Das Fach Koreastudien gehört zu den sogenannten „Kleinen Fächern“. Doch das Interesse an dem Fach nimmt seit Jahren rasant zu. Ein Grund: Die Popularität der koreanischen Film- und Popkultur.
Das stimmt schon so!“, sagt Studienberaterin Marion Wambold – bei vielen, die sich für Koreastudien begeisterten, sei das Interesse von K-Pop und K-Drama, von Popbands wie BTS und preisgekrönten Filmen wie Parasite und Minari geweckt worden. Die Studentin Jana Schneider, die im 3. Semester die Sprache und Kultur Koreas innerhalb der Empirischen Sprachwissenschaften studiert, fügt im Gespräch diesen Stichworten noch weitere hinzu: Als sie sich 2017 durch ihre damalige Arbeit als Visual Merchandiser kurz in Korea aufhielt, sei sie nicht nur von der „superspannenden“ Populärkultur beeindruckt gewesen: Die koreanische Küche? „Der absolute Wahnsinn.“ Koreanische Mode? „Ein Vorreiter in der Modewelt.“ Mit einem VHS-Koreanisch-Kurs war ihr Interesse noch längst nicht befriedigt. In den Lockdown-Monaten kam Jana Schneider ins Grübeln, dann fiel die Entscheidung: „Ich habe mich getraut, in die Koreastudien einzusteigen. Ich bereue das null.“
Wenn es ans Büffeln des koreanischen Alphabets namens Hangul geht, von Grammatik und Vokabeln, steigen aber dann die popbewegten Erstsemester nicht spätestens wieder aus? 30 Prozent des Studiums, erklärt Yonson Ahn, die einzige Professorin in den Koreastudien, nimmt das Sprachenlernen in Anspruch; später kommt in dem achtsemestrigen Studium noch durch Hanja-Kurse das Studium der altchinesischen Schriftzeichen hinzu. Wer das Fach im Hauptstudium belegt, muss es als Teilbereich der Empirischen Sprachwissenschaften studieren, also auch hier Kurse belegen. Denn noch können die Koreastudien nicht als eigenständiges Hauptfach gewählt werden. „Das ist dann wirklich ein großes Pensum“, seufzt Jana Schneider, zumal ja noch ein Nebenfach, in ihrem Fall Betriebswissenschaften, hinzukomme. „Eigentlich hat man drei Fächer.“
Schwerpunkt: modernes Korea
Noch einmal gefragt: Steigen die popkulturbewegten Erstsemester also bald wieder aus? Das Gegenteil ist der Fall, berichten Ahn und Wambold. Die Quote derjenigen, die vom Hauptfach zum Nebenfach wechseln wollen, sei weitaus niedriger als umgekehrt: Der Trend gehe zum Hauptfach. Was wohl mehrere Gründe hat: Der Schwerpunkt Sprache und Kultur Koreas an der Goethe-Universität liegt auf dem Modernen Korea, und das von Yonson Ahn geprägte Curriculum holt die Studierenden da ab, wo sie – zunächst – stehen. Wer unter einem vorgegebenen Thema wie „Die Rolle der Frau im modernen Korea“ über Frauen im K-Pop schreiben wolle – nur zu. Die Erfahrung zeig, dass sich das Interesse ohnehin schnell breiter auffächert. „Super überrascht“ war Jana Schneider etwa, wie spannend die Geschichte des Vormodernen Korea ist – und wie sich von dort aus noch einmal Phänomene des modernen Korea ganz neu erschließen. Das nimmt auch Professorin Ahn wahr: „Am Anfang steht K-Pop, aber dann steigen die Studierenden interessiert in die Geschichte und Gesellschaft Koreas ein.“
Auch die Einführungsvorlesung in die Koreastudien für alle Erstsemester präsentiert im Zeitraffer, was auf die Koreastudierenden zukommt: die Geschichte Koreas, Wirtschaft, Politik, Geografie, Religionen und vieles andere mehr. Tutorin Frauke Behre, die die Einführungsvorlesung mehrfach begleitet hat und derzeit ihre Masterarbeit in Modern Eastern Asien Studies mit einem Koreaschwerpunkt schreibt, bevorzugt den jungen Kommilitoninnen und Kommilitonen gegenüber eine klare Ansage: „Wer sich nur für Popkultur interessiert, dem sage ich, sie oder er sollte besser gehen.“ Aufgestanden ist noch niemand.
