Publizieren zwischen Buch und Blog

Dr. Matthias Kettemann; Foto: Privat
Dr. Matthias Kettemann; Foto: Privat

Open Access macht wissenschaftliche Publikationen im Internet frei zugänglich, ist aber nicht unumstritten. Im Interview erklärt der Rechtswissenschaftler Dr. Matthias Kettemann, wieso er Teil des Open Access-Netzwerks ist.

Open Access macht wissenschaftliche Publikationen frei zugänglich. Mit mehreren Artikeln beleuchtet das Goethe Spektrum, wie dieses neue Modell den Arbeitsalltag in Forschung und Lehre beeinflusst. Den Anfang macht ein Gespräch mit Postdoc Dr. Matthias C. Kettemann, der am Exzellenzcluster »Die Herausbildung normativer Ordnungen« über Internetrecht forscht und häufig online publiziert. Wissenschaftliche Publikationen stehen der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung, damit jeder überall auf der Welt von diesem Wissen profitiert.

Diese Idee steckt hinter Open Access, einer Bewegung, die in den 90er Jahren entstanden ist. Rechtswissenschaftler Matthias C. Kettemann ist Teil des Open Access- Netzwerks und überzeugt: Open Access verbessert die Chancen, in der internationalen Wissenscommunity wahrgenommen zu werden. Kettemann hat viele Beiträge in Open Access online gestellt. Außerdem bloggt er.

Goethe Spektrum: An Universitäten besitzen Bücher und Zeitschriften auf Papier immer noch einen enorm hohen Stellenwert. Publizieren im flüchtigen Medium Internet könnte dies ändern. Warum ist das Veröffentlichen über Open Access für Sie so wichtig, dass Sie am liebsten gar nicht mehr in Print veröffentlichen würden?

Dr. Matthias Kettemann: Traditionalisten würden sagen, man sollte sich auf die klassischen Journale beschränken. Aber der Publikationsmarkt ist im Wandel. Heute zählen andere Werte: schnellere Kenntnis von neuen Ergebnissen zu bekommen zum Beispiel, außerdem sind die Themen kurzlebiger, auch in der Wissenschaft. Im Vergleich zu Open Access-Publikationen sind die traditionellen deutschsprachigen Medien langsamer aufgrund ihrer Struktur. Es dauert oft Monate, bis eine Rückmeldung zu einem eingereichten Beitrag kommt. Bis dahin haben vielleicht fünf oder sechs Konkurrenten ihre Ergebnisse schon online gestellt.

Mit welchen Folgen?

Wenn Sie zu globalen juristischen Themenfeldern oder in international geprägten Disziplinen arbeiten, haben sie in der Wissenschaftslandschaft ohne Open Access-Publikationen schlechtere Chancen. Bei Publikationen im primär nationalen Kontext, etwa im Steuerrecht oder Verwaltungsrecht, ist der Veränderungsdruck geringer.

Also alles beim Alten lassen?

Generell ist die deutschsprachige Publikationslandschaft solide und von traditioneller Wertigkeit geprägt. Die Reputation der Journale, in denen veröffentlicht wird, spielt in den Berufungsverfahren eine Rolle. Deshalb streben junge Wissenschaftler danach, auch klassisch zu veröffentlichen.

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Open Access ist eine Bewegung, die wissenschaftliche Literatur im Internet frei zugänglich macht. Die auf diesem Weg publizierten Unterlagen können von jedem gelesen, heruntergeladen, gespeichert, gedruckt und verlinkt werden. Die Nutzung ist kostenlos. Die veröffentlichte Fachliteratur reicht von Beiträgen in elektronischen Zeitschriften und Datenbanken über Vorabveröffentlichung von geplanten Printwerken bis hin zu im Nachhinein online zugänglich gemachten Zeitschriftenartikeln und Büchern.

Die Publikation im Netz erfolgt zum Beispiel über die Server freier Zeitschriften, über spezielle Fachserver oder die eigenen Webseiten der Wissenschaftler. Nicht alle Open Access-Modelle stellen – anders als in traditionellen Fachzeitschriften üblich – einen Peer Review sicher. Daraus kann sich ein Problem ergeben: die Qualitätssicherung. Nach einer Schätzung der Max-Planck-Gesellschaft sind derzeit mehr als zehn Prozent der wissenschaftlichen Publikationen frei zugänglich. Die EU will Open Access fördern und fordert in einem Papier vom Mai dieses Jahres, dass von 2020 an »alle wissenschaftlichen Publikationen zu Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschungsarbeiten frei zugänglich sein« müssen. In Deutschland unterstützt unter anderem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) das Open Access-Modell.

Einen Überblick zu Zielen, Zeitschriften und Rechtsthemen von Open Access gibt es hier.

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Und Sie würden nun gerne nur über Open Access publizieren. . .

Nicht nur, aber vor allem. Die Wissenschaft muss, gerade wenn es um technische Themen geht, schneller mit Fachkommentaren zur Hand sein. Das Modell füllt für mich eine Lücke zwischen langen Abhandlungen in Buchform und kurzen Interventionen in Blogs.

Wenn jeder Wissenschaftler seine Erkenntnisse einfach online stellt, wie steht es dann um die Qualität der Beiträge? Denn häufig fehlt die Kontrolle durch eine Fachredaktionen, ein Peer Review, der den guten Ruf gedruckter Zeitschriften begründet.

Die Qualitätskontrolle von Open Access-Beiträgen ist eine Herausforderung. Fehlende oder zu schnelle Prüfung kann ein echtes Problem sein. Allerdings bestehen schon renommierte Open Access-Journale, die einen Peer Review sichern – viel schneller als Zeitschriften.

Der freie, kostenlose Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen hat auch eine politische Dimension. Sie hängt mit dem Geschäftsmodell der Wissenschaftsverlage zusammen.

Ja, es geht um die Frage, warum öffentlich finanzierte Universitäten Geld an private Verlage zahlen sollen, um Zugang zu wissenschaftlichen Informationen zu bekommen, die von ebenfalls öffentlich bezahlten Wissenschaftlern zur Veröffentlichung eingereicht wurden. Die Verlage verdienen praktisch an mit Steuern finanzierten Erkenntnissen. Die Open Access-Bewegung will im Kern, dass nicht nur die Wissenschaft frei ist, sondern dass wissenschaftliche Erkenntnisse auch von alle gelesen und genützt werden können.

Herr Kettemann, Sie arbeiten an Ihrer Habilitation. Wie wird die Schrift erscheinen? Online oder gedruckt?

Wichtige Schriften werden noch lange in Buchform erscheinen. Da hat sich seit Gutenberg wenig geändert. Aber meine Erkenntnisse werde ich jedenfalls online zugänglich machen. Am Ende geht es ja um den Inhalt und nicht das Medium.

[Das Interview führte Monika Hillemacher]

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.16 der Mitarbeiterzeitung GoetheSpektrum erschienen.

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