Lehre und Forschung, das ist es, was eine Uni ausmacht – das trifft sowohl auf die Goethe-Universität als auch auf jede andere Alma Mater zu. In der Ausbildung von Pharmazeutinnen und Pharmazeuten gibt die Approbationsordnung für Apotheker allerdings einen extrem verdichteten Studienplan vor, in dem Forschung nur in geringem Umfang vorkommt. Für die Lehrenden der Pharmazie war das der Anlass, den neuen, forschungsorientierten Masterstudiengang Arzneimittelforschung ins Leben zu rufen, der vor einem Jahr, mit dem Beginn des Wintersemesters 2018/19, gestartet ist.
Seither steht der Studiengang zwei Gruppen von Studierenden offen: Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, die schon fertigstudiert und das zweite Staatsexamen abgelegt haben, sowie Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern, die einen „pharmazienahen“ Studiengang mit dem Bachelor abgeschlossen haben. „Also beispielsweise biomedizinische Chemie oder unter Umständen sogar Biophysik“, erläutert die Koordinatorin des Studiengangs, Dr. Bettina Hofmann, „einen Astrophysiker oder eine Festkörperchemikerin könnten wir hingegen nicht zulassen, weil da einfach zu viele Grundlagen für die Arzneimittelforschung fehlen.“
Und Robert Fürst, Professor für Pharmazeutische Biologie und akademischer Leiter des Studienganges, ergänzt: „Wobei man bei den vielen unterschiedlichen Bachelorstudiengängen immer genau hinschauen muss, wie nah sie tatsächlich an der Arzneimittelforschung sind.“ Die Zulassung könne zum Beispiel zusammen mit der Empfehlung ausgesprochen werden, doch noch diese oder jene ergänzende Lehrveranstaltung zu besuchen, und in manchen Fällen werde die Zulassung nur unter der Auflage erteilt, dass der oder die Studierende mit dieser Vorlesung oder jenem Kurs die Wissenslücken schließe.
Für jede der beiden Gruppen von Studierenden gibt es ein eigenes Curriculum: Den Absolventinnen und Absolventen naturwissenschaftlicher Bachelorstudiengänge werden zunächst in der Grundlagenphase diejenigen pharmazeutischen Kompetenzen vermittelt, die für die Arzneimittelforschung wichtig sind und die Pharmazie-Studierende bis zu ihrem zweiten Staatsexamen schon erworben haben: Arzneistoffund Arzneimittelanalytik, Biochemie und Molekularbiologie, Pharmakologie/Toxikologie, Pharmazeutische und Medizinische Chemie, Pharmazeutische Technologie sowie Pharmazeutische Biologie.
Eigenständiges Forschen
An den Grundlagenabschnitt schließt sich für beide Gruppen identisch die zweisemestrige Forschungsphase des Studienganges „Arzneimittelforschung“ an, bestehend aus zwei sechswöchigen Forschungspraktika, Kursen zur aktuellen Wirkstoff- und Arzneimittelentwicklung und zu „Legal Aspects“ sowie der ein Semester dauernden Masterarbeit. Weil Pharmazeutinnen und Pharmazeuten die Grundlagen schon in ihrem Studium bis zum zweiten Staatsexamen gelernt haben, steigen sie gleich in diese Forschungsphase ein. „Unser Studiengang ist ja ganz klar auf die Forschung ausgerichtet. Um unseren Studierenden einen möglichst reibungslosen Einstieg in den Forschungsbetrieb zu ermöglichen, holen wir jeden einzelnen von ihnen auf dem Niveau ab, wo er oder sie nach dem bisherigen Studium steht“, erläutert Koordinatorin Hofmann.
In den Forschungspraktika, die an der Goethe-Universität stattfinden, werden die Studierenden in einen der Arbeitskreise aufgenommen, in denen Promovierende, Postdocs, Habilitierende und ein Hochschullehrer oder eine Hochschullehrerin an pharmazeutischen Fragestellungen forschen. Dort arbeiten die Studierenden selbstständig – wenngleich natürlich unter Anleitung – an einer konkreten Teilforschungsaufgabe, die sich im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts stellt, etwa einer Promotion oder Habilitation. „In den Kursen zur aktuellen Wirkstoff- und Arzneimittelentwicklung passen wir außerdem das Curriculum ständig an neue Entwicklungen an. Wir laden Dozenten von Hochschulen und aus der Industrie ein, aus Deutschland und aus dem Ausland, damit sie unseren Studierenden über ihre derzeitige Forschung berichten, so dass sich unsere Absolventinnen und Absolventen am Ende ihres Studiums mit ihren Kenntnissen stets auf der Höhe der Zeit befinden“, sagt Hofmann.