Das Faszinierende am Studium sei der „Mix“ an Themen und Methoden, ist von Studierenden zu hören. „Wir können gar nicht anders als interdisziplinär arbeiten“, nennt Marion Wambold einen der Gründe, wie es zu diesem besonderen Mix kommt. Geschichtswissenschaften, Migrationsforschung, Kulturwissenschaft und Frauenforschung beispielsweise liefern die Theorienund Methodenvielfalt, deren sich die Koreastudien bedienen. Zum anderen wird der Mix vom großen Netzwerk gespeist, das Yonson Ahn gesponnen hat – und stets weiterentwickelt. Wer anders als die großen Koreainstitute in Berlin, Bochum und Tübingen, deren Schwerpunkte auf Politikwissenschaft oder dem historischen Koreastudium liegen, über wenig Ressourcen verfügt, muss mit anderen kooperieren: Den Koreastudien an der Goethe-Universität ist es in diesem Jahr gelungen, vom südkoreanischen Ministerium für Bildung im Rahmen des „Core University Program for Korean Studies“ Drittmittel in Höhe von 700 000 Euro zu erhalten; außer Frankfurt wurde in Europa nur noch Oxford bedacht. Der Titel des Programms: „Cultivating Diversity: The global in Korea, Korea in the global“. Um Synergien zu schaffen und die geringen Ressourcen optimal zu nutzen, arbeitet Professorin Ahn eng mit der Koreanistik unter Professorin Yvonne Schulz Zinda in Hamburg und in Bonn unter der Juniorprofessorin Nadeschka Bachem zusammen. Gemeinsam wollen sie auch hochschulübergreifend ein Netzwerk aufspannen, um die Lehre, Nachwuchsförderung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit weiter auszubauen.
Starker Anstieg der Studierendenzahlen
Schon vor Corona, betont Professorin Ahn, sei es für die Studierenden – zu 95 Prozent weiblich – deshalb nichts Besonderes gewesen, digital zu studieren – und in ein und demselben Seminar etwa eine Referentin aus Hamburg zu begrüßen, aus den Vereinigten Staaten und aus Seoul. Transnational, interdisziplinär und intersektional – Hauptsache der qualitative Mix stimmt. Dass das universitätenumspannende Netzwerk auch die Personalknappheit abfedert, ist zwar ein positiver Nebeneffekt, löst das Problem aber nicht auf Dauer. Die Zahl der Studierenden ist in den vergangenen zehn Jahren von 20 auf 400 Studierende gewachsen. Schon 2008 waren Institute mit Asienbezug anderer hessischer Hochschulen nach Frankfurt verlagert worden, entstand hier das Interdisziplinäre Zentrum für Ostasienstudien (IZO). Die Zahl der Lehrenden und Forschenden ist mit der Zahl der Studierenden keineswegs ausreichend gewachsen. Heute lehren und forschen zwei Wissenschaftlerinnen und zwei Lektorinnen, fast alle auf zeitlich befristeten Stellen, unter der Leitung der einzigen Professorin, Yonson Ahn. Sie betreut darüber hinaus noch neun Doktorandinnen und Doktoranden.
Dass die Fachmitarbeiterinnen sich größte Mühe geben, die Studierenden zu betreuen und auch bei den fürs Sprachstudium notwendigen Auslandsaufenthalten zu unterstützen, bestätigen die jungen Leute: Insgesamt sechs koreanische Partneruniversitäten kooperieren mit der Goethe-Universität. Gern würde Professorin Ahn diesen weitere hinzufügen, wenn möglich auch in Nordkorea. Auch bei Praktika und anderen Kontakten erfahren die Studierenden Unterstützung. Das Umfeld ist günstig – in Frankfurt lebt die mit Abstand größte Anzahl von Auslandskoreanern in Europa, es gibt zahlreiche koreanische Firmen, eine koreanische Handelsvertretung (KOTRA) und ein koreanisches Generalkonsulat.
Frauke Behre ist nach ihrem Bachelor für ihr Masterstudium von Frankfurt nach Tübingen gewechselt, an die wohl bekannteste deutsche Hochschule mit eigenem Studiengang in Koreastudien. „Erst in Tübingen habe ich gemerkt, wie selbstverständlich uns in Frankfurt das Interdisziplinäre ist. Was ist mit China und Japan, dem Rest der Welt?“, habe sie sich dort in Seminaren öfter gefragt. Und auch das bei den Frankfurter Studienstartern eher weniger geschätzte Pflichtfach Empirische Sprachwissenschaften habe ihr immer wieder Perspektiven eröffnet. Frauke Behre ist deshalb wieder nach Frankfurt zurückgekehrt. Und schreibt ihre Masterarbeit mit einem Koreaschwerpunkt in Modern Eastern Asien Studies – mit Blick auf den Rest der Welt.
Weitere Informationen zu den Koreastudien an der Goethe-Universität unter www.korea.uni-frankfurt.de
Video zu den Koreastudien auf YouTube
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 6/2021 (PDF) des UniReport erschienen.