen wir nicht kaufen, wir sollten sie aber in unsere Rechercheinstrumente aufnehmen. Potenziell müssen wir uns Gedanken machen, ob Erwerbungsmittel umzuschichten sind in die Open-Access- Förderung. Allerdings erscheinen weiterhin 80 Prozent der wissenschaftlichen Beiträge als Nicht-Open-Access-Publikationen, die wir trotz steigender Preise nicht einfach abbestellen können, weil unsere Nutzer dann den Zugang zu den Inhalten verlieren würden. Außerdem sehen wir eine große Aufgabe darin, die Informationskompetenz der Forschenden und Studierenden zu stärken. Wir informieren sie über Open Access und klären auf, was es damit auf sich hat. Insgesamt ist der Umstieg in die Open-Access-Welt ist eine große Herausforderung.
Wie schafft die Goethe-Universität den strategischen Spagat zwischen innovativem Open Access und traditioneller Veröffentlichung?
Die Universität ist offen für beide Wege. Es gibt die zwei Varianten; die Entscheidung liegt bei den Wissenschaftlern.
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Gold und grün
Open Access unterscheidet zwei Optionen der Publikation: Veröffentlichungen, die in ihrer endgültigen Form von Anfang an frei im Internet zugänglich sind, also Erstveröffentlichungen, werden als Gold Open Access oder Goldener Weg des Open Access bezeichnet.
Green Open Access bedeutet, dass Arbeiten vor, nach oder zeitgleich zu ihrer Publikation in einer traditionellen Subskriptionszeitschrift auch in einer Open-Access-Version veröffentlicht werden. Green Open Access – Grüner Weg des Open Access – beschreibt also einen Zweitveröffentlichungsweg.
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Das Interview führte Monika Hillemacher.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.17 der Mitarbeiterzeitung GoetheSpektrum erschienen.