Den persönlichen Kontakt kann am Ende keine Videokonferenz ersetzen: Aktuelle oder mögliche Partneruniversitäten zu besuchen, gehört für einen Vizepräsidenten für Internationalisierung sozusagen zur Jobbeschreibung. Anfang Dezember war Prof. Rolf van Dick, im Präsidium der Goethe-Universität für Internationalisierung, Nachwuchs, Gleichstellung und Diversity zuständig, zu Gast an der University of Toronto. Mit dieser ist die Goethe-Universität über eine Strategische Partnerschaft verbunden. Warum sich die Reise nach Kanada in mehrfacher Hinsicht gelohnt hat, berichtet van Dick in seinen Reisenotizen.
Die University of Toronto kann mit Fug und Recht als ein Glanzlicht unter unseren Strategischen Partnerschaften bezeichnet werden. Sie ist nicht nur eine der Top-Universitäten in Kanada, sondern gehört zu den besten Hochschulen weltweit. Sie hat doppelt so viele Studierende wie wir (90.000), gleichzeitig aber viermal so viele Beschäftigte (20.000). Mit Toronto sind wir seit zehn Jahren über die strategische Partnerschaft verbunden, bei der auch die beiden Städte involviert sind –und zwar eine gelebte Partnerschaft mit Studierenden- und Dozentenaustausch, gemeinsamen Konferenzen, Forschungsprojekten und mehr. Dass die Stadt Frankfurt bei dieser Kooperation eingebunden ist, nützt übrigens auch ganz konkret unseren Studierenden, die ohne Studiengebühren für ein Semester nach Toronto gehen können, weil im Gegenzug die Stadt Stipendien für den Besuch kanadischer Studierender an der Summer School der Goethe-Universität bereitstellt.
Auf dem Radar bleiben
Mit mir nach Kanada geflogen war Dr. Martin Bickl, Stellvertretender Bereichsleiter des International Office und Abteilungsleiter für Strategische Partnerschaften und Internationales Marketing, der die Stadt und die Uni bereits gut kannte. Uns war es sehr wichtig, die Universitätsleitung zu treffen; wir haben aber viele interessante und fruchtbare Gespräch geführt mit Mitgliedern der Dekanate und insgesamt 14 Professorinnen und Professoren, vor allem aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. Viele dieser Wissenschaftler arbeiten eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen vom Exzellenzcluster Normative Ordnungen zusammen und betonten immer wieder, dass Frankfurt als Leuchtturm auf diesem Themengebiet gilt und es ein starkes Interesse gibt, auch künftig gemeinsam Forschungsvorhaben voranzutreiben und andere Projekte – so ist zum Beispiel aktuell ein Antrag für ein gemeinsames Graduiertenkolleg geplant. Sehr inspirierend war für mich unter anderem auch ein Gespräch mit dem Rechtswissenschaftler Markus Dubber, der (aus Deutschland kommend) schon lange Professor in Toronto ist. Er leitet dort das Center for Ethics und hat eine Vortragsreihe zu Künstlicher Intelligenz ins Leben gerufen, die sich mit den großen rechtlichen und ethischen Fragestellungen in diesem Zusammenhang befasst. Das ist ein Thema, zu dem es auch an der Goethe-Universität viel Expertise gibt und ein Format, das ich mir ähnlich auch hier in Frankfurt gut vorstellen könnte.
Auch wenn unsere Partnerschaft schon so lange und so gut funktioniert: Ein Selbstläufer ist sie nicht. Zumal man bei einer derart renommierten Universität leicht aus dem Blickfeld geraten kann, wenn die persönlichen Beziehungen abreißen. Unser Besuch war der erste seit mehreren Jahren beim Präsidium der University of Toronto, und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort haben uns mehrfach bestätigt, wie gut es war, dass wir die persönlichen Beziehungen zur Hochschulleitung wieder vertieft hatten. Der Besuch, so wurde uns gesagt, habe sich schon teils direkt so ausgewirkt, dass gemeinsame Projektanträge mit Frankfurt, die zuvor noch in der Warteschleife hingen, jetzt plötzlich mit Rückenwind Fahrt aufnehmen konnten.
Collegestruktur mit Harry-Potter-Flair
Die University of Toronto ist in mehrere Colleges aufgeteilt, die architektonisch ein Stück an die historischen Unigebäude in Oxford und Cambridge erinnern und mit ihren Speisesälen und Wohnheimen einen Hauch von Harry Potter verströmen. Ich finde, eine solche besondere Atmosphäre hat schon etwas Erhebendes und kann auch so manches Gespräch noch einmal extra beflügeln – feststellen konnte ich das zum Beispiel beim Lunch im beeindruckenden Gallery Grill. Ich würde mir wünschen, dass wir auch unseren Studierenden zum Beispiel bei Graduiertenfeiern ein ähnlich schönes Setting ermöglichen könnten, das der Würde des Anlasses gerecht wird – beispielsweise, indem die Veranstaltung in Räumen wie der Alten Aula in Bockenheim mit ihrem schlossartigen Charakter stattfindet.
Für die Studierenden ist die College-Struktur ein echter Vorteil: Die Großuniversität wird dadurch in überschaubare Einheiten verkleinert, bei Anliegen wie studentischem Wohnen auf dem Campus ist nicht die Universität als Ganzes sondern das jeweilige College der Ansprechpartner. Interessant aber: Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind Benefit und Funktionsweise dieser Organisation teils ziemlich unklar; teilweise scheint die Struktur doch recht kompliziert verwoben zu sein.
Die in Nordamerika sonst ziemlich populären studentischen Verbindungen sind an der University of Toronto übrigens verboten – zumindest die Fraternities für die Männer. Die Exzesse bei Partys oder auch manche Initiationsriten waren wohl in der Vergangenheit zu heftig gewesen … Offensichtlich mehr Vertrauen hat die Leitung dagegen in die Studentinnen; einige Sororities dürfen nämlich durchaus in Toronto das Campusleben bereichern.
Was mir bei meinem Besuch in Toronto noch einmal sehr klar vor Augen geführt wurde: Eine Spitzenuniversität kann es ohne Spitzeninfrastruktur nicht geben. Und in dieser Hinsicht kann die Goethe-Universität einfach nicht mit der University of Toronto mithalten: Überfüllte Seminare gibt es in Toronto nicht; Professorinnen und Professoren werden unter anderem bei der Prüfungsorganisation fast komplett vom Exam Office entlastet – doch das geht eben auch nur mit der entsprechenden Grundfinanzierung.
Autor: Rolf van Dick