Die fossilen Funde von Knochenfragmenten unserer menschlichen Vorfahren sind selten. Früher arbeiteten Paläoanthropologen mit Abgüssen. Heute können sie dank der 3D-Scan-Technik nicht nur digitale Kopien in alle Welt verschicken, sie am Computer rekonstruieren und ergänzen, sondern auch mit 3D-Druckern reproduzieren. Inzwischen ist die Technik so erschwinglich, dass sie auch im Schulunterricht der Oberstufe eingesetzt werden kann.
Nur etwa ein Prozent der heutigen Lebewesen werden als Versteinerung überliefert. Es ist daher kein Wunder, dass die bisher gefundenen Homininen-Fossilfunde auf der Ladefläche eines Geländefahrzeugs Platz finden würden. Das macht sie äußerst wertvoll. Die Originalfunde gehören den zumeist afrikanischen Ländern, in denen sie gefunden wurden. In früheren Zeiten mussten Paläoanthropologen lange Reisen an den Fundort unternehmen oder mit Kopien arbeiten.
Doch durch die Abgussmethode wurden die oft brüchigen und empfindlichen Funde geschädigt. Deshalb stellt die berührungsfreie 3D-Scan-Methode einen großen Fortschritt dar. Die Oberfläche wird dabei mithilfe eines Lasers oder „Structured Light Kameras“ abgetastet, die das Objekt aus der Ablenkung paralleler Lichtstreifen rekonstruieren. Aus den Daten werden im Rechner dreidimensionale Modelle erstellt.
Scannen mit dem Handy
„In Form von Handy- oder digitalen Fotokameras besitzt heute fast jeder schon, ohne es zu ahnen, eine funktionsfähige 3D-Scanstation in der Tasche“, sagt Prof. Paul Dierkes. Er hat die virtuelle Reproduktion von Homininen-Schädeln als eine Möglichkeit erkannt, Schülerinnen und Schülern der Oberstufe die Paläoanthropologie nahezubringen. „Damit werden die modernen Forschungsmethoden nicht nur anschaulich, sondern durch eigenes Experimentieren auch nachvollziehbar“, so Dierkes.
„Die Schülerinnen und Schüler wenden eigenständig digitale Mess- und Analysewerkzeuge an und erkennen die Vorteile und Grenzen bei der Vermessung digitaler Schädel“, ergänzt Sandra Zimmermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Didaktik der Biowissenschaften. Neuerdings können die digitalisierten Schädel auch mithilfe eines 3D-Druckers reproduziert werden. Dierkes experimentierte zuerst mit einem Open-Source-3D-Drucker, den er mit seinem Team selbst zusammenbaute.
Es entstand eine Unterrichtseinheit für die Oberstufe, die in der Lehrerfortbildung vermittelt wird. Dank der Förderung durch die Freunde und Förderer der Goethe-Universität konnte inzwischen auch ein kommerzieller 3D-Drucker angeschafft werden, der unter anderem im Schülerlabor, dem Goethe-BioLab, eingesetzt wird. Die in Kunststoff reproduzierten Objekte dürfen maximal die Größe eines Basketballs haben. Der schichtweise Aufbau durch dünnen, rasterförmig aufgetragenen Kunststoff-Faden dauert allerdings etwa 15 Stunden – je nachdem, wie detailgetreu die Wiedergabe sein soll.
Mikroskop aus 3D-Druck
Die Möglichkeiten des 3D-Drucks faszinierten insbesondere eine Lehramtstudentin mit der Fächerkombination Biologie und Kunst. Auf ihre Anregung hin konzipierten Sandra Zimmermann und Dr. Guido Klees einen Workshop für Lehramtsstudierende der Kunst, bei dem verschiedene 3D-Scanverfahren mit eigenen Objekten erprobt und anschließend im 3D-Druck reproduziert wurden. Im Rahmen eines weiteren interdisziplinären Seminars, welches Dierkes zusammen mit Prof. Verena Kuni (Kunst / Visuelle Kultur) und Marcus Link vom Hackerspace FFM konzipierte, bauten Lehramtsstudierende der Kunst und Biologie Do-it-Yourself-Mikroskope.
Viele Bauteile des Mikroskops wurden durch 3D-Druck hergestellt und die Optik stammt aus einer Web-Cam. So lernten die Kunststudenten nicht nur, wie ein Mikroskop funktioniert, sondern auch verschiedene biologische Objekte wie den Wasserfloh näher kennen. Damit loteten sie auch die Grenzen des Verfahrens für die künstlerische Anwendung aus. „So unterschiedlich die Intentionen des Einsatzes zwischen den Fachbereichen auch sind, das Potential dieser Technik verbindet“, zieht Dierkes das Fazit des Projekts.