Im Geographie-Seminar »Klimawandel und Siedlungsentwicklung« haben Studierende Ideen für eine ökologische Stadtplanung in Frankfurt und Umgebung erarbeitet.
Auf dem Campus Riedberg ist es Mitte Juli heiß und stickig, passenderweise präsentieren dazu Studierende eines Geographie-Seminars die Ergebnisse ihrer Projektarbeit. Denn sie sind in den vergangenen Monaten der Frage nachgegangen, wie in Zeiten einer immer deutlicher werdenden Klimaerwärmung die Stadtplanung in Frankfurt und Umgebung geeignete Maßnahmen ergreifen kann, die der anderen großen Herausforderung auch gerecht wird: nämlich dem Bevölkerungswachstum. In einem zweisemestrigen Seminar, das von Dr. Rainer Dambeck geleitet wurde, haben die Bachelorstudierenden in ihrem dritten Jahr, das vom Curriculum her anwendungsbezogen und berufsorientiert angelegt ist, mit dem Klimawandel und der Siedlungsentwicklung in der Metropolregion Frankfurt Rhein-Main auseinandergesetzt. Dambeck, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Studiengangkoordinator am Institut für Physische Geographie, erläutert die Zielsetzung des Seminars: „Physische Geographinnen und Geographen beschäftigen sich häufig mit der physischen Lebensumwelt, mit Landschaften und deren Funktionsweisen auf einer globalen Skala. Das kann mitunter schon sehr abstrakt auf Außenstehende wirken, daher ging es mir in diesem Seminar um eine konkretere Fragestellung: Wie reagiert man in einer Stadt wie Frankfurt, in der jedes Jahr mehrere tausend Neubürgerinnen und Neubürger für eine zunehmende Verstädterung sorgen, auf die Herausforderungen des Klimawandels?“ Nicht nur Politik und Stadtplanung, sondern auch die Wissenschaft müssten Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart liefern.
Ressourcen schonen, neue Perspektiven erschließen
Zuerst wurden in Kleingruppen die Grundlagen der vier Themengebiete „Luft“, „Wasser“, „Boden“ und „Mobilität“ erarbeitet. Im zweiten Teil ging es dann darum, in den bestehenden Gruppen themenspezifische Lösungsansätze zu entwickeln. Michelle van den Akker hat in der Gruppe zum Thema „Luft“ mitgearbeitet: „Wir haben zuerst einmal über eine Literaturrecherche geschaut, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Luft und des Stadtklimas vorhanden sind.
Im Fokus unserer Projektarbeit stand die Frankfurter Zeil. Dieser stark bebaute und frequentierte Innenstadtbereich mit einer recht hohen Flächenversiegelung weist im Vergleich mit dem Umland hohe Temperaturen auf, die Luft ist recht stark belastet. Wir sind dann auf das sogenannte ‚Bächle‘ gestoßen, das in Freiburg einen nachhaltigen Beitrag zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit leistet; Ähnliches könnten wir uns für die Zeil vorstellen“, berichtet van den Akker.
Weitere Maßnahmen im Handlungsfeld „Luft“ könnten eine Begrünung von Fassaden und Dachflächen sein. Eine von der Gruppe erstellte Karte zeigt Potenziale auf, die bislang zur Luft- und Klimaverbesserung noch ungenutzt bleiben. Die Projektgruppe zum Thema „Wasser“ hat sich mit der Frage befasst, auf welche Weise Hausdächer im stark wachsenden Frankfurter Stadtteil Riedberg zukünftig einen stärkeren Beitrag zur ökologischen Stadtentwicklung leisten können. „Frankfurt verfügt nur über relativ geringe eigene Grundwasserressourcen, sondern bezieht sein Trinkwasser überwiegend aus dem Hessischen Ried und dem Vogelsberg. Dies stößt aber in Zeiten längerer Trockenheit bereits auf Probleme“, berichtet Projektmitglied Paul Alex.
Bislang fließe ein Großteil des Regenwassers ungenutzt in die Kanalisation. „Nach unseren Berechnungen könnte man über eine entsprechende Nutzung der Dachflächen am Campus Riedberg und den Bau von Zisternen die Gebäude mit Wasser für die Toilettenspülung und einige tausend Spülgänge am Tag versorgen“, betont Alex. Die auf diese Weise aufgefangene und zurückgehaltene Wassermenge würde der Kanalisation somit erst zeitlich verzögert zugeführt, was gerade bei Starkregenereignissen, die zukünftig wahrscheinlich häufiger auftreten, zur Entlastung beitrage, weil die Spitzenwerte der Wassereinleitung in das städtische Kanalsystem geringer ausfallen.
