Wissenschaftsminister Boris Rhein hat heute bekannt gegeben, dass die Historikerin Prof. Dr. Sybille Steinbacher die bundesweit erste Holocaust-Professur übernimmt. Eine international besetzte Berufungskommission hatte sie empfohlen, Uni-Senat und Präsidium der Goethe-Universität haben entschieden und berufen. Bereits im Juli 2015 wurde die Finanzierungvereinbarung mit der Goethe-Universität und dem Fritz-Bauer-Institut für die Einrichtung einer Professur zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust unterzeichnet. Seitdem lief das ordentliche Berufungsverfahren für die Besetzung der neuen W3-Professorenstelle. Der Stiftungsrat des Fritz-Bauer-Instituts hat am heutigen Tag die Berufung zustimmend zur Kenntnis genommen. Das Land Hessen unterstützt die Professur mit zusätzlichen 150.000 Euro jährlich.
Wissenschaftsminister Boris Rhein: „Wir freuen uns sehr, dass diese bedeutende Professur nun mit einer besonders ausgewiesenen Expertin besetzt werden kann. Das ist ein Meilenstein auf dem Weg hin zu einem besseren Verständnis der nationalsozialistischen Verbrechen und deren Wirkungsgeschichte bis in die Gegenwart hinein. Diese gemeinsame Berufung von Goethe-Universität und Fritz-Bauer-Institut wird auch die Integration von universitärer und Instituts-Forschung weiter fördern.“
Die Historikerin, die bis Oktober 2016 das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien leitete, übernimmt die Professur zum 1. Mai 2017. Steinbacher ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet der Holocaust-Forschung und kann einschlägige Forschungsarbeiten dazu vorweisen. Bei der Professur, die im Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften an der Goethe-Universität angesiedelt sein wird, handelt es sich um eine Kooperationsprofessur mit dem Fritz-Bauer-Institut, die vom Land Hessen finanziell ermöglicht wird.
Prof. Birgitta Wolff, Universitätspräsidentin der Goethe-Universität: „Die Goethe-Uni fühlt sich nicht zuletzt durch ihre eigene wechselvolle Geschichte der intellektuellen Aufarbeitung des Holocaust besonders verpflichtet. Sybille Steinbacher wird sich diesem Thema mit unserer vollen Unterstützung widmen. Sie wird auch als Kollegin sehr gut zu uns passen.“
Der neue Lehrstuhl ist zugleich mit der Leitung des Fritz-Bauer-Institutes verbunden, das die Landesregierung auch weiterhin mit einer Förderung in 2017 in Höhe von 375.100 Euro unterstützt. Damit stehen für Holocaust-Professur und Institut künftig insgesamt 500.000 Euro aus Landesmitteln zur Verfügung.
„Die Verknüpfung der neuen Holocaust-Professur mit der Leitung des Fritz-Bauer-Institutes ist eine einmalige Gelegenheit die wir nutzen, um der wissenschaftlichen Aufarbeitung einen möglichst großen Schub zu geben. Das Fritz-Bauer-Institut ist eine Bildungs- und Forschungsstätte von höchstem internationalem Rang, dessen Bedeutung sich weit über die Grenzen von Hessen hinaus entfaltet. Vor allem die Auseinandersetzung mit den ethischen und moralischen Rechtfertigungsstrukturen des Holocaust bis in die Gegenwart macht die Forschung so einmalig und bedeutsam“, erklärte Wissenschaftsminister Boris Rhein.
Jutta Ebeling, Stiftungsratsvorsitzende Fritz-Bauer-Institut: „Mit Sybille Steinbacher hat die Universität gemeinsam mit dem FBI eine international anerkannte Wissenschaftlerin berufen, die die wissenschaftliche Erforschung der nationalsozialistischen Verbrechen mit einer großen Sensibilität für die Bedeutung des Themas in der Gegenwart verbindet. Wir freuen uns, Sybille Steinbacher bald in Frankfurt am Main begrüßen zu dürfen.“
Bereits in ihrer als Buch erschienenen Magisterarbeit an der LMU München hat sich Sybille Steinbacher mit der Massenvernichtung im NS-Staat beschäftigt: „Dachau: Die Stadt und das Konzentrationslager in der NS-Zeit“ lautete der Titel. Die innovative Perspektive hat sie in ihrer Dissertation weiterentwickelt: Aus der Arbeit „‘Musterstadt‘ Auschwitz. Germanisierungspolitik und Judenmord in Ostoberschlesien“, an der Ruhr-Universität Bochum entstanden, ist später ein international viel beachtetes und in mehrere Sprachen übersetztes Standardwerk zum Thema hervorgegangen. Ein zweites Arbeitsgebiet Steinbachers ist die Gesellschaftsgeschichte der frühen Bundesrepublik. Aus der 2010 eingereichten Habilitationsschrift an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ging die Monographie „Wie der Sex nach Deutschland kam. Der Kampf um Sittlichkeit und Anstand in der frühen Bundesrepublik“ hervor.
Sybille Steinbacher kann zahlreiche Auslandsaufenthalte vorweisen: Sie war unter anderem Stipendiatin am Deutschen Historischen Institut in Warschau, an der Harvard University sowie Fellow am United States Holocaust Memorial Museum. 2010 hatte sie bereits eine Gastprofessur zur Geschichte und Wirkung des Holocaust an der Goethe-Universität in Verbindung mit dem Fritz-Bauer-Institut inne. Seit 2010 ist Sybille Steinbacher Universitätsprofessorin für Zeitgeschichte/Vergleichende Diktatur-, Gewalt- und Genozidforschung an der Universität Wien. Seit 2014 ist Steinbacher Korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.