Forscher der Goethe-Universität haben die vielleicht älteste Form der Zellatmung auf der Erde entdeckt. Sie konnten hitzeliebende Bakterien dazu bringen, das für viele Organismen giftige Kohlenmonoxid als Energiequelle zu verwenden. Der dabei entstehende Wasserstoff könnte auch biotechnologisch für die Energiegewinnung interessant sein.
Am Anfang war die Erde wüst und leer, oder wissenschaftlich gesagt: Bevor die ersten Lebewesen entstanden war es sehr heiß, es gab keinen Sauerstoff zum Atmen, dafür aber eine Atmosphäre mit Gasen wie Wasserstoff, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Stickstoff. Aus diesen einfachen Stoffen haben sich unter harschen Bedingungen erste Lebensformen entwickelt. Aber wie gewannen sie die Energie, um aus diesen Bausteinen langkettige Moleküle wie Proteine, Fette oder Kohlenhydrate zu synthetisieren?
„Kohlenmonoxid ist das energiereichste Gas in diesem Gemisch und daher wurde schon lange vermutet, dass die ersten Bakterien es verwerteten, um wachsen zu können“, erklärt Prof. Volker Müller aus der Abteilung Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik von der Goethe-Universität. Seiner Doktorandin Marie Schölmerich schlug er deshalb vor, das hitzeliebende Bakterium Thermoanaerobacter kivui zu untersuchen. „Es erfüllt alle Voraussetzungen, sich an die primitiven Lebensbedingungen dieser Zeit anzupassen: Bei 70 Grad wächst es optimal, ernährt sich nur von Gasen und kann Zellmaterial allein aus Kohlendioxid und Stickstoff aufbauen. Nur leider war es bisher noch niemanden gelungen, das Bakterium an Kohlenmonoxid zu gewöhnen“, so Volker Müller.
Marie Schölmerich ist es mit Geduld und Beharrlichkeit gelungen, das Bakterium auf die zunächst unverdauliche Kost umzustellen. Zunächst mischte sie dem Gas nur ganz wenig Kohlenmonoxid bei und steigerte dann allmählich den Anteil, bis das Bakterium nach mehreren Monaten unter einer hundertprozentigen Kohlenmonoxid-Atmosphäre wuchs. So konnte sie untersuchen, wie ein altertümlicher Organismus aus Kohlenmonoxid Energie gewinnt.
Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) berichten, wird Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid oxidiert und die dabei freiwerdenden Elektronen durchlaufen eine membrangebundene Turbine. Diese überträgt die Elektronen auf Protonen, wodurch gasförmiger Wasserstoff entsteht. Die Turbine ist ein Enzym (Hydrogenase) in der Zellmembran, das nicht nur gasförmigen Wasserstoff produziert, sondern die Energie der bergab-fließenden Elektronen auch nutzt, um Protonen und Natriumionen aus dem Zellinneren bergauf an die Zelloberfläche zu pumpen – in etwa so wie Wasser in einen höher gelegenen See gepumpt wird. Die zelluläre Energiewährung Adenosintriphosphat (ATP) entsteht, indem diese Protonen durch eine andere Turbine, die ATP-Synthase, bergab fließen.
Der Wasserstoff, der bei diesem Urtyp der Zellatmung aus Kohlenmonoxid entstand, könnte wiederum von anderen Bakterien oder Archaeen als Energiequelle verwendet worden sein. „Bis heute hat sich der Stoffwechsel auf der Basis von Wasserstoff in wenigen Bakterien und Archaeen gehalten“, erklärt Marie Schölmerich, „allerdings haben diese Organismen inzwischen auch gelernt, wohlschmeckendere Nährstoffe zu verwerten“.
Die meisten Organismen, einschließlich des Menschen, tragen noch Erinnerungen an diese einfache membran-gebundene Hydrogenase in sich, und zwar in den Mitochondrien. Deren Komplex I der Atmungskette hat sich aus dieser ursprünglichen Form entwickelt. Wie die Wasserstoff-entwickelnde Turbine im Detail funktioniert, ist jetzt Gegenstand der Untersuchungen in einem DFG-geförderten Projekt.
Publikation: Schölmerich, M.C., Müller, V. (2019). Energy conservation by a hydrogenase-dependent chemiosmotic mechanism in an ancient metabolic pathway. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A., in press.