„Ein Bestreiten ist einfach lächerlich“ / Interview mit Klimaforscher Joachim Curtius

Prof. Dr. Joachim Curtius

Klimaforscher Prof. Joachim Curtius von der Goethe-Universität übt massive Kritik an der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten, das Pariser Klimaabkommen aufzukündigen.

Was haben Sie empfunden, als Sie die Nachricht vom Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen gehört haben?

Ich empfinde es schon als einen ganz herben Rückschlag für den gesamten Prozess. Nach all den Mühen, um dieses Abkommen zu erzielen. Und die Maßnahmen für den Klimaschutz sind so zeitkritisch, man kann die Maßnahmen nicht einfach noch mal 4 oder 8 Jahre vertagen.

Trump und seine Mitstreiter bestreiten den Klimawandel. Was kann die Wissenschaft dem entgegensetzen?

Ein Bestreiten ist einfach lächerlich. Hunderte von wissenschaftlichen, untereinander völlig unabhängigen Untersuchungen belegen den Klimawandel zweifelsfrei. Man schaue sich nur die Satellitenfotos zur Eisbedeckung der arktischen Meere an. Den Rückgang von mehreren Millionen Quadratkilometern Eisfläche kann jeder sofort erkennen. Auch über den wesentlichen Einfluss des Menschen als Verursacher gibt es einen breiten Konsens unter den Experten. Diese gut gesicherten wissenschaftlichen Fakten zu bestreiten, ist eigentlich unfassbar. Die Beweggründe für ein Bestreiten sind vermutlich eine Mischung aus Bequemlichkeit, Kurzsichtigkeit, Eigennutz, Profitgier und Abhängigkeit. Aber auch beim Rauchen hat die Tabakindustrie noch jahrzehntelang die Fakten zu Lungenkrebs etc. bestritten.

Haben Sie Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen in den USA. Wie ergeht es diesen dort gerade?

Ja, ich habe gerade vorgestern mit zwei amerikanischen Klimaforschern gesprochen. Von ihrer Seite kommt vor allem Kopfschütteln und die Beteuerung, dass nicht alle Amerikaner denken, wie Herr Trump.

Kürzt Trump nach Ihrer Kenntnis tatsächlich die Mittel für Klimaforschung und verwandte Forschungsbereiche?

Ja, soweit ich informiert bin, soll insbesondere die EPA dramatisch weniger Geld erhalten. Auch die NASA befürchtet, dass ihr Programm zur Erdbeobachtung drastisch zusammengestrichen wird.

Welche Auswirkungen befürchten Sie durch den angekündigten Ausstieg der USA? Befürchten Sie z.B. einen Dominoeffekt?

Die USA sind einer der Hauptverantwortlichen für den Klimawandel und sie hätten die notwendigen Ressourcen, um die Investitionen für Klimaschutz und Ausstieg aus fossilen Energien zu bezahlen. Deshalb ist der Ausstieg doppelt bitter. Natürlich werden einige andere Länder jetzt auf die USA verweisen und sagen, dass die Hauptverursacher einen Beitrag leisten müssen, bevor viel ärmere Länder, die kumuliert viel weniger verursacht haben, einen Beitrag leisten müssen.

Wie bewerten Sie die nahezu zeitgleich stattfindenden Bekundungen Indiens und Chinas bei Staatsbesuchen in Deutschland in den letzten Tagen, am Weltklimaabkommen festhalten zu wollen?

Dies ist ein positives und erfreuliches Signal. Die beiden Länder wären natürlich als erste in der Position zu sagen: wenn die USA nichts tun, dann tun wir auch nichts. Aber ich sehe gerade in China einen enormen Sinneswandel innerhalb der letzten Jahre, weg von einem „Wachstum um jeden Preis“, hin zu „die Umweltbedingungen verschlechtern sich in China so dramatisch, dass wir ganz dringend umsteuern müssen“.

Entwickeln sich jetzt neue Allianzen ohne die USA?

Ja, anscheinend.

Welche Anstrengungen müssen wir unternehmen, um das Weltklima auch für nachfolgende Generationen erträglich zu halten?

Es sind wirklich große Anstrengungen notwendig! Wir müssen innerhalb der nächsten 30 Jahre die globalen CO2 Emissionen in die Atmosphäre um mindestens 2 Prozentpunkte pro Jahr, eher um 3 Prozentpunkte senken. Dies erfordert riesige Investitionen, die derzeit nur die entwickelten Industrieländer stemmen können. Die Industrieländer haben auch eine große Verantwortung, den Klimaschutz und die Reduktion der Emissionen in den Entwicklungsländern mitzufinanzieren. Anders ist das Problem nicht rechtzeitig zu bewältigen. Hier tut der Ausstieg der USA besonders weh, denn die USA hatten bereits ihre Verantwortung anerkannt, dass diese Transfers an die armen Länder, die gleichzeitig vom Klimawandel am härtesten getroffen werden, notwendig sind und von ihnen mitfinanziert werden müssen.

Interview: Olaf Kaltenborn

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