Mit der pandemischen Ausbreitung von SARS-CoV-2 haben sich die Dinge für viele internationale Studierende mit und ohne Fluchthintergrund grundlegend geändert. Seit nunmehr einem Jahr sitzen sie in Wohnheimen, lernen Dozent*innen und Kommilitonen*innen nur virtuell kennen und haben kaum die Möglichkeit, ein soziales oder berufliches Netzwerk für die Zeit nach dem Studium aufzubauen.
Genau hier setzt das DAAD-Projekt „Integra – Integration von Flüchtlingen ins Fachstudium“ der Goethe-Universität an. Das Projekt des International Office und Career Service baut für internationale Studierende mit und ohne Fluchthintergrund über Online-Job-Shadowing, Karrierecoaching und Bewerbungsmappencheck sowie ein vielfältiges Workshop-Angebot in den Bereichen Studientechniken und „Future Skills“ eine Brücke in den deutschen Arbeitsmarkt. Ursprünglich als Präsenzprojekt geplant, musste es mit dem Start gewissermaßen im Zeitraffer in ein Online- Projekt überführt werden. Besonders für das angedachte Job-Shadowing-Programm gab es keine Blaupause, gleichwohl entwickelt es sich gegenwärtig zu einem kleinen Erfolgsprojekt.
Einblicke in den Arbeitsalltag eines anderen Menschen erhalten
Beim klassischen Job-Shadowing „beschatten“ Studierende einen Tag lang eine berufstätige Person bei der Arbeit und erleben dadurch ihren Arbeitsalltag. So können sie persönliche Einblicke in einen bestimmten Beruf bzw. ihren Wunschberuf bekommen, sich gezielt Informationen beschaffen und erste berufliche Kontakte knüpfen. Dabei steht das gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund. Die Studierenden bekommen einen ersten Eindruck von den Tätigkeitsbereichen, den Arbeitsabläufen und der Unternehmenskultur des Arbeitgebers. Auch die Berufstätigen profitieren vom Job-Shadowing: Sie haben die Gelegenheit, Studierende bei ihrer beruflichen Orientierung zu unterstützen, lernen motivierte Studierende kennen und können das Job-Shadowing als Recruitingmöglichkeit für Praktika, Werkstudenten, Abschlussarbeiten, Jobeinsteiger nutzen.
Aufgrund der Corona-Pandemie können die Programmteilnehmer*innen zurzeit nicht mehr ungehindert zusammenkommen. Praktisch alle Unternehmen haben auf Homeoffice umgestellt bzw. lassen keine externen Besucher*innen in die Büros. Daher bietet der Career Service aktuell ein Online-Job-Shadowing – mit einer Dauer von ca. ein bis zwei Stunden – als Alternative zu einem persönlichen Treffen während einer eintägigen Hospitation im Unternehmen an.
Welche Studierende bzw. Professionals machen mit?
Der Fächerhintergrund der 32 Teilnehmenden ist vielfältig: Neben vielen Studierenden aus den Geisteswissenschaften kommen rund ein Viertel der Teilnehmenden aus den Wirtschaftswissenschaften. Ebenso ist der berufliche Hintergrund der rund 60 Professionals vielfältig: Sie arbeiten als Pädagog*innen, Projektmanager*innen, Berater*innen, Produktentwickler* innen etc. in Unternehmen bzw. Institutionen wie z. B. Goethe-Universität, KfW Entwicklungsbank, GIZ, Commerzbank, Friedrich-Ebert-Stiftung, EU-Kommission, BMBF NRW, Museum für Kommunikation, Procter & Gamble, Vereinte Nationen Genf, ILA Genf, Confidential Group. Die Motivation der teilnehmenden Professionals ist es, der Gesellschaft, v. a. jungen Menschen, etwas zurückgeben zu wollen, so auch Beyhan Şentürk (Business Coach, Diversity Consultant und Trainerin für politische Erwachsenenbildung): „Als politisch denkender Mensch finde ich ehrenamtliches Engagement sehr wichtig und unerlässlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Für Berufstätige ist es jedoch schwer, sich zu engagieren. Schließlich haben wir alle einen vollen Terminkalender. Das Job-Shadowing-Programm ist hier ideal: Der Aufwand ist kalkulierbar, es ist zeitlich flexibel, durch den Einsatz von Zoom ist es ortsunabhängig und die Wirkung ist gleich ersichtlich – ein lächelnder Mensch.“
Erste Erfolg versprechende sowie erfreuliche Ergebnisse
Mittlerweile haben sich gut die Hälfte der teilnehmenden Studierenden mit einem oder mehreren Professionals online getroffen und auch ihre Erfahrungen mit dem Programm geteilt. Allen Rückmeldungen ist gemein, dass sie das Job-Shadowing als informativ und hilfreich für ihre berufliche Orientierung empfunden haben. Das bestätigt auch Laura Folgheraiter: „My personal feedback on our meeting is very positive. The input was overall very constructive and encouraging, and it fully met my expectations regarding this exchange.” Und Khumo Tlhaboloa berichtet: „I am happy with the advice and mentorship that I have received for Mr. Lund. Mr. Lund gave me very clear advice, by making me aware of the options I have within a certain sector and helped me figure out what types of industries would be of interest to me and would welcome my education and skillset. In addition, Mr. Lund helped me understand the ways I could apply to positions by informing me of industry-specific methodologies I can inform myself on, CV keywords, and Companies I could approach.“ Khumo Tlhaboloa wird im Sommer als Trainee bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Eschborn anfangen – als Resultat des Karriere-Coachings, auf das er Anspruch hat, und seiner Teilnahme am Online-Job-Shadowing.
Einige wurden in ihrem Wunsch bestärkt, sich in dem Unternehmen ihres Job-Shadowing- Partners für ein Praktikum, als Werkstudent*in oder sogar für eine Einstiegsposition zu bewerben und bleiben in Kontakt. Auch die Rückmeldung der Professionals fällt erfreulich positiv aus. Sie empfinden das Online-Job-Shadowing als Gewinn für beide Seiten und wollen auch in Zukunft als Partner für das Programm zur Verfügung stehen. Sumesh Lund (Spezialist für Market Risk bei der Commerzbank AG sowie Referent für Computersprachen an der Goethe-Universität) meldet zurück: „Overall, I really enjoyed speaking with Khumo – he seems like a very hardworking and talented individual. I have given him some advice and suggestions on his career directions and invited him to connect with me again once he has more questions.“
Das Online-Job-Shadowing hat sich von einem Programm zur beruflichen Orientierung in Zeiten, in denen soziale Kontakte fehlen, zu einer interkulturellen Begegnung ganz besonderer Art entwickelt, das den internationalen Studierenden Mut macht und sie in ihren individuellen Ambitionen bestärkt.
Sibel Ulucan, Jens Blank, Julia Jochim
Mehr Informationen zum Online-Job-Shadowing, Karriere-Coaching, Beratung für internationale Studierende und Workshops beim Career Service finden Sie hier.
Das Video von Khumo Tlhaboloa finden Sie hier.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 4/2021 (PDF) des UniReport erschienen.