Das Problem der Flächenversiegelung spielt im Handlungsfeld „Boden“ eine gewichtige Rolle. Jonas Meth macht deutlich, dass der Boden als wertvolle ökologische Ressource oft übersehen werde: „Die Böden auf dem Riedberg und in den angrenzenden Gebieten sind sehr fruchtbar und aufgrund ihrer Ausgleichfunktion zum Beispiel für das Klima wichtig. Neue Siedlungsprojekte wie das potenzielle Vorhaben im Frankfurter Nordwesten, beiderseits der Autobahn (A5), werfen deshalb die Frage auf, wie man flächenschonend bauen, das heißt mit einem geringeren Flächenbedarf auskommen und auf eine großflächige Versiegelung möglichst verzichten kann“, betont Jonas.
Eine Stelzenbauweise, bei der Eingriffe in den Boden nur punktuell im Bereich der Fundamente erfolge, eröffne die Möglichkeit, den Boden unter den Gebäuden, anders als bisher, weitgehend zu erhalten. „Die effektive Bodenversiegelung bzw. der Verlust der natürlichen Bodenfunktionen könnten auf diese Weise reduziert werden.“ Beim vierten Handlungsfeld „Mobilität“ hat sich die Projektgruppe nach Austausch mit dem Mobilitätsforscher Prof. Martin Lanzendorf vom Institut für Humangeographie auf die Frage konzentriert, welche Potenziale und Herausforderungen die Fahrrad-Mobilität für den Stadtteil Riedberg bietet.
Im Rahmen von Fahrradexkursionen, berichtet Paul Mosbacher, sei im Seminar die Strecke von der Frankfurter Hauptwache zum Riedberg und von dort aus nach Bockenheim „erfahren“ und dabei untersucht worden, gerade auch im Hinblick auf die Konflikte mit anderen Verkehrsmitteln. „In der Frankfurter Innenstadt sind die Radwege recht gut, werden dann aber in Richtung der Vororte immer schlechter“, unterstreicht Mosbacher. Es mangele an einer Konnektivität der verschiedenen Fortbewegungsmittel:
So könnten Fahrräder beispielsweise noch nicht in ausreichendem Maße in der Bahn transportiert werden. Bei der Verkehrsplanung werde häufig immer noch zugunsten des Autos entschieden. Auch in der Bevölkerung sei oftmals noch zu wenig die Erkenntnis verbreitet, dass Fahrräder einen wichtigen Mobilitätsfaktor in der Stadt darstellen. Dass ein Bewusstseinswandel möglich ist, zeige die Geschichte der heute als vorbildlich angesehenen Fahrradstädte Kopenhagen und Amsterdam: Dort sei, so Mosbacher, in den 60er und 70er Jahren der Bewusstseinswandel von „unten“, also von der Bevölkerung ausgegangen.
Berufsfeld Umweltgeograph
Mit einem umfassenden Maßnahmenkatalog zu den vier untersuchten Handlungsfeldern, bilanziert Rainer Dambeck, soll das Seminar „Klimawandel und Siedlungsentwicklung“ abgeschlossen werden. Auf der Night of Science erhielten die Studierenden für ihre Präsentationen bereits einen großen Zuspruch. „Wir werden schauen, wie wir unsere Ergebnisse Stadtplanern, Politikern und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen werden“, sagt Dambeck.
Seinen Studierenden hat die konkrete Projektarbeit offensichtlich große Freude gemacht. „Man hat im Seminar gelernt, eigenständig und anwendungsbezogen ein Projekt durchzuführen“, berichtet Nadja Reinhardt. Einige betonen, dass sie sich eine berufliche Tätigkeit im immer wichtiger werdenden Feld Ökologie und Umweltschutz gut vorstellen können. Mensch und Umwelt befänden sich in einem komplexen Spannungsfeld; in der öffentlichen Diskussion, so der Tenor im Seminar, kursiere oft ein Halbwissen, das eine Lösung drängender ökologischer Probleme erschwere. Es gebe nicht nur den Klimawandel, sondern auch den drohenden Biodiversitätsverlust, unterstreicht Rainer Dambeck; viele Faktoren müssten bei der Bearbeitung von Problemstellungen und Lösungen berücksichtigt werden und dabei müsse auch die Frage, wie man Natur und Gesellschaft in Einklang bringt, im Blick behalten werden.
Es bedürfe der wissenschaftlichen Expertise, die Fakten seriös zu sichten und darauf aufbauend Handlungsempfehlungen zu formulieren. Zugleich betont Dambeck: „Als Geographinnen und Geographen wollen wir nicht im Elfenbeinturm sitzen, sondern zivilgesellschaftliches Engagement zeigen und Impulse in Richtung der Gesellschaft geben.“ Im Rahmen des Service Learning leisteten sowohl der Dozent als auch die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer dazu einen Beitrag.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 5.19 des UniReport erschienen.