Niklas Knitter ist Physikstudent und Freiwilliger Feuerwehrmann. Oder umgekehrt. Schwer auszumachen, was für ihn wichtiger ist. Denn die Freiwillige Feuerwehr ist für den 21-Jährigen nicht bloß irgendein Hobby. In Neu-Isenburg wurde er jetzt als Feuerwehrmann des Jahres ausgezeichnet.
Es gibt etwas, das verwundert, wenn man mit Niklas Knitter spricht: Er lässt sich mit seinen Antworten viel Zeit. Und wenn er nicht die richtigen Worte findet, dann sagt er lieber nichts. Oder nur: „Das ist schwer zu beschreiben.“ Dabei könnte man annehmen, dass er es bei seinem Tagespensum besonders eilig hat. Gerade ist der ehrenamtliche Feuermann mit der Rekordzahl von 128 Einsätzen in Neu-Isenburg als Feuerwehrmann des Jahres ausgezeichnet worden: Jeden dritten Tag fuhr er mit seinen Teamkollegen los – zum Löschen von Bränden, Unfallorte-Sichern, Türen-Öffnen, Menschen-aus-Notlagen-Retten. In der Nacht vor dem Telefongespräch war er wieder unterwegs. Das Wesentliche hat er sofort parat. „2.06 Uhr. Drei Fahrzeuge mit zehn Personen, plus Rettungsdienst, plus Polizei. Fehlerauslösung einer Brandmeldeanlage.“ Seit seinem zehnten Lebensjahr ist Niklas Knitter dabei, zunächst als Jugendfeuerwehrmann; seit er 17 ist, ist er in der Einsatzabteilung tätig. Heute bildet er Jugendliche selbst aus. Und sich selbst ständig weiter: Eigentlich hätte er in wenigen Tagen unterwegs sein müssen, auf einer zweiwöchigen Fortbildung über den Umgang mit Gefahrengütern.
Wer den Namen des 21-Jährigen ins Internet eingibt, findet einen Menschen, der sich engagiert: Mit der Chemie- und Umwelt-AG der Goetheschule in Neu-Isenburg nahm der 16-Jährige an einer „Jugend forscht“-Ausschreibung teil und trug mit dazu bei, dass seine Schule ausgezeichnet wurde. Derzeit gehört Niklas Knitter zum Kernteam „Jugendforum“, das in Neu-Isenburg dafür sorgt, dass die Perspektiven und Erfahrungen von Jugendlichen im Stadtparlament wahrgenommen werden; im vergangen Jahr etwa organisierten die jungen Leute eine Klimakonferenz, um Jugendliche für Klimafragen zu interessieren. Und seit Kurzem steht Niklas Knitter auf der Kandidatenliste der Grünen für die kommende Kommunalwahl. Er bringe sich eben lieber ein, als etwas nur blöd zu finden, sagt er.
Praktische Arbeit bei der Feuerwehr passt gut zur Theorie der Physik
Doch es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb wir über Niklas Knitter berichten: Er studiert quasi hauptamtlich im 7. Semester Physik an der Goethe-Universität. Ein „sehr guter Physiklehrer“, selbst Absolvent der Goethe-Uni, sei dafür verantwortlich gewesen, dass sich bei ihm Physik als Studienfach gegenüber eher anwendungsorientierten Optionen wie Maschinenbau durchgesetzt habe, erzählt Knitter. Heute ist er froh, dass er durch sein Physikstudium „fundamentales Allgemeinwissen“ bekommt. Und dass er durch seine Feuerwehrausbildung einen praktischen Ausgleich zum theoriegeprägten Studium hat. „Ohne diesen Ausgleich wäre meine persönliche Produktivität im Studium sicher geringer.“ Was wohl heißen soll: Studieren allein wäre ziemlich öde. Was ihm nämlich bei der Feuerwehr gefällt: Die Feuerwehrleute wissen nie, welche Situation sie antreffen. „Man muss funktionieren und mit dem Material zurechtkommen, das man hat.“ Wichtig ist ihm auch, dass die Menschen, mit denen sein Team in Berührung kommt, anders als an der Uni verschieden sind – an Alter, Herkunft, Position, Bildung. Das einzige, das Niklas Knitter und seine Kollegen, die meisten inzwischen Freunde, vor einem Einsatz wissen: dass sie sich aufeinander verlassen können.
Ob diese Erfahrung auch sein Studium prägt, sein Verhältnis zu Studienkollegen? Sicher, stimmt er zu, nehme er in seinem Studium Dinge anders wahr. Wie genau? Lange Pause. „Das ist schwer zu beschreiben.“ Vielleicht führt seine Teamerfahrung bei der Feuerwehr dazu, dass er im Online-Semester nicht einfach zu einer Bachelor-Arbeitsgruppe stoßen wollte, ohne jemanden persönlich zu kennen. Vielleicht ist er aber auch zu vielseitig interessiert, um sich jetzt schon spezialisieren zu wollen. Jedenfalls steht die Bachelorarbeit nun auf seiner Agenda für 2021.
Je länger man sich mit Niklas Knitter unterhält, desto besser scheint das Sich-Zeit-Nehmen zu ihm zu passen. Dass er zum Feuerwehrmann des Jahres gekürt wurde, habe etwas mit Corona zu tun, erklärt er gelassen. Während er es vor der Pandemie aus der Universität oft nicht rechtzeitig zu einem Einsatzort geschafft habe, sei er als Online-Student schnell vor Ort gewesen. Die frei gestaltbare Zeit durch das Online-Studium mache mehr Einsätze möglich. Dass er sich in seinem Studium auch und gerade deshalb sehr gut organisieren muss, hält er schon kaum noch für der Rede wert. Und auch die Pflicht, sich als Feuerwehrwehrmann sportlich fit halten zu müssen („unsere Atemschutztauglichkeit wird regelmäßig ärztlich getestet“), erwähnt er nur beiläufig.
Er habe kein Problem, wegen seines Berufs später einmal mobil zu sein. In jedem Fall, daran hat Niklas Knitter aber keine Zweifel, wird er sich dann aber vor Ort wieder einer Feuerwehrgruppe anschließen. Denn falls er das noch nicht gesagt habe: Er wolle einfach helfen. Zu erfahren, dass Menschen durch den Einsatz der Feuerwehr überlebt hätten, das fühle sich schon sehr gut an.
Pia Barth
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 1/2021 (PDF) des UniReport erschienen.