Über Geld spricht man nicht?! Mit diesem Grundsatz kann Hans-Joachim Böcking, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Goethe-Universität, nichts anfangen. Ganz im Gegenteil: Transparenz ist für ihn ein zentraler Bestandteil der ordnungsgemäßen Unternehmensführung und -überwachung – wenn der Vorstand ein Unternehmen ordnungsgemäß führen will, und wenn der Aufsichtsrat seinerseits den Vorstand bei dessen Tätigkeit überwacht.
„Transparenz schafft Vertrauen“, begründet Böcking seine Einstellung, „die börsennotierten Unternehmen sind ihren Aktionären und der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig, um somit die Risikolage des Unternehmens offenzulegen. Die Mechanismen ordnungsgemäßer Unternehmensführung und -überwachung können dazu beitragen, das Unternehmensrisiko zu reduzieren.“
Zu eben dieser Transparenz hat Böcking selbst beigetragen. Zusammen mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC haben er und sein Team die Vergütung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern der DAX- und MDAX-Unternehmen analysiert. Dabei haben die Wissenschaftler festgestellt, dass zwischen Anspruch und Realität sehr wohl eine Lücke klaffen kann:
„Manche Vorstände bekennen sich zwar nach außen hin zur Nachhaltigkeit und sprechen sich dafür aus, langfristige Geschäftsziele in den Vordergrund zu stellen“, sagt Böcking. „In unserer Vergütungsstudie haben wir allerdings festgestellt, dass es mit der Nachhaltigkeit bisweilen nicht allzu weit her ist. Dieses Thema sollte mehr berücksichtigt werden.“
Nachhaltige Vergütung?
Beispielsweise erhielten einige Vorstände einen Teil ihrer Vergütung in Form von Aktien des Unternehmens, also scheinbar als langfristige Gehaltskomponente. Allerdings werde ihnen in ihren Verträgen gleichzeitig gestattet, sich diese Gesellschaftsanteile bar auszahlen zu lassen.
„Dadurch wären Vorstände dann nicht mehr an das Unternehmen gebunden. Sie können ausscheiden und sich sagen ‚Nach mir die Sintflut – mit meinem ehemaligen Arbeitgeber habe ich nichts mehr zu tun.‘ Mit Nachhaltigkeit hat solch eine Regelung nichts zu tun“, kommentiert Böcking.
Abhilfe schaffen kann seiner Meinung nach, wenn ehemalige Vorstandsmitglieder für einen gewissen Zeitraum – beispielsweise fünf Jahre – dazu verpflichtet werden, ihre Unternehmensanteile zu halten. Böcking folgert: „Wir gehen davon aus, dass Vorstände dann eine engere Beziehung zum Unternehmen haben und tatsächlich langfristig im Sinne des Unternehmens, also auch im Sinne der Aktionäre handeln.“
Im Unternehmensinteresse zu handeln, umfasst hierbei nicht allein finanzielle Aspekte. Genauso wichtig sind für Böcking „nichtfinanzielle Leistungsindikatoren“. Das sind diejenigen Kenngrößen eines Unternehmens, die dessen nachhaltige Ausrichtung beschreiben und denen in Zukunft wachsende Bedeutung beizumessen ist:
„Der Nachhaltigkeitsbegriff wird eine immer größere Rolle spielen, und daher werden Aufsichtsräte nicht umhinkommen, auch die Vorstandsvergütung zumindest ein Stück weit an nichtfinanziellen Leistungsindikatoren auszurichten, das heißt beispielsweise an Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen sowie an der Achtung der Menschenrechte und an der Bekämpfung von Korruption“, prognostiziert Böcking.
Sein Fachgebiet – Wirtschaftsprüfung und „Corporate Governance“, also die ordnungsgemäße Unternehmensführung und -überwachung – ist für ihn in Forschung und Lehre nicht nur Beruf, sondern Berufung. „Ich beobachte, dass unsere Studierenden sich sehr wohl des gesellschaftlichen Wertewandels bewusst sind und nicht einfach bei prominenten Unternehmen Karriere machen wollen.
Ich stelle mich auch ihren heiklen Fragen, denn ich sehe meine Aufgabe darin, sie zu kritischen Betriebswirten zu erziehen und konfrontiere sie daher in meinen Vorlesungen und Seminaren immer wieder mit Zeitungsartikeln und Fachaufsätzen“, sagt Böcking, dessen didaktisches Engagement schon mehrfach mit Bestnoten evaluiert und ausgezeichnet wurde.
Qualitätssicherung in der Lehre
Als stellvertretender Vorsitzender der Akkreditierungskommission setzt sich Böcking außerdem weit über die Grenzen der Wirtschaftswissenschaften hinaus für Qualitätssicherung in der Lehre und für die Weiterentwicklung des Studienangebots der Goethe- Universität ein:
Seit diese als erste der großen Universitäten in Deutschland die „Systemakkreditierung“ erhielt, obliegt es den Professorinnen, Professoren und Studierenden der Kommission (und nicht mehr einer der acht deutschen Akkreditierungsagenturen), alle derzeit angebotenen und geplanten Studiengänge zu überprüfen.
Das Ziel ist es, dass in Bezug auf Aufbau, Dauer, Inhalte, geforderte Eingangsqualifikationen und Prüfungsorganisation jeweils festgelegte Standards gelten, so dass alle Fächer, die an der Goethe-Universität studiert werden können, zu anerkannten Abschlüssen führen. Die Akkreditierungskommission zieht dazu regelmäßig externe Gutachter hinzu und wird ihrerseits in bestimmten Zeitabständen von einer Akkreditierungsagentur überprüft.
Der Akkreditierungsvorgang fordert von allen Lehrenden der Goethe-Universität Rechenschaft über ihre Veranstaltungen. Böcking setzt sich also auch hier für Transparenz ein – die wiederum trägt zur Qualitätssicherung bei. Insofern besteht zwischen Studienfächern und Wirtschaftsunternehmen kein großer Unterschied.
[Autorin: Stefanie Hense]
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.17 (PDF-Download) des UniReport erschienen.