Den typischen Arbeitsalltag gibt es bei Maria Reinhardt nicht. Eher 30, 40 oder 50 typische Arbeitstage. Sie verwaltet mit der Villa Muthesius und der Villa Cahn zwei Gästehäuser der Goethe-Universität.
Wie ein typischer Arbeitstag von Maria Reinhardt aussieht? Gar nicht so einfach zu beantworten. Als ausgebildete Hotelfachfrau und Verwalterin der Gästehäuser Ditmarstraße und Frauenlobstraße mit insgesamt 22 voll möblierten Appartements (einschließlich voll ausgestatteter Küche und eigenem Badezimmer) hat Reinhardt nicht einfach einen, sondern 30, 40 oder 50 typische Arbeitstage.
»Ich bin dafür zuständig, dass die Gastwissenschaftler der Goethe-Universität in ihren Appartements das haben, was sie brauchen, und dabei habe ich die wunderbare Möglichkeit, meinen Tag – prinzipiell – selbstständig zu gestalten. Das heißt, ich plane eigenverantwortlich, was ich an einem bestimmten Tag machen möchte«, sagt sie. Aber es sei keine Seltenheit, dass dieser Tag dann völlig anders verlaufe, weil ihre Gäste Probleme mit der Unterkunft hätten:
»Da geht die Herdplatte kaputt, und ich muss einen Elektriker vorbeischicken, da bekommt jemand kurzfristig Besuch und benötigt für ein paar Tage ein zusätzliches Bett, das ich organisieren muss«, berichtet sie. Zu ihren Gästen gehören nicht nur die auswärtigen – im Allgemeinen: internationalen – Wissenschaftler, die während ihres Forschungsaufenthalts in Frankfurt hier wohnen, sondern auch die Veranstaltungsgäste, die einer Einladung in die »Villa Muthesius « (Ditmarstraße) oder die »Villa Cahn« (Frauenlobstraße) folgen.
Rund 110 Arbeitstagungen, Klausuren, Symposien, Vorträge, Geburtstags- und andere Feiern betreut Reinhardt jedes Jahr, darunter den Empfang für neu berufene Professorinnen und Professoren sowie gelegentlich auch ein Konzert, bei dem einer der beiden Flügel erklingt. Bevor die Gäste das Haus betreten, um zu tagen, zu diskutieren, zuzuhören oder zu feiern, hat Reinhardt allerdings schon einen beträchtlichen Teil der »Betreuungsleistung« erbracht:
Um das Finanzielle braucht sie sich zwar nicht zu kümmern, aber sie führt in vielen Fällen mit dem Veranstalter als dem jeweiligen Gastgeber ein Gespräch vor Ort, um die Nutzungsvereinbarung vorzubereiten und organisatorische Fragen zu klären.
Sie stimmt sich gegebenenfalls mit dem Catering- Unternehmen des Veranstalters ab, teilt ihre Servicekräfte – studentische Hilfskräfte mit einem Mini-Job – ein, bestellt bei externen Unternehmen einen Hausmeister und eine Putztruppe, weist den Hausmeister ein, kontrolliert die Lager für Tischwäsche und Getränke, überprüft, ob das Haus sauber und in der gewünschten Anordnung bestuhlt ist.
Und bei alledem verliert sie die Bedürfnisse der Appartement-Gäste nie aus den Augen. Denn diese beiden Aspekte von Reinhardts Tätigkeit greifen ständig ineinander: »Das lässt sich nicht trennen«, sagt sie und schildert ein Beispiel: »Wenn ich vormittags zum Dienst komme, um an diesem Tag zwei Appartements zu kontrollieren, ob sie bereit für neue Gäste sind, war ich davor schon im Großhandel, weil in meinem Lager kein Spülmittel für die Küchen der Appartements vorrätig ist, und außerdem habe ich Servietten und eine Kiste Milch im Kofferraum, weil am nächsten Tag in der Frauenlobstraße eine Konferenz mit 80 Besuchern stattfindet.«
Sowohl die Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Goethe-Universität als auch die Veranstaltungsgäste sind ihr das ganze Jahr über willkommen. »Dabei finden hier bei weitem nicht nur Veranstaltungen der Goethe-Universität statt«, erläutert Reinhardt, »in 40 von 100 Fällen lädt eine Privatperson oder ein Unternehmen in die Ditmar- beziehungsweise Frauenlobstraße ein.«
Die »Stiftung zur Förderung der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit der Goethe-Universität«, also die Eigentümerin dieser beiden Gästehäuser, ist privatrechtlich organisiert und macht keine Vorgaben bezüglich der Nutzung – bis auf eine: Gemäß ihrer Satzung stehen die Appartements vorrangig den internationalen Gästen zur Verfügung.
Deutsche Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler finden hier nur dann eine Unterkunft, wenn ein Appartement frei ist und gerade keine Anfrage für einen ausländischen Gast vorliegt. Aber das sei nur selten der Fall: »Wir sind praktisch immer zu 100 Prozent ausgebucht«, berichtet Reinhardt, »im Moment kommen unsere Gäste beispielsweise aus Indien, aus der Türkei, aus Frankreich, Italien und Amerika.
Manche bleiben nur einen Monat, das ist die Mindestmietdauer. Andere wiederum wohnen hier so lange wie möglich, das heißt 14 Monate, und im Durchschnitt dauert ein Aufenthalt vier Monate. Die meisten der Appartements seien zwischen 25 und 40 Quadratmeter groß und würden von Einzelgästen bewohnt, erläutert Reinhardt; in der Ditmarstraße stünden jedoch fünf 50 bis 70 Quadratmeter große Appartements zur Verfügung, die ein Paar und gegebenenfalls ein bis zwei Kinder beherbergen könnten.
Klar, dass bei der ständigen Belegung auch mal der eine oder andere Gebrauchsgegenstand seinen Geist aufgibt. In den meisten Fällen nimmt Reinhard das locker: »Da bricht mal ein Briefkastenschlüssel ab – kein Problem. Ich habe ein Reserveschloss vorrätig, also altes Schloss aus-, neues Schloss einbauen, Angelegenheit erledigt. Das Stromkabel vom Wasserkocher ist auf die heiße Herdplatte gekommen? Ich besorge einen neuen Wasserkocher.«
Zur Entspannung geht Reinhardt für einige Minuten an die frische Luft, in den 7.000 Quadratmeter großen Park, der die beiden Gästehäuser verbindet und umgibt. Und bei allem Stress wird sie durch viele schöne Momente entschädigt: Zum Beispiel, wenn ein Gast morgens auf seinem oder ihrem Weg an die Uni an ihre Bürotür klopft – einfach, um ihr einen guten Morgen und einen schönen Tag zu wünschen. Oder wenn Gäste sich nach ihrem Aufenthalt mit einer schönen Karte oder mit einen kurzen Brief bei ihr bedanken. Außerdem ist Reinhardt schlicht Gastgeberin mit Leib und Seele: »Ich liebe den Umgang mit Gästen, die ich betreue und versorge. Ich brauche Menschen um mich, und ich mag meine Gäste, gleich ob sie bei uns wohnen, tagen oder feiern.«
Autorin: Stefanie Hense
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.18 der Mitarbeiterzeitung GoetheSpektrum erschienen.