Die Erweiterung der seit vielen Jahren bestehenden Kita auf dem Campus Westend, die Eröffnung einer zweiten GroßKita auf dem Campus Riedberg, Ferienspiele für Kinder oder die FamilyPlusCard – in den letzten Jahren ist die Goethe-Universität immer familienfreundlicher geworden. Nicht ohne Grund ist sie daher kürzlich im Rahmen des Audits „familiengerechte hochschule“ der berufundfamilie gGmbH zum vierten Mal zertifiziert worden. Dennoch ist die Universität weiterhin bestrebt, die Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit der Familie kontinuierlich und nachhaltig zu verbessern. Trotz der Entwicklung, die die gesamtdeutschen Statistiken andeuten: Die Geburtenrate ist rückläufig, die Menschen werden immer älter – der demografische Wandel schreitet voran.
Zudem stagniert die Zahl der Studierenden mit einem oder mehreren Kindern gemäß der 20.Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks in den letzten Jahren bei fünf Prozent. Warum also sollte die Goethe-Universität noch familiengerechter werden? „Man weiß aus Studien, dass sich eher für Kinder entschieden wird, wenn beispielsweise die Befristungen länger sind. Also möglicherweise sind es auch die Rahmenbedingungen, die das Kinderkriegen verhindern“, sagt Christina Rahn vom Gleichstellungsbüro der Goethe-Universität, das für die Belange von Familien zuständig ist. Daher gilt es die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Folglich wurden während des Audits erneut konkrete Ziele und Maßnahmen für die kommenden Jahre vereinbart.
Betreuungsplätze am Arbeits- bzw. Studienplatz sind heute eine zentrale Voraussetzung einer familiengerechten Umgebung. Auszeichnen würde man sich allerdings mit tiefergreifenden Maßnahmen. Ein Beispiel sei die Sensibilisierung von Führungskräften, die in den nächsten Jahren schwerpunktmäßig umgesetzt werden solle, so Benjamin Kirst, Mitarbeiter im Gleichstellungsbüro. Führungskräfte fungieren als Vorbilder: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird noch zu selten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorgelebt, weil der Vorgesetzte trotz Kindern bei spielsweise jeden Tag 16 Stunden arbeitet. Deswegen wollen wir die Führungskräfte vermehrt auf ihre Möglichkeiten der Vereinbarkeit aufmerksam machen“, sagt Rahn.
Eine weitere Maßnahme in diesem Themenbereich ist die Einführung einer sogenannten meeting policy, nach der wichtige Sitzungen in den Kernöffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen stattfinden sollen. „Es sind gerade die kleinen Dinge, die wir heute als selbstverständlich hinnehmen, wie Sitzungen früh am Morgen oder spät abends – unter dem Vorwand, Arbeitsabläufe nicht zu stören –, die aber für Universitätsmitglieder mit familiären Aufgaben oder in Pflegeverantwortung die Partizipation erschweren. Dabei wäre das oft leicht zu ändern“, äußert sich der Vizepräsident Enrico Schleiff.
Mit etwas bewussteren Sitzungszeiten können jedem gleichermaßen Partizipations und Karrierechancen eingeräumt werden. Auch das Studieren soll zukünftig noch familien- und diversitätssensibler gestaltet sein. Eine präferierte Vergabe von Plätzen in teilnahmebeschränkten Veranstaltungen für Studierende mit Kind steht hier auf der Agenda. Zudem wurde bereits die allgemeine Rahmenprüfungsordnung für die modularisierten Bachelor und Masterstudiengänge familienbewusster gestaltet. Mit der Reakkreditierung bzw. der Akkreditierung von Studiengängen müssen diese Regelungen nun noch in den einzelnen Prüfungsordnungen in Kraft treten.
Berücksichtigung veränderter Lebensentwürfe
Umgesetzt werden diese vom Präsidium verabschiedeten Zielvereinbarungen von vielen verschiedenen Akteuren. „Wir sind mit allen Beteiligten in den Austausch über mögliche Maßnahmen gegangen. So sind die Vereinbarungen letztlich auch entstanden“, erläutert Kirst. Ganz aktuell arbeitet das Gleichstellungsbüro gemeinsam mit dem StudienServiceCenter (SSC) an der Umsetzung von dezentralen Informationsportalen. Das SSC unterstützt die Fachbereiche dabei, ihre Informationen für Studienanfänger und interessierte auf ihren Webseiten neu zu organisieren und aufzubereiten. „Auf diesen Zug wollen wir mit aufspringen und zusätzlich Informationen für Studierende mit Familienaufgaben unterbringen“, sagt Kirst.
Kinder andere ist sind die eine Seite der Familiengerechtigkeit, die das Thema Pflege. Es sei mittlerweile selbstverständlich, dass Unternehmen und Hochschulen Kindergärten bauen, so Rahn, der Bau eines Altenheims wäre vom jetzigen Stand aus jedoch undenkbar. Dieses Thema werde im Vergleich zum Thema Kinder noch längst nicht so in der Hochschulöffentlichkeit wahrgenommen, obwohl es seit Jahren Informationsveranstaltungen und Beratungsangebote gäbe.
Auf das Älterwerden der Menschen und andere veränderte Lebensentwürfe stellt sich das Gleichstellungsbüro zunehmend ein: „Das Thema (werdende) Väter haben wir mehr und mehr in den Fokus gerückt. Und aus unseren Beratungen haben wir den Eindruck gewonnen, dass sich die Anzahl der Alleinerziehenden unter den Studierenden und derjenigen, die pendeln und damit auch nochmal eine besondere Betreuungsproblematik haben, erhöht hat“, sagt Kirst. Beim wissenschaftlichen Personal sei der Anteil internationaler merklich angestiegen. Beratungen auf Englisch haben zugenommen.
Am Ende sind es viele, ganz unterschiedliche Maßnahmen, die jedoch letztlich nur als kleine Puzzleteile ein großes, wichtiges Gesamtbild ergeben sollen – das Bild einer nachhaltig veränderten Hochschulkultur. „Wir haben schon viel erreicht, und darauf können und sollten wir auch stolz sein, denn wir nehmen es oft schon als selbstverständlich hin“ sagt Schleiff, „ aber das darf natürlich auch nicht darüber hinweg täuschen, dass noch einiges vor uns liegt, um den change of culture durchzusetzen. Wir brauchen eine Kultur der Chancengleichheit, auch und gerade für diejenigen mit familiären Verpflichtungen unter Berücksichtigung ihrer Verantwortung, denn Familienfreundlichkeit ist kein Selbstzweck, sondern ein Grund für gute Leute, an die Goethe-Universität zu kommen und hier zu bleiben.“