„Im Pharmaziestudium hingegen kommt die topaktuelle Forschung im Allgemeinen zu kurz“, fährt sie fort. „Angesichts der riesigen Stoffmenge ist dort einfach kaum Zeit fürs Forschen, und außerdem soll ein Pharmaziestudium ja auch auf die Tätigkeit in der Apotheke vorbereiten.“ Die Forschung an und die Entwicklung von Arzneimitteln finde hingegen eher in den Labors von Universitäten, Forschungsinstituten und Pharmaunternehmen statt. „Die Forschungspraktika geben mir in dem Masterstudiengang die Möglichkeit, eigenständig zu arbeiten und mein Studium größtenteils selbst zu gestalten“, sagt Max Berg, der sich entschieden hat, sein Pharmaziestudium durch den für ihn zweisemestrigen Masterstudiengang „Arzneimittelforschung“ zu ergänzen. Er fügt hinzu: „Das hat mir im eher ‚verschulten’ Pharmaziestudium ein bisschen gefehlt.“ Außerdem könne er als Pharmazeut die sechsmonatige Masterarbeit als Teil seines praktischen Jahres anrechnen lassen, das die Approbationsordnung für Apotheker im Anschluss an das 2. Staatsexamen vorsehe, fügt Studiengangskoordinatorin Hofmann hinzu und merkt an: „Auf diese Weise können Pharmazeutinnen und Pharmazeuten im Endeffekt einen zusätzlichen Masterabschluss in Arzneimittelforschung erwerben, wenn sie gerade mal für ein halbes Jahr länger an der Uni bleiben.“
Eines der beiden Forschungspraktika, die für diesen Masterstudiengang vorgeschrieben sind, müssen die Studierenden an der Goethe-Universität absolvieren – das andere kann zum Beispiel auch in einem (deutschen oder ausländischen) Unternehmen der Pharmaindustrie absolviert werden. Und weil sich die Studierenden auf der Grundlage ihrer Forschungspraktika für das Themengebiet entscheiden, in dem sie ihre Masterarbeit anfertigen wollen, stellen sie mit der Wahl der Praktikumsplätze im Allgemeinen schon die Weichen für den Beginn ihrer Forscherlaufbahn. Zwar ist es möglich, dass beide Forschungspraktika in der gleichen Disziplin pharmazeutischer Forschung absolviert werden (Pharmakologie, Klinische Pharmazie, Pharmazeutische Chemie, Pharmazeutische Technologie, Pharmazeutische Biologie). „Aber wir raten unseren Studierenden stark dazu, sich auszuprobieren und Erfahrungen in zwei unterschiedlichen Disziplinen zu sammeln“, wendet Fürst ein, „damit sie eine fundierte Entscheidung für das Thema ihrer Masterarbeit treffen können.“ „…auch denjenigen Studierenden, die ‚schon immer wussten’, dass ihr Herz für eine ganz bestimmte Disziplin schlägt“, fügt Hofmann hinzu. „Später im Job werden sie mit einiger Sicherheit auch mit den anderen Disziplinen in Kontakt kommen, da ist es hilfreich, schon im Studium über den Tellerrand hinausgeschaut zu haben.“
Familiäre Atmosphäre
In dieser Hinsicht müssen Hofmann und Fürst bei Eddy Presterl keine Überzeugungsarbeit mehr leisten. Presterl, der sein Biochemie-Studium in Würzburg mit dem Bachelor abgeschlossen und sich dabei auf Onkologie konzentriert hat, möchte mit dem Masterstudiengang „Arzneimittelforschung“ sein pharmazeutisches Spektrum erweitern: Im Bachelorstudium hat er sich mit den molekularen Ursachen von Krebs beschäftigt. Und mithilfe der Arzneimittelforschung möchte er sich jetzt auf die Suche nach den Therapiemöglichkeiten für diese Krankheit begeben. Jetzt, nachdem er die Grundlagenphase seines Masterstudienganges erfolgreich durchlaufen hat, wird er in seinem ersten Forschungspraktikum die Rolle des Signalmoleküls cGMP bei chronischen Schmerzen untersuchen, bevor er im März/April kommenden Jahres in seinem zweiten Forschungspraktikum und danach möglicherweise auch in der Masterarbeit nach Therapien für die Krebserkrankung „Akute lymphatische Leukämie“ sucht.
Von dem Studiengang Arzneimittelforschung ist Presterl vollkommen überzeugt, sowohl von der Qualität der Lehrveranstaltungen, die an das bewährte System des Pharmaziestudiums anknüpften, als auch vom Niveau der Forschung, die den Studierenden nahegebracht werde: „Da ist Frankfurt mit der Goethe-Universität und mit Forschungseinrichtungen wie etwa den Max-Planck-Instituten und dem Buchmann-Institut einfach ein Top-Standort. Und die pharmazeutische Industrie ist im Rhein-Main-Gebiet ebenfalls stark vertreten.“ Auch die familiäre Atmosphäre und den engen Kontakt zu den Dozentinnen und Dozenten schätzt Presterl; zum Studium der Arzneimittelforschung werden (von derzeit mehr als zehnmal so vielen Bewerbern) gerade einmal fünf Bachelorabsolventinnen und -absolventen zugelassen. Von ihrem dritten Semester an werden diese dann zusammen mit ebenfalls maximal fünf ehemaligen Pharmazie-Studierenden unterrichtet. Statt die Grundlagenphase des Studienganges „Arzneimittelforschung“ zu durchlaufen, haben diese ja das zweite pharmazeutische Staatsexamen abgelegt, bevor sie mit den Forschungspraktika und der Masterarbeit in der Arzneimittelforschung beginnen. „Außerdem wird es wohlwollend unterstützt, wenn wir Studierenden uns freiwillig weiter qualifizieren“, sagt Presterl, „ich konnte zum Beispiel eine zusätzliche Veranstaltung im Patentrecht belegen, die mir bei einer späteren Berufstätigkeit in der Arzneimittelforschung oder -entwicklung bestimmt zugutekommt.“
Stefanie Hense
Weitere Infos zum Masterstudiengang
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 5.19 des UniReport erschienen.