Wissenstransfer ist heute die dritte Säule neben Forschung und Lehre. Doch zur Vermarktung von Patenten müssen Hochschulen investieren. Das hessische Patentprojekt unterstützt sie bis 2019 mit insgesamt einer Million Euro.
Wissenschaftsminister Boris Rhein hat am 19. April an der Goethe-Universität den Startschuss für ein gemeinsames Patent-Projekt der hessischen Hochschulen gegeben, um die Hochschulen bei der Patentierung, Verwertung und gezielten Weiterentwicklung von Forschungsergebnissen zu unterstützen. Die hessischen Hochschulen werden im Rahmen des neuen hessischen Patentverbunds bis 2019 mit insgesamt einer Million Euro unterstützt.
Koordiniert wird die Initiative von der Universität Kassel. Deren Kanzler, Dr. Oliver Fromm, nahm den Förderbescheid von Wissenschaftsminister Boris Rhein auf dem Campus Riedberg entgegen. Als Beispiel für die gelungene Veredelung und Vermarktung eines Patents präsentierte Prof. Werner Mäntele vom Institut für Biophysik der Goethe-Universität die verschiedenen Entwicklungsstadien von „LISA-H“. Das Gerät wird mittlerweile zur Kontrolle der Blutgerinnung in der Herzchirurgie eingesetzt.
Rückflüsse aus Lizenzen sind für die Hochschulen nur ein Motiv, sich im Bereich der Patentvermarktung zu engagieren. Ebenso wichtig ist, dass die Patentierung und die sich anschließende Vermarktung einem externen Validierungsprozess vergleichbar sind, der für die Wissenschaft insbesondere in den Lebens- und Technikwissenschaften mittlerweile neben den wissenschaftsinternen Gutachterprozessen eine wichtige Rolle spielt, betonte Fromm am Mittwoch auf dem Campus Riedberg. Hierfür müssten die Hochschulen den Wissenschaftlern professionelle Unterstützungsstrukturen bereitstellen.
Erfindungen, die in einem wissenschaftlichen Umfeld gemacht werden, sind im Gegensatz zu Erfindungen in Unternehmen allerdings meist noch wenig anwendungsbezogen. Deshalb ist die Investition in Patente für Hochschulen mit hohen Risiken verbunden, selbst wenn sie von Einrichtungen wie die Innovectis unterstützt werden. Das Tochterunternehmen übernimmt die Anmeldung und Vermarktungen von Patenten für die Wissenschaftler der Goethe-Universität.
Vermindern lässt sich das Risiko durch ein großes Portfolio von Patenten und eine hohe Expertise bei deren Vermarktung. Entscheidend für den Erfolg ist nicht primär die Zahl der Patente, sondern wie viele davon effektiv verwertet werden, betonte der neue Geschäftsführer von Innovectis, Dr. Martin Raditsch. In Bezug auf dieses Verhältnis liegt das Land Hessen bundesweit im oberen Drittel. Bezogen auf die Verwertungseinnahmen pro 1.000 patentrelevante Wissenschaftlicher liegt Hessen hinter Baden-Württemburg sogar bundesweit an der Spitze. Nun soll das Patentprojekt der Hessischen Hochschulen diesen Prozess durch den Anschluss an ein bereits bestehendes Förderprogramm des Bundes weiter vorantreiben.
Das hessische Patentprojekt setzt dort an, wo die Forschungsarbeit der Wissenschaftler aufhört. Im Fall von LISA-H hatte Mäntele zur klinischen Validierung zunächst ein Laborgerät im OP seiner Kollegen Anton Moritz, Herzchirurg an der Universitätsklinik Frankfurt, und Andreas Böning, Kinderherzchirurg an der Universitätsklinik Gießen, erprobt. Nachdem die Messungen des Heparinspiegels zeigten, dass mithilfe des Geräts das Blutgerinnungsmanagement präziser ausgeführt werden kann, sollte das Gerät für den Routine-Einsatz im Labor weiter entwickelt werden. Die Tastatur musste aus hygienischen Gründen durch ein Touchscreen ersetzt werden, das in ein kompaktes Gerät integriert ist, die Bedienung sowie die Handhabung der Proben musste vereinfacht und an die Bedürfnisse der Klinik angepasst werden.
Für solche Entwicklungen stellt der Bund eine Summe von maximal 120.000 Euro zur Verfügung, wobei die Hochschule einen Eigenanteil von bis zu 36.000 Euro übernehmen muss. Hier kommt die Förderung durch das Land Hessen zum Tragen. Sie übernimmt künftig die Hälfte der Kosten. Ihr Ziel ist es, bis Ende 2019 40 Projekte an hessischen Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zu fördern.
LISA-H hat diese Hürden dank anderer Zuschüsse gemeistert. Heute wird das Gerät von der Firma Dr. F. Köhler Chemie in Bensheim produziert. Was Mäntele besonders freut: „Hier hat nicht nur ein Transfer von Wissen, sondern auch von Köpfen stattgefunden. Zwei meiner ehemaligen Mitarbeiter führen das jetzt bei der Firma Köhler fort.“